Wasserstoff-Tram in Sachsen ist staatlich geförderte Verschwendung

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Daniel Krenzer
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Ein Kommentar von Daniel Krenzer

In Sachsen wird derzeit mithilfe von acht Millionen Euro frischem Fördergeld des Bundes ein ehrgeiziges Projekt vorangetrieben: Ab 2026 soll in Görlitz Europas erste mit Wasserstoff betriebene Straßenbahn fahren. Von einer zukunftsträchtigen Innovation wird in der sächsischen Presse geschwärmt, ist dies doch ein Gemeinschaftsprojekt aus Leipzig, Chemnitz und eben Görlitz. Allerdings erlebt das Projekt in den sozialen Medien auch einen Shitstorm – und das völlig zurecht.

Ja, Wasserstoff kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Energieversorgung zu dekarbonisieren – und zwar dann, wenn ausschließlich grüner Wasserstoff genutzt wird. Allerdings steht dieser bislang nur in geringer Menge zur Verfügung, und auch in den kommenden Jahrzehnten wird die Menge des klimaneutralen Wasserstoffs selbst bei Ausschöpfung aller internationaler Bemühungen begrenzt sein. Umso wichtiger ist es, genau zu schauen, wo man ihn einsetzen möchte.

Es gibt sinnvolle H2-Anwendungsfälle

Wenig sinnvoll, ja verschwenderisch gar, wäre der Einsatz von Wasserstoff definitiv bei Pkw oder leichten Nutzfahrzeugen – und das gilt sowohl für die Brennstoffzelle als auch für die noch ineffizientere Methode des Wasserstoffverbrenners. Bei schweren Nutzfahrzeugen könnte es vielleicht sinnvolle Anwendungsfälle geben, wobei selbst hier die Tendenz zumindest für kürzere und mittellange Strecken inzwischen deutlich eher zur batterieelektrischen Lösung geht.

Realistische Anwendungsfälle für flüssige, aber klimafreundliche Treibstoffe wie Wasserstoff oder auch E-Fuels gibt es im Bereich der Schiff- und Luftfahrt. Hier wären anderenfalls gigantisch große Akkus notwendig. Der Einsatz für Züge könnte dann sinnvoll sein, wenn keine Oberleitungen bestehen – in Deutschland gibt es davon noch überraschend viele Strecken. Wichtig wird Wasserstoff zudem sicherlich als Energieträger für die Industrie.

Die Straßenbahnen in Deutschland sind allerdings nahezu alle heute schon elektrisch unterwegs. Was soll also eine Wasserstoff-Tram? Das Projekt unter der Leitung von Hörmann Vehicle Engineering verfolgt die Idee, dass solche Straßenbahnen dort das Umland besser an die Städte anbinden können, wo sich heute ein Ausbau von Schiene samt Oberleitung noch nicht lohnt. Allerdings ist Wasserstoff wie gesagt teuer und knapp – und das wird absehbar so bleiben. Wie man also zur Annahme kommt, dass sich eine solche Lösung eher lohnen könnte als ein Ausbau heute oder die Nutzung von Dieselbahnen, ist absolut schleierhaft.

Kompliziertes „Kekse-Backen“

Getestet wird die erste Wasserstoff-Straßenbahn zudem in Görlitz. Dort gibt es Oberleitungen, der Strom wäre also direkt verfügbar. Stattdessen wird Strom in einem aufwändigen Verfahren unter hohen Verlusten zu Wasserstoff umgewandelt, unter hohem Energieaufwand transportiert und gelagert, um in einem teuren Prototypen dann abermals unter Energieverlusten wieder zu Strom zu werden, der dann die Straßenbahn antreibt. Auf LinkedIn hat diesen Unsinn Prof. Dr. Maximilian Fichtner herrlich treffend beschrieben: „Wir backen Kekse. Pressen sie zu Pellets. Diese verbrennen wir dann, machen Dampf und daraus Strom. Um damit Kekse zu backen.“

Wasserstoff-Straßenbahnen dort zu nutzen, wo heute schon Trams fahren, wäre eine Energieverschwendung – denn der Strom ist ja bis auf wenige Ausnahmen bereits verfügbar. Und dass mit dieser Lösung neue Anwendungsfälle attraktiv werden könnten, ist so gut wie ausgeschlossen. Wenn die Bundesregierung tatsächlich für solche Projekte noch Fördermillionen übrig hat, dann kann die Finanzlage im Haushalt so schlecht wie kolportiert ja nicht sein, könnte man meinen. Für die Zukunft ist aber eine sinnvollere Verwendung von Steuergeldern sehr wünschenswert.

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.

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Markus:

In Uslan/Südkorea gibt es ähnliche Entwicklungen zu wasserstoffbetriebenen Stadtbahnen, aber ein Verkehrsgeograf hat sicherlich genug Expertise um sich zu Schienenfahrzeugentwicklungen zu äußern. Man sollte nicht zu allem eine Meinung haben, besonders wenn man die Projekthintergründe und das konkrete Anwendungsszenario nicht kennt.

