Erste Fahrt im elektrischen Mercedes CLA: Mission erfüllt

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Wolfgang Gomoll
Wolfgang Gomoll
  —  Lesedauer 5 min

Was für BMW die Neue Klasse ist für Mercedes der CLA beziehungsweise die MMA-Plattform. Mit dieser Architektur will die Marke mit dem Stern gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen mit einem Verbrennungsmotor und zum anderen soll die Elektro-Version den schwäbischen Autobauer auf die Poleposition im knallharten Verdrängungswettbewerb der Elektromobilität bringen. Kein leichtes Unterfangen. Denn nicht nur BMW schaltet bei den Stromern einen Gang hoch, auch die chinesischen Autobauer verbessern ihre Fahrzeuge gefühlt mit jedem Software-Update.

Die Mercedes-Strategen haben aus dieser Gemengelage den einzig richtigen Schluss gezogen. Reine Leistung ist längst kein Unterscheidungsmerkmal mehr. Die Autos müssen mit Innovationen überzeugen und sich dennoch wie aus einem Guss anfühlen. Ein Vehikel mit Technik vollzupacken, die nicht harmoniert beziehungsweise aufwendig abgestimmt ist, beeindruckt auf dem Papier – aber nicht immer auf der Straße.

Das beginnt schon beim Antrieb. Beim vollelektrischen CLA EQ mit Allradantrieb setzt Mercedes auf zwei PSM-Motoren (Permanenterregte Synchronmotoren): vorne mit 80 kW / 109 PS und hinten mit 200 kW / 272 PS. Das ergibt eine Systemleistung von 260 kW / 354 PS. Das ist vorläufig das Topmodell. „Was aus Affalterbach kommt, weiß ich nicht“, schmunzelt Axel Heix, Baureihenleiter der kompakten Baureihen. Da dürfte dann die 210-km/h-Marke fallen. Alles andere wäre nicht AMG-like.

Die Sternen-Ingenieure haben sich offenbar den Porsche Taycan ganz genau angeschaut und den Elektromotor an der Hinterachse mit einem Planetenrad-Zweigang-Getriebe bestückt. Da der rein elektrische CLA grundsätzlich mit einem Hinterradantrieb kommt, kann man diese Entscheidung gut nachvollziehen. Mercedes gibt aktuell 210 km/h als Höchstgeschwindigkeit an. Anders als Audi, die an der Vorderachse auf eine ASM-Maschine setzen, nutzt Mercedes auch da einen PSM-Motor. „Diese E-Maschine ist im Betrieb effizienter und bietet eine höhere Rekuperationsleistung“, erklärt Christoph Starzynski, Leiter Gesamtfahrzeugentwicklung.

Die Antriebseinheiten stammen im Grunde aus der Reichweiten-Studie Vision EQXX. Um Schleppverluste zu vermeiden, wird der Elektromotor mit der Disconnect Unit (DCU), einer elektrisch aktivierten Klauenkupplung, bei Bedarf vom Vortrieb ausgeschlossen. Diese Lösung ist aufwendiger als die Variante mit einem ASM-Aggregat, zahlt aber mehr auf die Reichweite ein – und da will ja Mercedes mit bis zu 750 Kilometern und einem angepeilten Verbrauch von lediglich 12 kWh/100 km beim CLA EQ ganz weit vorne mitspielen. Mercedes spricht stolz vom „Ein-Liter-Auto des Elektrozeitalters“. Diese Werte wird die Allradversion wohl nicht erreichen, aber rund 700 km sollten es schon sein.

Wintererprobung Mercedes CLA EQ Seite
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Die Ladeleistung von über 320 kW hilft, die Stromtankpausen kurz zu halten. In zehn Minuten soll so Energie für mehr als 300 km in die Akkus fließen, die von Mercedes selbst entwickelt wurden und sich durch eine besonders flache Bauweise auszeichnen. Die haben beim CLA EQ eine nutzbare Kapazität von 85 beziehungsweise 58 kWh. Der Aufbau ist unterschiedlich: Die größeren Akkus haben eine Siliziumoxid-Anode, die anderen sind mit einer Lithium-Eisen-Phosphat-Kathode bestückt. Die Hardcase-Zellen sind in vier großen Modulen zusammengefasst und reparaturfähig.

