Stellantis: Autoindustrie Europas ohne Hilfe in Gefahr

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Opel

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

In einem ausführlichen Interview mit Business Insider gab Jean-Philippe Imparato, COO für die Region Enlarged Europe bei Stellantis, Einblicke in die aktuelle Lage des Konzerns in Europa, die Herausforderungen der Elektromobilität und die strategische Ausrichtung im Spannungsfeld von Regulierung, Standortkosten und globalem Wettbewerb. Stellantis verzeichnete im ersten Quartal 2025 in Europa ein Plus von 20 Prozent bei den Auftragseingängen im Vergleich zum Schlussquartal 2024. „Das ist für mich der wichtigste Indikator für die Solidität unseres Geschäfts“, so Imparato. Gleichzeitig habe man das Volumen bei Mietwagen und Vorführwagen bewusst verringert und den Lagerbestand gesenkt – insbesondere bei Autos, die älter als sechs Monate sind.

Doch gerade bei Elektroautos spüre man einen „erheblichen Druck auf das Pricing“, wie Imparato betont. „Hier ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten, um unvernünftige Entscheidungen zu vermeiden, die letztlich niemandem helfen würden.“ Trotz insgesamt rückläufiger Tendenzen in vielen Märkten entwickelt sich speziell der deutsche Markt positiv für Stellantis. Beim stockenden Hochlauf der Elektromobilität in Europa sieht der Manager drei zentrale Bremsklötze: Preis, Ladeinfrastruktur und Reichweite. Er fordert gezielte finanzielle Unterstützung beim Umstieg auf E-Autos und verweist auf große Unterschiede innerhalb Europas. Während Spanien und Italien Nachholbedarf hätten, seien die E-Mobilitäts-Vorreiter mittlerweile Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Belgien und die Niederlande – „die neuen G5 von Europa“, wie Imparato sie nennt.

Mehr Hybrid, weniger Ideologie

Mit Blick auf mögliche Änderungen beim EU-Ziel eines Verbots fossiler Verbrenner-Neuwagen ab 2035 zeigt sich Imparato pragmatisch. Das Ziel Null Emissionen werde bestehen bleiben – ob 2035 oder 2040 sei zweitrangig. Stellantis setzt daher auf einen „Multi-Energie-Ansatz“ und entwickelt Elektroautos, Mild- und Vollhybride gleichermaßen. „Wenn wir den Bestand an alten Autos erneuern und deren Emissionen um 10, 15 oder sogar 30 Prozent senken, hätten wir einen massiven Effekt im Kampf gegen die Erderwärmung“, so Imparato. Dieselantriebe sieht er nur noch im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge als relevant an.

Imparato warnt vor den Folgen möglicher Handelsbarrieren – sowohl gegenüber China als auch im Kontext eines möglichen Handelskriegs mit den USA. Er zitiert Chairman John Elkann: „Wir stehen für freien und fairen Handel – ohne Disruptionen und Hemmnisse.“ Die ab April geplanten US-Zölle seien ein Risiko – weniger für Stellantis selbst, aber für das wirtschaftliche Ökosystem. „Am Ende leiden alle – auch durch steigende Inflation.

Zur Kooperation mit dem chinesischen Hersteller Leapmotor äußert sich Imparato vorsichtig, aber offen. Zwar gebe es noch keine Entscheidung zur Produktion von Leapmotor-Modellen in Europa, doch prüfe man verschiedene Szenarien. Die Partnerschaft diene auch dem CO₂-Pooling innerhalb des Konzerns. Eine Montage von Autos für andere chinesische Marken sei derzeit kein Thema. Beim gemeinsamen Batterie-Joint-Venture ACC mit Mercedes-Benz und Total steht für Stellantis zunächst die Profitabilität des Standorts Billy-Berclau Douvrin bis 2026 im Fokus. Erst danach werde über eine Erweiterung in Kaiserslautern oder Italien entschieden. Die Lernkurve vor Ort ist laut Imparato „bemerkenswert“ – langfristig ziele man auf Long-Range-Batterien für Opel und Peugeot.

Opel unter Druck – Deutschland zu teuer

Er betont den hohen Stellenwert von Opel als industrielle Säule innerhalb von Stellantis. Doch er stellt dem Standort Deutschland ein kritisches Zeugnis aus: „Die Kosten für die Montage eines Autos sind hier viermal höher als in Spanien.“ Neben den Arbeitskosten seien auch die Energiepreise in Deutschland ein Wettbewerbsnachteil. Seine Empfehlung an die Politik: „Senkt die Energiepreise – das ist das Wichtigste.“ Mit Blick auf die neue Regierung appelliert Imparato an den designierten Kanzler Friedrich Merz: „Unterstützen Sie Ihre heimische Automobilindustrie stärker.“ Nur so könne Stellantis – und insbesondere Opel – seine industrielle Basis in Deutschland langfristig erhalten.

Imparato sieht die europäische Autoindustrie an einem Wendepunkt, der durchaus an die Krise der Stahlindustrie erinnert. Er warnt eindringlich vor einem „Crash“, sollte Europa nicht schnell handeln. „Wir brauchen neue Anreize im Autogeschäft und niedrigere Energiepreise – jetzt. Nicht erst in fünfzehn Jahren.“

Zum Schluss stellt Imparato klar, dass er nicht Nachfolger von CEO Carlos Tavares werden möchte. „Ich bin 58 Jahre alt – und schaue mich nicht mehr um nach dem nächsten Karriereschritt.“ Seine volle Aufmerksamkeit gelte der Region Enlarged Europe und dem operativen Geschäft.

Quelle: Business Insider – Jean-Philippe Imparato im Interview: Diesen dringenden Rat hat der Europa-Chef des Stellantis-Konzerns für die neue Bundesregierung

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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Frank2:

Stellantis geht der Arsch auf Grundeis.
Die amerikanische Kultur der Firma ist einfach zu dominant – der europäische Kunde wird in Zukunft amerikanische Produkte aussortieren – egal wo die Zölle hingehen.

Favone:

Bei Stellantis liegt es wohl er an der verfehlten Modellpolitik. Marken wie Lancia, Chrysler, Alf und Citroën und Maseratti zu Tode geritten und gemanagt.

Dann solche Fehlentscheidungen wie neue Marken DS und Talbot als Billigmarke nicht einzuführen.

Stellantis soll mal den Gemischtwarenladen aufräumen und klare Markenprofile schaffen.

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