Auf der Shanghai Auto Show 2023 war das Chery iCar 03 eines der Highlights. Mittlerweile ist der batterieelektrische Geländewagen in China auf dem Markt und wird als Jaecoo 6 auch nach Europa kommen. Grund genug, dem kantigen Fahrzeug mal auf den Zahn zu fühlen.
Bei den harten Jungs ist jetzt Kubismus angesagt. Kunstgeschichtlich informierte Bildungsbürger werden jetzt sofort den Zeigefinger der rechten Hand senkrecht nach oben recken und erklären, dass es sich dabei um eine Epoche Anfang des 20. Jahrhunderts handelt, bei dem Objekte auf geometrische Gebilde wie Kugel, Kegel oder Pyramiden reduziert wurden. Zu den bedeutendsten Vertretern dieser Kunstrichtung zählen Pablo Picasso, Georges Braque und Juan Gris. Knapp 120 Jahre später entdecken die Automobildesigner diese Stilrichtung wieder. Beispiele gefällig? Ein Blick auf den Land Rover Defender oder den Hyundai Santa Fe genügt.
Bald ergänzt ein weiterer rollender Würfel in Europa die Runde. Das Chery iCar 03 kommt aus China und nicht, wie Apple-Fans aufgrund des Namens vermuten werden, aus Kalifornien. Wir sind von dem kantigen Auftritt des 4,40 Meter langen Elektroautos begeistert. Noch mehr von den Preisen, die uns ein örtlicher Händler in Wuhu mitteilte, nur einen Steinwurf weit von der Chery-Konzernzentrale. Los geht es bei gut 14.000 Euro (109.800 Yuan) für die Standard-Version mit Hinterradantrieb mit 135 kW (184 PS) und endet bei knapp 22.000 Euro (169.800 Yuan) für den Allradler mit Top-Ausstattung.
Allen, die jetzt einhaken und sich über die unverschämten Preise der hiesigen Autobauer echauffieren, sei gesagt, dass der Geländestromer aus China in Europa deutlich mehr kosten dürfte als in seiner Heimat. Wir haben uns für die Top-Version entschieden. Das bedeutet Allradantrieb, bei dem der erwähnte Heckmotor mit 135 kW (184 PS) um eine weitere E-Maschine vorne ergänzt wird, die 70 kW (95 PS) leistet. Insgesamt bringt es das iCar 03 also auf 205 kW (279 PS) und ein maximales Drehmoment von 385 Newtonmetern. Das reicht, um den 1892 Kilogramm schweren Würfel in 6,5 Sekunden von null auf 100 km/h zu katapultieren. Dass der Spaß bei 150 km/h endet, trübt den positiven Eindruck nur marginal.
Die Power reicht auf alle Fälle aus. Das iCar 03 ist nicht nur das kantige Gesicht im rundgelutschten Verkehrs-Einerlei, sondern kann zur Not auch kraftvoll antreten. Die Fahrmodi Eco, Normal, Sport und verschiedene Off-Road-Programme stellt man mit einem Drehknopf in der Mittelkonsole ein. Der erinnert ein bisschen an den BMW-i-Drive Controller, schaut aber dank des Kunststoffglases wie ein Kristall aus. In China darf es eben gerne ein bisschen auffälliger sein. Anders sieht es bei den Fahrmodi des iCars aus: Die unterscheiden sich kaum. Wir haben dennoch unseren Spaß und freuen uns über das 1,2 Quadratmeter große Panorama-Glasschiebedach.
Unterwegs auf den chinesischen Straßen fällt die eher komfortable Abstimmung des Fahrwerks auf, die bei schnellen Richtungswechseln zu Wankbewegungen führt. Die Bremse könnte etwas besser dosierbar sein und die Lenkung direkter. Laut Datenblatt kommt die Energie aus einer CATL-Batterie mit einer Kapazität von 70 Kilowattstunden, was nach dem chinesischen Fahrzyklus (CLTC) für 501 Kilometer reichen soll. Ganz so viele Meter werden es in der europäischen WLTP-Messung wohl nicht sein. Das bestätigt auch ein Blick auf die Fahrdaten: Die Akkus sind zu 46 Prozent gefüllt, was für 231 Kilometer gut sein soll.
Der Deutschland-Start könnte 2025 bevorstehen
Das reduzierte Interieur mit dem zentralen 15,6 Zoll Display und nur wenigen klassischen analogen Bedienelementen erinnert an Tesla. Fast alle Einstellungen werden über den Touchscreen vorgenommen. Lediglich in den Speichen des Lenkrads finden sich zwei Drehknöpfe. Die Top-Version hat so allen Pipapo an Bord, den das Chery-Technik-Arsenal so hergibt. Ein Qualcomm 8155 Chipp sorgt für eine geschmeidige Bedienung des Infotainments. Auch sonst ist das iCar 03 mit allerlei technischen Gimmicks ausgestattet, die in Richtung autonomes Fahren des Level 2+ zielen.
Aber auch in China wachsen die Bäume nicht in den Himmel. So ist auch das iCar 03, das vermutlich als Jaecoo 6 nach Europa kommt, zwar noch kein echtes Robo-Auto, kann aber schon eine ganze Menge selbst erledigen, wie man es von europäischen Fahrzeugen kennt. Sei es im Stau oder beim Einparken. Da die chinesischen Autofahrer bei Rotphasen der Ampel gerne mal am Handy-Display kleben, gibt das iCar 03 auch Bescheid, sobald das Verkehrssignal wieder auf Grün springt.
Bleibt zum Schluss noch die Frage, wann denn der Offroad-Kubus nach Europa kommt. In China ist das iCar erst vor rund zweieinhalb Monaten auf den Markt gekommen. In Deutschland wird es in diesem Jahr nichts mehr werden, eher 2025.