Immer größere Batterien in E-Autos packen, ist nicht zielführend

Immer größere Batterien in die Autos packen, ist nicht zielführend. Die Effizienz des gesamten Autos muss gesteigert werden, um den Verbrauch und die Kosten zu senken. Statt einer klassischen Wärmepumpe setzt Mercedes beim CLA auf eine Multi-Source-Wärmepumpe, die verschiedene Quellen nutzt, um den Innenraum möglichst schnell zu erwärmen und dazu nur ein Drittel der Energie eines konventionellen elektrischen Zuheizers benötigt. Auch hier stand die Studie Vision EQXX Pate.

Neben dem Wärmetauscher, der die Wärme aus der Umgebungsluft saugt, kommen ein Verdampfer, der die Wärme nutzt, die beim Entfeuchten der Luft durch die Klimaanlage entsteht, und ein Kühler zum Einsatz, der die Hitze des Antriebsstrangs zum Heizen verwendet. Mission erfolgreich erfüllt. Auch bei knackigen Minusgraden wird es im Innenraum des CLA sehr schnell wohlig warm. „Doppelt so schnell wie im aktuellen EQA“, freut sich Ingenieur Georg Ernst. Durch den Wegfall der Wasserkühlung der Wärmepumpe sinkt auch das Gewicht.

Aber jetzt geht es um die Dynamik. Wir nehmen im CLA EQ Platz und schieben den Automatik-Wählhebel auf D. Los geht die wilde Hatz. Trotz des Schnees geht es gleich zügig voran. Der Allradantrieb erledigt seinen Job also zuverlässig. Der Fahrmodus-Wucher gehört bei dem Elektroauto, das in einigen Wochen seine Weltpremiere feiert, der Vergangenheit an. Comfort und Sport, das wars. Die Lenkung ist präzise und die Regelsysteme gewähren im Sportprogramm dem Heck mehr Freiheit. Aber nie so, dass es nervös zuckt und den Piloten zu ebensolchen Reaktionen verleitet. Im Gegenteil: Das ESP regelt feinfühlig und man kann mit dem CLA herrlich um die Kurven carven. Selbst wenn man das Stabilitätsprogramm weitgehend deaktiviert (ganz abgeschaltet ist es nie), verwandelt sich der Mercedes nicht in eine unberechenbare Bestie, sondern lässt sich bei herrlichen Drifts sofort wieder einfangen. Quer ist mehr lautet die Devise.

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Die Einstellung der Rekuperation erfolgt ebenfalls über den Automatikhebel am Lenkrad: Neben einer starken Energierückgewinnung sind eine mildere, eine automatische und das Segeln möglich. Interessant ist auch das Bremsverhalten. Hier haben die Sternentechniker viel getüftelt. Das Brake Control System (BCS) kommt sowohl bei den Elektro- als auch den Mildhybrid-Versionen zum Einsatz und ist für alle Antriebs- und Fahrwerksvarianten der CLA-Baureihe verfügbar. Wir gehen ohnehin davon aus, dass diese Innovationen den Weg in die Mercedes-Modellpalette finden werden. „Das BCS nutzt alle Aktuatoren im Auto, hat 100 Funktionen und unterstützt den Fahrer in fast allen Situationen“, erklärt Techniker Philipp Neuwirth. Der Clou ist, dass das Bremspedal entkoppelt ist, das Bremsgefühl immer von der BCS-Einheit kommt und dadurch immer identisch sein soll.

Wir können dem Prototypen ein gutes Zeugnis ausstellen. Sowohl beim vollen Stempel oder dem progressiven Verzögern bei vollbesetztem Fahrzeug bleiben der Pedalweg zum Druckpunkt und eben das Gefühl gleich. Sollte das System mal seinen Dienst quittieren, existiert immer noch ein hydraulisches Ersatzsystem. Apropos: Im CLA finden auch vier Erwachsene locker Platz, und die versenkbaren Türgriffe helfen der Aerodynamik.

