Zwischendurch zur Lachnummer verkommen scheint es nun tatsächlich so, als würde der deutsche Elektroauto-Markt sein vor gut zehn Jahren von der Bundesregierung angekündigtes Millionenziel im Juli erreichen. „Wir werden unser Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020, das jedermann für unerreichbar gehalten hat, in diesem Juli erreichen, also mit nur einem halben Jahr Verspätung“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in einem Interview mit dem Tagesspiegel.
Allerdings gelingt dies nur mit einem kleinen, nicht unwesentlichen Trick: Denn Altmaier rechnet großzügig auch Plug-in-Hybride mit ein, welchen neben dem rein elektrischen auch einen herkömmlichen Verbrennerantrieb verbaut haben und meist nur auf dem Papier klimafreundlich unterwegs sind. Die umstrittenen Plug-in-Hybride ausgeklammert dürfte Deutschland sein rein elektrisches Millionenziel gegen Ende 2022 erreichen, sollte der E-Auto-Boom wie in den vergangenen Monaten weiter anhalten.
Altmaier erwähnt in dem Interview auch, dass allein „im ersten Halbjahr 2021 bereits mehr Prämien in Anspruch genommen wurden als im ganzen letzten Jahr. Insgesamt 1,25 Milliarden Euro“, so der Wirtschaftsminister, der für dieses Jahr eine Rekordförderung ankündigt. Seit Beginn der Umweltprämie im Juni 2016, die mehrmals aufgestockt wurde und nun maximal 9000 Euro für ein reines E-Auto und maximal 6750 Euro für einen Plug-in-Hybrid umfasst, seien mehr 530.000 E-Fahrzeuge finanziell bezuschusst und rund 2,1 Milliarden Euro an Förderung ausbezahlt worden.
„Insgesamt hat die Prämie geholfen, dass viele Menschen sich für ein Elektroauto entschieden haben“
Der Transformationsprozess vom fossilen Verbrenner zum Elektroauto sei „gewaltig“, so der Wirtschaftsminister weiter. Auch deshalb unterstütze die Regierung des Wandel mit finanziellen Anreizen, wie es etwa bei den erneuerbaren Energien oder bei der Gebäudesanierung der Fall ist. „Insgesamt hat die Prämie geholfen, dass viele Menschen sich für ein Elektroauto entschieden haben“, betont Altmaier in dem Interview.
Er geht nun davon aus, dass das weitere Ziel von sieben bis zehn Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen bis 2030 angesichts der aktuellen Entwicklung übertroffen werde dürfte. „Inzwischen haben wir auch aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts unsere Klimaziele deutlich verschärft und wollen schon im Jahr 2045 klimaneutral leben und wirtschaften. Auch die EU hat Vorschläge gemacht, wie die Klimaziele bis 2030 im Verkehr anzupassen sind“, sagte Altmaier. Deshalb sei er der Meinung, „dass wir aller Voraussicht nach in den nächsten zehn Jahren deutlich schneller deutlich mehr Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen sehen werden.“
Dies sollte Altmaier zufolge neben der E-Auto-freundlichen Förderpolitik der Bundesregierung auch aus zwei weiteren Gründen erreichbar sein: „Erstens dadurch, dass jetzt mehr attraktive Modelle auf den Markt kommen“, so der Minister über die stetig steigende Modellvielfalt quer über alle Hersteller und Segmente hinweg. Zweitens verankere sich „der Wandel hin zu einer individuellen, aber klimafreundlichen Mobilität jetzt langsam auch im allgemeinen Bewusstsein“. Wichtig sei nun, dass auch ein attraktiver Gebrauchtwagenmarkt für Elektroautos entsteht. Denn „schon heute kann sich nicht jeder Bürger ein neues Fahrzeug leisten, das ist beim Elektrofahrzeug nicht anders als beim Verbrenner.“
Warum die Antriebswende eine politische Gratwanderung ist
Die Antriebswende politisch mitzugestalten, ist Altmaier zufolge eine Gratwanderung. Einerseits gebe es großes Interesse daran, „dass Klimaschutz in Deutschland gelingt“. Dabei wolle die Politik gleichzeitig verhindern, „dass diejenigen, die ohnehin bereits benachteiligt sind, überproportional die Belastungen dafür tragen müssen“. Das eine sei „notwendig für die Zukunft des Planeten und für die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder“, das andere sei „wichtig im Hinblick auf den sozialen und gesellschaftlichen Frieden im Land.“
Damit die Akzeptanz des Klimaschutzes nicht leidet, sei „wirtschaftliche Vernunft und klimapolitischer Realismus wichtig“. Klimaschutz sei „längst keine Frage des Ob mehr, sondern des Wie“. Altmaier betont, „keine gesellschaftliche Spaltung in Deutschland“ zu wollen. „Deshalb müssen dafür sorgen, dass die Lasten gleichmäßig verteilt werden.“
Quelle: Tagesspiegel – Wirtschaftsminister Altmaier im Interview: „Klimaschutz darf keine Frage des dicken Geldbeutels werden“