Das Elektro-Fahrzeug-Startup Nikola aus den USA gab bekannt, dass Trevor Milton sich an den Verwaltungsrat gewandt und vorgeschlagen hat, freiwillig als Executive Chairman zurück- und aus dem Verwaltungsrat auszutreten. Der Verwaltungsrat akzeptierte seinen Vorschlag und Stephen Girsky, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des Autokonzerns General Motors und Mitglied des Verwaltungsrats von Nikola, wurde mit sofortiger Wirkung zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats ernannt.
Miltons Rückzug ist die Reaktion auf einen seit einigen Tagen öffentlich ausgetragenen Streit. Das auf Leerverkäufe spezialisierte Unternehmen Hindenburg, das mit Kursstürzen von Nikola Geld verdient, wirft dem Startup Betrug und Vetternwirtschaft vor. Mit falschen Versprechungen soll Milton andere Autobauer wie General Motors und Zulieferer wie Bosch in Partnerschaften gelockt haben. Aufgrund der Betrugsvorwürfe brach die Aktie von Nikola massiv ein, von zwischenzeitlich fast 80 auf weniger als 28 US-Dollar.
Milton bündelte seine unternehmerischen Visionen in Nikola, ein Startup mit dem Ziel, mit Wasserstoff oder Batterien betriebene Langstrecken-Lkw zu entwickeln. General Motors war so begeistert von der Idee, dass es einen Anteil im Wert von zwei Milliarden US-Dollar an dem Unternehmen übernahm, obwohl Nikola im Wesentlichen noch keine Einnahmen vorweisen kann und keinen einzigen serientauglichen Lkw produziert hat. Miltons Aufstieg ist nun zu einem abrupten Ende gekommen.
Nikola bezeichnete die Anschuldigungen von Hindenburg als „falsch und diffamierend“ und kündigte eine Beschwerde bei der US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission an, welche nun sowohl Nikola als auch die Vorwürfe von Hindenburg genau unter die Lupe nehmen wird. Während Nikola Hindenburgs Anschuldigungen größtenteils zurückwies, räumte Milton ein, dass ein Prototyp eines Lkw aus dem Jahr 2017, der in einem Werbevideo zu sehen war, nicht aus eigener Kraft betrieben wurde. Stattdessen rollte er einen Abhang hinab. „Nikola hat im Video nie angegeben, dass der Lkw mit seinem eigenen Antrieb fährt“, heißt es in einer Erklärung des Unternehmens zu dieser Anschuldigung. Nikola teilte mit, seitdem nur voll funktionsfähige Modelle gebaut zu haben.
Nikolas Deal mit GM hat unter anderem die Absicht, entscheidende Hilfe bei der Entwicklung und Produktion eines Pickups zu erhalten, den das Startup bis Ende 2022 einführen möchte. Im Gegenzug beteiligte sich GM mit 11 Prozent an dem Unternehmen. GM bekräftigte seine Entschlossenheit, die Partnerschaft aufrecht zu erhalten. Der Gründer von Hindenburg, Nathan Anderson, lehnte es ab mitzuteilen, wie viel Geld sein Unternehmen in den Leerverkauf von Nikola-Aktien gesteckt oder wie viel es seit Veröffentlichung der Anschuldigungen verdient hat.
„Der Fokus sollte auf dem Unternehmen liegen, nicht auf mir“
„Nikola liegt mir wirklich im Blut und wird es immer sein, und der Fokus sollte auf dem Unternehmen und seiner weltverändernden Mission liegen, nicht auf mir“, teilt Milton nun in einer aktuellen Pressemeldung von Nikola mit. „Also traf ich die schwierige Entscheidung, mich an den Vorstand zu wenden und mich freiwillig als Executive Chairman zurückzuziehen. Es war eine unglaubliche Ehre, Nikola zu gründen und zu einem Unternehmen auszubauen, das den Transport zum Besseren verändert und zum Schutz des Weltklimas beiträgt.“ Milton sei „zuversichtlich“, dass Stephen Girsky der „richtige Anführer ist, um unsere Vision auf Vorstandsebene zu leiten“. Girsky sei nicht nur ein früher Anhänger und Unterstützer von Nikola, sondern verfügt auch über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Zusammenarbeit mit OEM-Führungskräften, Zulieferern, Händlern, Arbeitnehmern und nationalen politischen Entscheidungsträgern.
Girsky dankte Milton „für seine visionäre Führung und die bedeutenden Beiträge zu Nikola seit seiner Gründung.“ Milton habe die Möglichkeit erkannt, „ein durchgängiges emissionsfreies Transportsystem zu schaffen, als sich die Branche noch im Anfangsstadium befand, und ergriff Maßnahmen, um Nikola mit erstklassigen Partnerschaften, bahnbrechender Forschung und Entwicklung und einem revolutionären Geschäftsmodell aufzubauen“.
„Wir sind weiterhin bestrebt, unsere Ziele zu erreichen und Wert für unsere Aktionäre zu schaffen“, sagte Mark Russell, Chief Executive Officer von Nikola. „Zusammen mit dem Rest des Managementteams werde ich weiterhin eng mit Steve Girsky und dem Vorstand zusammenarbeiten, um Nikolas Vision für die Zukunft voranzutreiben. Unsere Prioritäten bleiben unverändert, und in Zusammenarbeit mit unseren Partnern konzentrieren wir uns darauf, unsere strategischen Initiativen umzusetzen und die Grundlagen zu schaffen, um ein vertikal integrierter Anbieter emissionsfreier Transportlösungen zu werden.“
Nikola Tre soll in drei Wochen „laufen“
Der Lkw-Hersteller Iveco, über den Mutterkonzern CNH Industrial mit gut sieben Prozent an Nikola beteiligt, sei weiterhin von der Kooperation mit dem US-Startup überzeugt. In Ulm, wo Nikola in einer Partnerschaft mit Iveco seine Lkw aufbaut, seien Mitarbeiter des US-Unternehmens gerade dabei, ihre Software auf Prototypen des Lkws Nikola Tre zu spielen, welcher auf einem Serienmodell von Iveco basiert. In drei Wochen soll der Prototyp laufen, zitiert die Welt Schätzungen von Ingenieuren als Ulm. Ein Ereignis, welches Nikola angesichts der aktuellen Lage wohl kaum erwarten kann. Ab 2021 will Nikola mit ausgewählten Kunden und Partnern mit dem Testen der ersten Elektro-Lkw Tre beginnen.
Milton indes wird Nikola trotz seines Rückzugs auch in Zukunft eng verbunden bleiben, schließlich ist er mit einem Aktienanteil von 24,3 Prozent größter Einzelaktionär des Unternehmens. Und trotz des aktuell eingebrochenen Börsenkurses immer noch mehrfacher Milliardär.
Quelle: Nikola Motors – Pressemitteilung vom 20.09.2020 // New York Times – Head of Nikola, a G.M. Electric Truck Partner, Quits Amid Fraud Claims // Die Welt – Der rollende Lkw wird dem Möchtegern-Musk zum Verhängnis