Markus:

Vermutlich wird die Straßenbahn mit Wasserstoff aus dem Frauenhofer Versuchsstand betrieben.
Find ich gut.
Schade, dass dieser Zusammenhang nicht im Artikel erwähnt wird.

Frank:

Um Sonnenenergie nach Deutschland zu transportieren, sieht die Regierung es als Sinnvoll an, Wasserstoff per Schiff zu den neuen LNG Terminal zu schicken, vielleicht hast Du eine bessere Idee, wie man Strom ohne Leitung nach Deutschland bringt ?

Natürlich kann man aus den gelieferten H2 in den neuen Gaskraftwerken wieder Strom gewinnen und dann wieder für die Tram nutzen aber bitte an die Regierung wenden, die haben seit mehreren Jahren an diese Lösung gearbeitet.

Frank:

Ich sage doch nicht, dass das Sinn macht, aber die Regierung baut doch die LNG Terminals die später auf Wasserstoff umgestellt werden sollen und die Gaskraftwerke die letzte Woche beschlossen wurden sollen später mit den Wasserstoff den Strom herstellen.

Oder meinst Du, dass es weniger Verlust gibt, wenn man mit den Wasserstoff im Gaskraftwerk erst Strom herstellt und über viele Transformatoren zu der Tram bringt ?

Wolfgang:

Fördergelder sind die Verschwendungslaune der Regierungen allgemein. Siehe Radwege in Peru.

Ist aber in allen Bereichen so.
Wir haben Förderungen für Maschinen bekommen, die ich in 5 Minuten bei Google entdeckt habe.
Braucht man nur anpassen un fertig. Lieferung in 10 Wochen.
Dann war ich in weiteren 5 Minuten aus dem Team raus.
Ist also indirekte Geldbeschaffung für Firmen, um fällige Rechnungen zu zahlen.

Und ja, Batterie-Forschung wäre der bessere Ansatz.
Oberleitung noch besser.

chaos_user:

Genau! Durch diese Abkürzung schafft man, aus 100% Strom etwa 15% Energie in der Straßenbahn zu erzielen. Ein Elektromotor in der Straßenbahn hat einen Wirkungsgrad um 95%, mit Leitungsverlusten ist man sicher immer noch besser, als 85%.

Mit der Abkürzung über den Wasserstoff bläht man den Stromverbrauch der Straßenbahn auf das fünf- bis sechsfache auf. Wirklich eine tolle Idee!

Der Wirkungsgrad der Wasserstoffkette ist schon an sich jämmerlich, wenn man aber Wasserstoff auch noch per Schiff nach Deutschland transportieren muss, dann sinkt die miese Effizienz von erbärmlichen 20% auch noch weiter auf etwa 15%.

Daniel W.:

Grüner Wasserstoff wird als Rohstoff in der Chemieindustrie und als Reduktionsmittel in der Stahlindustrie gebraucht und zwar in riesigen Mengen.

Wir sollten keinen Wasserstoff in E-Fahrzeugen verschwenden, denn es wird vermutlich noch jahrzehntelang nicht genug grünen Wasserstoff geben, um neben der Industrie und der Luftfahrt (falls hier keine E-Fuels zum Einsatz kommen) auch noch die vielen E-Fahrzeuge in Europa und weltweit damit zu versorgen.

Die Herstellung von grünem Wasserstoff benötigt sehr viel Ökostrom, also wird er sehr wahrscheinlich in afrikanischen Ländern produziert, die zunehmend unter dem Einfluß von China und Russland stehen. Die europäischen Politker müssten dann auf Knieen rutschen und viele Diktaturen finanziell unterstützen.

Ich frage mich, ob Politiker die alten Abhängigkeiten von Erdöl und Erdgas durch neue Abhängigkeiten bei Wasserstoff und E-Fuels ersetzen wollen, dann wäre wir kein Stück weitergekommen und wir würden Diktatoren und Islamisten dabei unterstützen die Weltherrschaft zu erlangen und die Demokratie zu begraben.

Captain Ahab:

Falls da wirklich von Anfang an ‚Kommentar‘ stand, habe ich das übersehen und ich entschuldige mich für die Bemerkung.
Allerdings sind solche Kennzeichnungen bei ihnen unüblich, bzw. sehr selten. Ich konnte auf die Schnelle keine einzige weitere finden.

P.s.: ich hatte vor ca. 45 Jahren immerhin 4 Semester das Fach ‚Einführung in die Publizistik und Kommunikationswissenschaft‘ besucht.

Sven:

Es ist ja auch ein Kommentar und kein Bericht.

Wolfbrecht Gösebert:

Zitat Frank:
„… wenn also die Straßenbahnen direkt mit Wasserstoff betankt werden, spart man den ganzen Umweg über die Kraftwerke in Strom und die vielen Verluste über die vielen Trafostationen und Leitungen“

Du solltest das »Gleichnis« Maximilian Fichtners verstehen lernen: „Wir backen Kekse, pressen sie zu Pellets. Diese verbrennen wir dann, machen Dampf und daraus Strom, um damit dann Kekse zu backen.“ So sind H2-Straßenbahnen!

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