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Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll beschäftigt sich mit dem Thema Elektromobilität und Elektroautos und verfasst für press:inform spannende Einblicke aus der E-Szene. Auf Elektroauto-News.net teilt er diese mit uns. Teils exklusiv!

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Pani:

Das klingt alles richtig beeindruckend. Ich befürchte aber, dass das Auto mit ‚den gängigen‘ Assistenzsystemen für die große Mehrheit von uns viel zu teuer sein wird.

Hiker:

Beim durchlesen der Klimasteuerung sind mir die Haare zu Berge gestanden. Es ist ein Verdampfer eingebaut der die Wärme nutzt die durch die Klimaanlage beim entfeuchten der Luft entsteht? Was für ein Quatsch. Zum Entfeuchten der Luft benutzt man eine Klimaanlage. Da ist bereits ein Verdampfer zwingend eingebaut! Es ist genau das selbe Aggregat dass man zum kühlen sowie auch zum heizen benötigt. Beim Heizen nennt man es Wärmepumpe beim Kühlen Kältemaschine. Es ist aber ein und dasselbe Aggregat. Nur nur nutzt man einmal den Verdampfer zum kühlen und den Kondensator um die Energie an die Aussenluft abzugeben. Dann dreht man das ganze und nutzt nun den Kondensator zum Heizen und holt sich die nötige Energie über den Verdampfer aus der Aussenluft.

Heinz:

Es gibt aber zur zeit kein Chinesisches Auto was einen Verbrauch von 12kwh/100km hat.

Michael Neißendorfer:

Hallo Lugke, es gibt noch keine Herstellerangaben zum Gewicht, weil das Fahrzeug noch nicht offiziell vorgestellt wurde. Ersten Informationen zufolge soll der Elektro-CLA knapp über zwei Tonnen wiegen, wird also eng mit der Duplex-Garage. Schöne Grüße, Michael

Lugke:

Eine Gewichtsangabe wäre für all die Menschen mit Duplex Garagen in Städten äußert sinnvoll. Genauso wie die Gewichtsverteilung pro Rad…
Ich Kauf mir keinen Mercedes um ihn danach auf der Straße zu parken…

Frank2:

Die Lösung mit der Vorderachse gibt es schon seit 4 Jahren bei Hyundai.
Ich denke Mercedes kann das dann auch

Ein Trabi ist übrigens auch „billiger und völlig ausreichend „.

Frank2:

Da muss man nicht gespannt sein.

Wer den Kauf eines Mercedes ernsthaft in Betracht zieht, vergleicht das Auto nicht mit einem Aiway.

Der Mercedes wird teurer sein.
War schon immer so.

brainDotExe:

Bei Mercedes heißt es „Das Beste oder Nichts“, das geht Hand in Hand mit Over-Engineering.

Also eher genau das was die Kunden erwarten.

René H.:

Die Erklärung zur PSM an der Vorderachse ist doch Murks. Beim WLTP kommt der vorderer Motor nie zum Einsatz, da spielt die schlechtere Effizienz einer ASM keine Rolle. Die ist aber billiger und völlig ausreichend. Und die Trägheitsmomente eines mitlaufenden ASM-Rotors zu vermeiden, indem man eine PSM mit Kupplung einsetzt, ist teures Over-Engineering, um die letzten paar km bei der Reichweitenangabe rauszukitzeln. Typisch.
Schön, dass Mercedes jetzt auch zeitgemäße „Multi-Source-Wärmepumpen“ einsetzt. Ob das Serienausstattung sein wird?

Voz:

Und der Preis? Hört sich alles toll an aber da Benz nur noch eine Hochpreispolitik verfolgt bin ich mal gespannt ob das auf geht. Der Chinese ist dann min 30-40T günstiger und hat nicht viel weniger Funktionen.

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