Helmut Holzapfel – Bauingenieur, Stadtplaner und Verkehrswissenschaftler – war bis 2015 Professor am Institut für Verkehrswesen der Universität Kassel und ist sich sicher, „dass die E-Mobilität ohne eine generelle Verkehrswende keine Lösung ist.“ Und dennoch halte unserer Politik an „alten, autozentrierten Vorstellungen fest, und das führte und führt immer noch auch zu einem halbherzigen Herangehen an die durchaus komplexe Problematik des Aufladens der E-Mobile“. Um hier zu einer zufriedenstellenden Lösung zu gelangen, muss nun alles viel schneller und fachübergreifend umgesetzt werden. Ansonsten braucht man sich mit der Klimafrage im Verkehr nicht mehr zu beschäftigen.
E-Mobilität führt nicht alleine die Verkehrswende herbei
Vor lauter E-Mobilität gehe laut Holzapfel der Gedanke verloren, dass es bei der Verkehrswende nicht nur darum geht, sondern um die klimaneutrale Zukunft des Verkehrs. Die E-Mobilität ihrerseits sei nur ein Baustein der Verkehrswende an sich. Daher wären aus seiner Sicht E-Autos nicht aus allgemeinen Steuermitteln zu subventionieren. Vielmehr wären von den Steuern „Investitionen in eine echte Mobilitätswende, besonders in den Städten“, zu stützen.
Hinsichtlich des Ziels bis 2030 auf 10 Millionen E-Autos in Deutschland zu kommen gibt der Verkehrswissenschaftler zu verstehen, dass dies „nicht ohne einen Quantensprung bei der Lade-Infrastruktur, vor allem mitten in den Städten.“ So werden aus seiner Sicht die Engpässe nicht beim Laden am Einfamilienhaus auftreten, das Minister Scheuer vor allem fördern will, sondern im Alltagsverkehr.
Kurzzeitige Nachfrage-Spitzen gilt es zu bändigen
Dies führt laut dem ehemaligen Professor am Institut für Verkehrswesen der Universität Kassel zu einer besonderen Herausforderung. Unser Verkehr ist durch „kurzzeitige Nachfrage-Spitzen gekennzeichnet, die noch dazu oft räumlich konzentriert auftreten“. Dies führt bereits heutzutage dazu, dass gerade im Urlaubsverkehr, „selbst bei den heutigen Tankstellen die Pkw-Schlangen bis auf die Autobahn stehen“. Ein Problem, welches mit aktuellen Ladezeiten von E-Autos nicht kleiner wird.
Damit die E-Mobilität ihren Teil zur Verkehrswende beitragen kann, muss auch hier langfristig gedacht werden. Der dafür notwendige Ökostrom muss zu einem erst einmal in entsprechender Menge produziert werden. Zum anderen muss „seine Speicherung und die Systeme seiner Verteilung müssen, gerade um die E-Mobilität zu sichern, deutlich ausgebaut werden“. Doch selbst dann sei das Problem der Verkehrswende nur einen kleinen Schritt weiter.
Mehr Bus & Bahn, weniger privat PKW dafür mehr E-Carsharing
Aus Sicht des Verkehrswissenschaftler Holzapfel wäre es zielführender auf mehr Bus und Bahn in den Städten zu setzen, die Anzahl privater PKW zu reduzieren und Carsharing, mit vorher gespeichertem Strom, zum Ausgleich von Nachfrage-Spitzen zu nutzen. Und dennoch geht es dann nicht ohne die Ladestationen, beziehungsweise ohne den „Quantensprung bei der Lade-Infrastruktur“. Holzapfel verfolgt hier einen interessanten Ansatz:
„In Tiefgaragen zum Beispiel sollte mindestens die Hälfte der Plätze elektrifiziert werden. Und auf den Parkplätzen von Supermärkten und Bürohäusern müssen Ladesäulen installiert werden – anzustreben ist dabei, dass sie nachts Anwohnern in der Nähe zur Verfügung gestellt werden, etwa auf Mietbasis.“ – Helmut Holzapfel, Bauingenieur, Stadtplaner und Verkehrswissenschaftler
Dies nun noch damit gekoppelt, „dass in den Läden und Büros nachts die Heizsysteme und Beleuchtungen noch über das bisherige Niveau hinaus abgesenkt werden“, führt dazu, dass Strom gespart wird. Und für die Problematik mit dem Urlaubsverkehr hat er auch eine kreative Lösung parat. Die E-Autofahrer sollen entsprechende Firmenladeplätze in Autobahnnähe gegen ein Entgelt nutzen dürfen.
Quelle: Klimareporter.de – „Ohne Quantensprung bei der Lade-Infrastruktur geht es nicht“