Es scheint, als ob der Streit um die E-Isetta zwischen Microlino und Artega in die nächste Runde eingetreten ist. Nun geht allerdings Artega in die Offensive und reagiert auf die einstweilige Verfügung gegen den Karo/Karolino.
Wir erinnern uns: Nach einem Urteil des Oberlandesgericht München darf der Karolino von Artega nicht mehr beworben werden. Ein Besuch der IAA 2019 sollte somit ausscheiden. So zumindest die Theorie, denn der Karo von Artega war eben doch auf der IAA zu sehen. Was nun durchaus zu ernsthaften Konsequenzen für Artega führen kann, wie wir vergangenen Samstag ausgeführt haben.
Artega zeigt sich eigener Auskunft nach vollkommen überrascht, dass das Landgericht München auf Antrag der Micro Mobility Systems AG ohne Begründung eine einstweilige Verfügung gegen das neue Elektro-Stadtfahrzeug Karo von Artega erlassen hat. Wie Artega nun allerdings zu verstehen gibt wird man dies nicht auf sich sitzen lassen und mit allen juristischen Mitteln gegen diese vorläufige Entscheidung zur Wehr vorgehen. Stets mit dem Ziel im Auge, die eigenen Kunden baldmöglichst zu beliefern.
Artega kann Urteil des Landgerichts nicht nachvollziehen; hält an Vorbereitung zur Serienfertigung fest
“Wir können die vorläufige Entscheidung des Landgerichts nicht nachvollziehen. Merkwürdig ist auch, dass die Verfügung in den Medien schon am vergangenen Freitag präsent war, uns aber erst heute zugestellt wurde”, so Klaus Dieter Frers, Geschäftsführer von Artega. Des Weiteren verweist er darauf, dass noch im Vorverfahren dasselbe Gericht im Juli festgestellt hatte, dass der Microlino von Micro im Wesentlichen Merkmale der 50er-Jahre Isetta aufnimmt und keine schutzwürdige sogenannte wettbewerbliche Eigenart aufweist.
Man werde sich nicht ausbremsen lassen und weiter an den Vorbereitungen zur Serienfertigung des elektrischen Stadtflitzers im Isetta-Style arbeiten. Selbst wenn das Seriendesign gegebenenfalls noch einmal angepasst werden muss.
Aus Sicht von Artega habe man auf das Verbot des OLG München entsprechend reagiert und noch im August Anpassungen am eigenen E-Fahrzeug vorgenommen, um sich deutlich von der Optik des Microlino zu entfernen. So habe sich der Karo optisch wesentlich stärker an das Vorbild Isetta gerückt als der modernere Microlino und hat eine komplett andere Seiten- und Heckoptik.
Viel Chrom, einfach wirkende Außenspiegel, ein Pseudo-Grill und normale Scheinwerfer statt LED-Leuchten – so wurden die Anpassungen von Besuchern der IAA 2019 in Frankfurt beschrieben.
Frers bezichtigt Microlino Klauseln eingebracht zu haben, welche kartellrechtlich nichtig sind.
Laut Aussage von Frers musste Microlino im Frühjahr zur Kenntnis nehmen, dass der zwischen der italienischen Firma TMI Spa. (heute: Artega International Srl.) und der Micro Mobility Systems AG im Jahr 2016 geschlossene Kooperationsvertrag zur Entwicklung und Vermarktung des Microlino diverse Klauseln enthielt, die kartellrechtlich nichtig sind.
Alleiniger Entwickler und Produzent des Microlino ist Artega International, während Micro keine eigenen technischen Entwicklungsleistungen beigetragen hat und auch nicht beitragen konnte.
“Micro hatte sich von TMI vertraglich nach Gutsherrenart exklusive Vertriebsrechte zusichern lassen, die mit europäischem Kartellrecht nicht vereinbar sind” – Klaus Dieter Frers, CEO Artega
Durch den Wegfall der nichtigen Klauseln habe Artega International automatisch die gleichen europäischen Vertriebsrechte am Entwicklungsergebnis, das wegen der 50:50 Kostenverteilung beiden Vertragsparteien gemeinsam zustehe.
