Prof. Dr.-Ing. Boris Schilder, Professor für Thermodynamik und Strömungslehre an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), hat erst vor kurzem mit dem Vorurteil aufgeräumt, dass Brände bei E-Autos durch zu hohe Außentemperaturen entstehen. Im Nachgang habe ich mich mit ihm über die Veränderung des Thermomanagements bei E-Autos unterhalten und gemeinsam mit ihm die wichtigsten Punkte zusammengetragen.
Thermomanagement ist aufwendiger geworden
Prof. Dr.-Ing. Boris Schilder bestätigte direkt zu Beginn unseres Austauschs meine Vermutung, dass das Thermomanagement in Autos aufwendiger geworden ist. Nicht nur bedingt durch rein elektrische Antriebe. Auch beim Verbrenner habe sich einiges geändert, „zum Beispiel durch die starke Verbreitung des Turboladers, der in der Regel mit einem Ladeluftkühler ausgerüstet ist.“
Noch anspruchsvoller sei aber in der Tat das Elektroauto als der Verbrenner, wenn es um das richtige Thermomanagement geht. Denn wie Schilder zu verstehen gibt „sind mehrere elektrische Komponenten vorhanden, die Abwärme generieren und gleichzeitig nur bei einem relativ niedrigem Temperaturniveau funktionieren.“ Im Detail hat er aufgezeigt aus welchen Gründen dem Thermomanagement beim Elektrofahrzeug eine besondere Bedeutung zukommt.
Thermomanagement gewinnt im E-Auto an Bedeutung
Schilder bemüht den Vergleich zum Verbrenner, um aufzuzeigen warum dem Thermomanagement im Elektroauto eine größere Bedeutung beigemessen wird. Beginnen wir beim Verbrenner, bei diesem „vertragen die Komponenten – mit Ausnahme der Fahrerkabine – ein relativ hohes Temperaturniveau (der Motor wird mit Kühlwasser bei ca. 100°C gekühlt).“
Dahingegen gilt es beim Elektrofahrzeug darauf zu achten, dass die zu kühlenden Komponenten auf einem deutlich niedrigeren Temperaturniveau zu halten sind. Als Beispiel hat Schilder das Kühlwasser für Leistungselektronik und Ladegerät mit einer Temperatur von ca. 50°C, als auch die Batterie mit ca. 20°C erwähnt. Bei niedrigen Temperaturniveaus ist die Wärmeabgabe an die Umgebung schwieriger und die thermisch sensibelste Komponente Batterie wird daher bei vielen Fahrzeugen wie die Fahrzeugkabine auch über die Klimaanlage gekühlt.
„Aufgrund der unterschiedlichen Temperaturanforderungen der Komponenten werden beim Elektrofahrzeug in der Regel mehrere Kühlkreisläufe auf unterschiedlichen Temperaturniveaus eingesetzt, teilweise auch mit unterschiedlichen Kühlmedien.“ – Prof. Dr.-Ing. Boris Schilder, Professor für Thermodynamik und Strömungslehre an Frankfurt UAS
Nicht nur in Bezug auf die Kühlung gilt es sich auf Veränderungen von Verbrenner gegenüber Elektroauto beim Thermomanagement einzustellen. So steht dem Verbrenner „Abwärme im Überfluss zur Verfügung, die zum Heizen der Kabine genutzt werden kann.“ Beim Elektroauto zwar auch, allerdings deutlich weniger Wärme als beim vergleichbaren Verbrenner. Was dadurch begründet ist, dass der Wirkungsgrad aller Komponenten, wie Motor, Leistungselektronik und Batterie, hoch ist.
Im Elektroauto führt dies dazu, dass aktiv geheizt werden muss, was sich negativ auf die Reichweite des Elektroautos auswirkt. Daher werden in Elektroautos teilweise auch relativ teure Wärmepumpen eingesetzt, um effizienter heizen zu können. Des Weiteren arbeiten Ingenieure „bei Elektrofahrzeugen auch an alternativen Heizmethoden für die Kabine z.B. Strahlungsheizung, Wärmespeicher,…“, wie Schilder zu verstehen gibt.
