Ein Elektroauto für Millionen – nicht nur für Millionäre: Volkswagen baut mit dem ID.3, so das Unternehmen in einer aktuellen Mitteilung, „das bezahlbare Elektroauto für alle“. Dafür wird das Werk Zwickau derzeit ins erste, größte, leistungsfähigste – und umweltfreundlichste – E-Auto-Werk Europas verwandelt.
Noch 2019 werden im Volkswagenwerk Zwickau die ersten vollelektrischen ID. Modelle vom Band laufen, als Erstes der ID.3. In der finalen Ausbaustufe ab 2021 sollen es 330.000 rein elektrische Autos pro Jahr sein. Dann fertigen die Mitarbeiter hier sechs Modelle für drei Marken: Volkswagen, Audi, Seat. Insgesamt investiert der Konzern 1,2 Milliarden Euro in den Standort in Sachsen.
Zu DDR-Zeiten wurde hier der legendäre Trabant 1.1 gebaut, die „Rennpappe“. Seit der Neugründung des Standorts Zwickau 1990 verließen mehr als 5,5 Millionen Fahrzeuge die Werkhallen, vor allem Volkswagen Golf, Golf Variant und Passat. Die Fläche des Fahrzeugwerks erstreckt sich über 1,8 Millionen Quadratmeter (das entspricht 252 Fußballfeldern), davon sind 1,4 Millionen Quadratmeter bebaut. Bis Mitte 2018 lief hier der Passat vom Band, aktuell sind es noch Golf und Golf Variant. Im Spätherbst startet die Produktion des ID.3. Parallel wird der Golf Variant noch bis Mitte 2020 weiter produziert.
1500 Fahrzeuge rollen täglich vom Band
Die künftig rein elektrischen Modelle aus Zwickau basieren auf einer effizienten, stabilen und nachhaltigen Produktion. Die maximale Auslastung des Werks wird von heute 1350 auf dann 1500 Fahrzeuge täglich gesteigert. Und da die Zwickauer zudem die Anzahl der Modelle von drei auf sechs erhöhen, bleibt die Beschäftigung am Standort stabil – auch wenn Elektrofahrzeuge weniger aufwendig zu bauen sind.
Gestartet wurde der Umbau bereits im Sommer 2018 mit der Modernisierung der Fertigungslinien. Nach den Werksferien ist ab August die erste von zwei Montagelinien für die ID. Produktion startklar. Dafür wurden Karosseriebau, Lackiererei, Montage und Infrastruktur umfangreich modernisiert und erneuert. Unter anderem musste die gesamte Fördertechnik auf die Elektroautos vorbereitet werden.
Die zweite Linie des Standorts wird bis Ende 2020 nach dem gleichen Muster umgestellt und noch im selben Jahr in Betrieb gehen. 9000 Tonnen Stahl werden neu eingebaut, 50.000 Quadratmeter Hallenfläche errichtet und 1625 Roboter aufgestellt. 50 Partnerfirmen unterstützen beim Umbau. Viele der bisherigen Anlagen werden wiederverwendet – auch an anderen Konzernstandorten.
Ingolf Keller, Leiter des Versorgungsbetriebs am Standort Zwickau, hat einen exakten Überblick auf die Modernisierung im Werk. Was viele Kollegen und externe Partner über Monate planten und in wenigen Jahren umbauen, hat ein Ziel: die Produktion in Zwickau künftig weitgehend CO2-frei zu gestalten. Dafür gab und gibt es fünf größere Projekte.
1. Ökostrom
Das Werk Zwickau wird durch die Volkswagen Kraftwerks GmbH mit Strom beliefert. Diese bietet seit ein paar Jahren reinen Naturstrom an, der aus Wasserkraftwerken, Wind- und Solarparks stammt. Dieser Naturstrom ist TÜV-zertifiziert. Auch wenn er etwas mehr kostet, bezieht Volkswagen Sachsen (Standorte Zwickau, Dresden, Chemnitz) seit April 2017 diesen Ökostrom. „Er ist komplett CO2-neutral und unterstützt unser Ziel, zur ‚Think Blue Factory‘ zu werden“, erklärt Keller.
Die Zahlen sind beeindruckend: Jährlich spart allein der Standort Zwickau durch den Naturstrom 106 Tonnen CO2 ein. Er deckt den Strombedarf derzeit zu 50 Prozent. Die anderen 50 Prozent produziert Zwickau in einem eigenen Blockheizkraftwerk. Es wird mit Erdgas betrieben, was bedeutend klimafreundlicher ist als die Verstromung von Kohle.
Das eigene Kraftwerk hat einen weiteren großen Vorteil: Es deckt „nebenbei“ auch 70 Prozent des Wärmebedarfs des Werks Zwickau. „Würden wir das Gas nur zum Heizen verwenden, hätten wir nicht diesen Wirkungsgrad und viel mehr CO2-Ausstoß“, sagt Ingolf Keller.
2. Umbau nach Energieeinsparverordnung
Die im Zuge des Umbaus erweiterten oder neu gebauten Hallen entstehen komplett nach der neuesten Energieeinsparverordnung (Dämmung, Fenster, Bauhülle). Sie minimieren den Strom-, Wasser- und Wärmeverbrauch entsprechend der Nutzung. Zusätzlich beraten die Kollegen monatlich einmal, wie sie die Verbräuche weiter senken können. So wurde etwa der Wasserkreislauf so eingestellt, dass weniger Frischwasser verbraucht wird, indem mehr Wasser recycelt wird. Oder: Am Wochenende werden jetzt alle Hydraulikaggregate zentral abgeschaltet. Mit Erfolg: Jetzt liegt der Stromverbrauch nur noch bei 20 Prozent eines Wochentags – ein sehr guter Wert auch konzernweit.
3. Optimierung des Erdgas-Verbrauchs
Erdgas gilt als einer der großen Verbraucher in der Fertigung. Bei der thermischen Nachverbrennung in der Lackierung wird jetzt die Abgastemperatur so optimiert, dass sie einerseits noch hoch genug für die Qualität ist, andererseits aber nicht zu viel Schadstoffe in die Luft geblasen werden. Insgesamt wird weniger Gas verbraucht.
4. Neue Ventilatoren und Pumpen
Neue Anlagen sind jetzt immer mit sogenannten frequenzgeregelten Ventilatoren und Pumpen ausgestattet. Die sind in der Anschaffung zwar im Vergleich zu früheren Drehstrommotoren teurer, weil sie exakt nach Bedarf regeln, verbrauchen sie aber nur soviel Strom wie minimal benötigt.
5. Energieoptimierte Drucklufterzeuger
Schließlich die zahlreichen Drucklufterzeuger: Auch sie sind seit Kurzem energieoptimiert und senken so den CO2-Ausstoß maßgeblich.
„Wenn 2020 alle Umbauten beendet sind, streben wir für unser Werk eine Zertifizierung durch die anerkannte ‚Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen‘ an“, erklärt Keller. Aber auch schon jetzt, mit Beginn der Produktion des ID.3, läuft das Werk Zwickau fast CO2-neutral. Keller: „Das Erdgas, das wir noch nicht CO2-frei beziehen, gleichen wir ab sofort durch den Zukauf von Zertifikaten aus.“
Ziel ist es, künftig nur noch CO2-neutrales Gas einzukaufen. Doch derzeit gibt es am Markt noch nicht ausreichende Mengen davon. Wird in ein paar Jahren auch dieses Angebot größer, ist das Werk Zwickau komplett CO2-frei – auch ohne Zertifikate.
Quelle: VW – Pressemitteilung vom 22.07.2019