Offenbar werden Kundinnen und Kunden an manchen Ladestationen für E-Autos momentan ziemlich abgezockt: Denn die Ladesäulenanbieter verdienen mit den Treibhausgasminderungsquoten (THG-Quoten) Beträge in Millionenhöhe – ohne dass sich dies auf die Preise beim Laden auswirkt. Der Bundesverband Betriebliche Mobilität e. V. (BBM) sieht ein großes Versäumnis des Staates bei Vorgaben für Betreiber der Ladesäulen. „Förderungen des Staates müssen Anreize setzen und sollten – wenn schon – so eingesetzt werden, dass es die Richtigen bekommen“, betont BBM-Geschäftsführer Axel Schäfer.
Aufgrund der Energiekrise steigen die Preise für Strom deutlich an, was wirkt sich auch auf die Kosten für das Laden von Elektroautos auswirkt, was alle privaten und gewerblichen Elektroautonutzer:innen betrifft. Der BBM nahm kürzlich Stellung zur angekündigten Preiserhöhung von Ladesäulenanbietern und forderte die Politik auf, die Strompreisbremse auch an Ladesäulen geltend zu machen.
Jetzt sieht sich der Mobilitätsverband gezwungen, auch die Ladesäulenanbieter zum Handeln aufzufordern. „Die großen Ladesäulenanbieter beziehen THG-Quoten in Millionenhöhe. Da erwarten wir einfach aus Fairnessgründen, dass sie das eingenommene Geld durch Preisminderungen an die Kundinnen und Kunden weitergeben – und nicht stattdessen die Preise sogar noch erhöhen“, mahnt Schäfer. „Einige Anbieter scheinen die Erlöse weiterzugeben, die Mehrheit tut dies, soweit wir es sehen, nicht. Transparenz? Fehlanzeige!“
Die THG-Quote ist ein Klimaschutzinstrument zur Senkung des CO2-Ausstoßes. Mineralölkonzerne müssen ihre Emissionen jedes Jahr um einen gewissen Prozentsatz mindern, ansonsten drohen Strafzahlungen. Alternativ zur Reduzierung können sich Unternehmen am Zertifikathandel beteiligen und THG-Quoten kaufen. Diese werden für Elektroautos oder das Betreiben von öffentlich zugänglichen Ladesäulen ausgezahlt. Das bedeutet, dass Ladesäulenanbieter für jede Ladesäule Geld erhalten – derzeit zwischen 15 und 20 Cent pro Kilowattstunde. „Die THG-Quote für Ladesäulen liegt dieses Jahr bei rund 50 Millionen Euro. Große Anbieter, die etwa 30 Millionen Kilowattstunden verkaufen, erhalten dafür ungefähr fünf bis sechs Millionen Euro. Damit lässt sich gut in die eigene Tasche Wirtschaften. Ladesäulenbetreiber kassieren also doppelt“, so Schäfer. Auch in Österreich soll die THG-Quote ab 2023 kommen.
200 Millionen Euro mit falschem Adressaten?
Laut einer aktuellen Auswertung von Statista im Auftrag von Lichtblick zeigen sich sogar noch höhere Zahlen. Dort ist von einem Jahresbetrag von 100 Millionen Euro die Rede. Die Prognose zeigt außerdem, dass 200 Millionen Euro bis zum Jahr 2028 möglich seien. „Ein Unding! Bei so hohen Extraeinnahmen fragt man sich einmal mehr, wie es zu Preiserhöhungen kommen kann“, findet Schäfer.
Hinzu kommt, dass der Aufbau einer Ladesäule durch beachtliche Förderungen aus der EU und der deutschen Regierung unterstützt wird. Dem Verband ist bewusst, dass mit dem Aufbau von Ladeinfrastruktur große Investitionen und Risiken verknüpft sind, aber das gehöre zum Wesen unternehmerischen Handelns.
„Um potenzielle Elektroauto-Käufer nicht vollends abzuschrecken, sollten die Preise in einem fairen Rahmen gehalten werden. Das ist derzeit nicht der Fall. Der Tarifdschungel und die Hochpreisanbieter tragen noch immer dazu bei, dass viele vor dem Umstieg auf die Elektromobilität zurückschrecken. Wenn sich jetzt nichts ändert, können wir die Mobilitätswende gleich vergessen. Wir fordern die Ladesäulenanbieter dazu auf, von den Preiserhöhungen abzusehen und die THG-Quote weiterzugeben – an Unternehmen und Privatkunden. Diese sollten auch die Nutznießer sein, denn ohne ihre Investition in die Elektromobilität gäbe es auch niemanden, der die Ladesäule benutzt“, unterstreicht Schäfer.
Quelle: Bundesverband Betriebliche Mobilität – Pressemitteilung vom 22.12.2022