Heiliger Gral im Elektroauto: Thermomanagement der Batterie
Wie man weiß besteht eine Fahrzeugbatterie in der Regel aus mehreren hundert Batteriezellen. „Die Temperaturabweichung innerhalb dieser Batterie sollte möglichst gering sein z.B. <10°C, um eine hohe Lebensdauer zu ermöglichen“, so Schilder. Bedingt durch diesen Anspruch „ist der Batterie-Wärmeübertrager häufig sehr aufwendig aufgebaut und teuer. Er sollte einen möglichst geringen Wärmewiderstand zwischen jeder einzelnen Batteriezelle und dem Kühlmedium ermöglichen“, so der Professor für Thermodynamik und Strömungslehre weiter.
Des Weiteren hängt der Wirkungsgrad der Batterie stark von der Batterietemperatur ab. Somit lässt sich festhalten, dass bei niedrigen Temperaturen im Winter der Wirkungsgrad deutlich niedriger ist, als bei gemäßigten Temperaturen im Frühjahr. Bei hohen Temperaturen im Sommer wiederum leidet die Lebensdauer der Batterie.
Zudem muss die Batterie nach dem Losfahren schon sehr bald unter Energieaufwand gekühlt werden. Wie Schilder zu verstehen gibt sind dies Gründe, die dazu beitragen, dass „Batterien teilweise an der Ladestation hängend vorkonditioniert werden. Also zum Beispiel bei niedrigen Temperaturen elektrisch geheizt, bei hohen Temperaturen über die Klimaanlage gekühlt werden.“ Wie er zu berichten weiß gibt es auch „Konzepte, bei denen z.B. die Abwärme des Ladegerätes zur Konditionierung der Batterie im Winter genutzt wird. Ziel ist es wiederum durch die Vorkonditionierung auch bei extremen Temperaturen eine möglichst große Reichweite zu erreichen.“
„Insgesamt ist beim Elektroauto die Motivation Energie zu sparen in der Regel größer als beim Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, weil beim Elektrofahrzeug die Reichweite teuer mit Batteriezellen „erkauft“ werden muss. Daher machen sich teure, aber energiesparende Thermomanagement-Technologien eher bezahlt als bei Verbrennern.“ – Prof. Dr.-Ing. Boris Schilder, Professor für Thermodynamik und Strömungslehre an Frankfurt UAS
Im Nachsatz gibt er noch zu verstehen, dass energiesparende Thermomanagement-Technologien beim Verbrenner gar nicht notwendig seien, weil Wärme aufgrund des geringen Motor-Wirkungsgrads vorhanden ist.
So kann der Fahrer Einfluss auf die Reichweite des eigenen Elektroautos nehmen
Da uns nun die Bedeutung des richtigen Thermomanagements für Elektroautos bewusst ist, gilt es daraus entsprechende Rückschlüsse zu ziehen. Rückschlüsse, welche uns dabei helfen die Reichweite zu steigern. Zunächst einmal kann man als Fahrer über die Fahrweise Einfluss auf die Reichweite nehmen. Geringe Fahrgeschwindigkeiten / Beschleunigungen wirken sich positiv aus.
Aber auch in Bezug auf Temperaturen im Fahrzeug hat man einen gewissen Einfluss. Schilder zeigt auf, dass man durch Tolerieren einer niedrigeren Kabinentemperatur im Winter und einer höheren Temperatur im Sommer die Leistung von Heizung und Klimaanlage reduzieren, oder die Klimaanlage komplett abschalten kann, um die Reichweite zu erhöhen.
„Der Einfluss durch einen Verzicht auf Komfort kann insbesondere bei langsamen Fahrten in der Stadt sehr groß sein, denn bei geringer Fahrgeschwindigkeit kann der Energieverbrauch der Heizung oder der Klimaanlage in einer ähnlichen Größenordnung liegen, wie der Verbrauch des Antriebs.“ – Prof. Dr.-Ing. Boris Schilder, Professor für Thermodynamik und Strömungslehre an Frankfurt UAS
„Auch wenn der Fahrer dafür sorgt, dass sich das geparkte Fahrzeug im Winter nicht so stark abkühlt und im Sommer nicht so stark aufheizt, weil es zum Beispiel in einer Garage steht, kann die Reichweite zumindest leicht erhöht werden, weil bei der darauffolgenden Fahrt Batterie und Fahrzeugkabine nicht so stark geheizt/gekühlt werden müssen“, so Schilder abschließend.