Herbert Schein, Vorstandsvorsitzender des deutschen Batteriekonzerns Varta, erklärte in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen, warum die Batterietechnik boomt, ob Varta auch einmal ins Geschäft mit Batteriezellen für Elektroautos einsteigen will, und wieso Akkus unbedingt auch in Deutschland produziert werden sollten.
„Ich glaube an die Batterie im Auto“, sagte Schein in dem Interview, obwohl sein Unternehmen (noch) keine Batteriezellen für Elektroautos produziert, sondern vor allem im Bereich der Unterhaltungselektronik tätig ist und dort mit fast 50 Prozent Marktanteil zu den Weltmarktführern gehört. Für die kommenden Jahrzehnte geht der Varta-Chef davon aus, dass es bei den Antrieben für Autos „bunter, sprich vielfältiger“ werde. „Bis vor wenigen Jahren kannte man nur den Verbrennungsmotor“, das sei nun vorbei. Er ist auch davon „überzeugt, dass die Batterietechnologie ein großes Potential hat für Leistungsverbesserungen“, schließlich gebe es Jahr für Jahr rasante technologische Fortschritte im deutlich zweistelligen Prozentbereich.
„Wir brauchen Autos, die kein CO2 mehr ausstoßen“
„Sicher“ sei zudem, dass wir „Autos brauchen, die kein CO2 mehr ausstoßen. Das ist fast gesellschaftlicher Konsens“, so Schein. Er könne sich auch vorstellen, mit Varta irgendwann ebenfalls Batteriezellen für Elektroautos herzustellen. Sein Unternehmen erforsche und entwickle momentan bereits „größere Zellenformate für den Einsatz zum Beispiel in Robotern oder fahrerlosen Transportsystemen“.
Die „oberste Priorität“ von Varta allerdings „ist derzeit der Ausbau der Fertigungskapazität für die Lithium-Ionen-Batterien im Lifestyle Entertainment Bereich.“ Die Produkte des Unternehmens würden „derzeit von allen Premium-Herstellern von Headsets weltweit nachgefragt, egal, ob diese aus den USA, Europa, Korea, Japan oder China kommen.“ Deshalb sei „ein weiterer zügiger Produktionsausbau und neue Innovationen in diesem Bereich sehr wichtig.“
„Alle brauchen Lithium-Ionen-Batterien. Hier liegt enormes Potential.“
Schein ist „fest überzeugt, dass wir erst am Anfang eines ganz großen Booms stehen“, sagte er der Augsburger Allgemeinen. Bei schnurlosen Kopfhörern und Headsets etwa, die sehr oft zusammen mit einem Smartphone betrieben werden, sei der Markt „erst am Anfang der Entwicklung. In fünf, sechs Jahren wird kaum noch ein Headset mit Kabeln genutzt werden“, ist sich der Varta-Chef sicher. „Smartphones werden mit vielen kleinen Geräten zusammenarbeiten. Und alle brauchen Lithium-Ionen-Batterien. Hier liegt enormes Potential.“
In einem weiteren Varta-Bereich – Power and Energy -, der Batterien für Haushaltsgeräte herstellt, gebe es ebenfalls eine sehr hohe Nachfrage: „Ich renoviere derzeit mein Haus. Alle Handwerker benutzen heutzutage Werkzeuge ohne Kabel und mit Lithium-Ionen Batterien. Alles wird in Zukunft schnurlos sein, im Haus, im Garten, jedes Gerät. Auch der Staubsauger braucht kein Kabel mehr.“ Bei Energiespeichern, um etwa den Strom einer Solaranlage zwischenspeichern zu können, rechnet Schein in den nächsten Jahren ebenfalls „mit einer stark wachsenden Nachfrage“.
„In zwei, drei Jahren laufen die ersten Einspeisevergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz aus, die auf 20 Jahre begrenzt sind. Dann wird es für die Besitzer von Photovoltaikanlagen sinnvoller und viel wirtschaftlicher sein, den erzeugten Strom selbst zu verbrauchen statt ihn ins Netz einzuspeisen. Dafür brauchen Sie einen Energiespeicher. Rund 1,7 Millionen Photovotaikanlagen warten auf solch ein Gerät. Darauf bereiten wir uns vor.“ – Herbert Schein, Vorstandsvorsitzender Varta
Dass mittlerweile auch die Politik in Deutschland die Batterieindustrie als eine strategisch wichtige Industrie für die Zukunft einstuft, findet Schein „sehr positiv“, schließlich seien Batterien in immer mehr Geräten „die zentrale Komponente“. Umso wichtiger sei es, „Batteriezellen in Europa zu bauen, insbesondere in Deutschland, um eine Abhängigkeit von Lieferanten in Asien zu minimieren.“
Varta denkt auch schon an die nächste Akkugeneration, die Feststoffbatterie. Schein ist aber der festen Überzeugung, „dass wir in den nächsten mehr als 15 Jahren eine Weiterentwicklung der Lithium-Ionen-Batterie sehen werden“. Schließlich müssen in der Feststoffbatterie-Technik „noch viele Grundlagen geklärt werden. Bisher gelingt es nicht, größere Ströme zu erzielen, also eine Batterie, die genügend Kraft hat.“
Die Befürchtung, dass wichtige Akku-Rohstoffe wie Kobalt oder Lithium knapp werden, hat Schein ebenso wie etliche andere in der Branche, nicht: „Lithiumvorkommen gibt es auf verschiedenen Kontinenten in der Welt“ und einige große Lithium-Vorkommen seien noch „gar nicht richtig angetastet“. Wichtig seien aber auch Fortschritte in Recycling-Technologien: „Der Recyclingvorgang für Lithium ist heute teuer und die saubere Trennung der Materialien ist schwer umzusetzen. Das muss sich künftig ändern, wenn die Nachfrage steigt. In Zukunft kommt es darauf an, die Stoffe aus den Batterien wieder zu verwenden, um die Umwelt zu schonen.“ Auch in diesem Bereich sei Varta engagiert.
Quelle: Augsburger Allgemeine – Varta-Chef will Batterie-Produktion „massiv ausbauen“