Laut Frers habe sein Unternehmen reagiert und das Kartell beendet und die zuständigen Kartellbehörden in verschiedenen europäischen Ländern sowie die EU-Kommission darüber informiert.
Als Micro im November 2018 erfuhr, dass die Artega GmbH TMI erworben hatte, sah man nach mehr als zwei Jahren Entwicklung ohne fertiges Fahrzeug in Artega noch den „Retter in der Not“. Originalzitat Wim Ouboter, Chef von Micro, von damals: „Da sieht man, dass Profis am Werk sind!“
Artega sieht sich als Opfer von Fake-News
Frers gibt zu verstehen, dass als den Eigentümern von Micro klar wurde, dass sie beim Abfassen des Vertrags mit TMI schwere rechtliche Fehler begangen hatten, sie sich gegen Artega wenden musste.
So begann eine beispiellose Social-Media-Hetzkampagne mit „Fake News“ und dem Schüren von Verschwörungstheorien. Die viel größere technische Expertise von Artega wurde plötzlich in Zweifel gezogen. Mängel an Vorserienfahrzeugen, die noch aus der Zeit vor dem Erwerb durch Artega stammten, wurden Artega angedichtet und als Argument dafür missbraucht, warum sich der Lieferbeginn verzögerte, so die Aussagen des Artega-Geschäftsführers.
Artega/Frers das Opfer von Microlino? Fraglich!
Aus seiner Sicht habe Microlino gegenüber seinen Kunden Versprechungen gemacht, die völlig unrealistisch waren. Zugleich habe man eine Rufmordkampagne ins Leben gerufen, die Artega “nunmehr ein Wettbewerber, mit allen, auch unlauteren Mitteln” daran hindern soll dem Schweizer Familienunternehmen Kunden wegzuschnappen.
„Hinter der Maske der netten Vorzeigefamilie aus der Schweiz, die eine tolle Idee hatte und jetzt angeblich von einem hässlichen deutschen Industriellen betrogen wird, steckt ein durchschaubares Kalkül“, führt Frers ernüchtert aus.
“Wenn man weiß, dass seit Wochen von beiden Seiten Entwürfe für eine Vereinbarung zur Beendigung des Streits vorliegen, die sich nur marginal unterscheiden, wird jedem klar, was hier gespielt wird. Micro will sich in eine bessere Position für die laufenden Verhandlungen bringen.” – Klaus Dieter Frers, CEO Artega
Inwiefern Frers mit seiner eigenen Pressemeldung vom 02. Oktober 2019 versucht das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden sollte jeder für sich entscheiden. Ganz uneigennützig und ohne Hintergedanken scheint die “Aufarbeitung ” des Streits Microlino vs Artega auch nicht erfolgt.
Im Gegenteil, Frers spricht gegen Ende der Pressemitteilung einen Hinweis aus, der durchaus als Drohung zu verstehen sein könnte, welche wir als solche stehen lassen möchten, damit jeder für sich entscheiden kann, welche Interessen wohl verfolgt werden.
Aufgrund der vertraglichen Lage ist Micro auf das Einverständnis von Artega angewiesen, wenn Micro einen alternativen Lieferanten einschalten will. „Mit dem aktuellen Vorgehen ist Micro einen Schritt zu weit gegangen und gefährdet die zeitnah mögliche Einigung“, so Frers. „Ohne ein Entgegenkommen von Micro werden wir rechtliche Schritte einleiten, die eine Vermarktung des Microlino aus anderer Quelle unmöglich machen, weil damit die Rechte von Artega an der Konstruktion verletzt würden. Noch ist die Tür für eine Einigung allerdings offen.“
Quelle: Artega – Pressemitteilung vom 02. Oktober 2019