Wegen Irreführung: Muss Tesla Verkäufe in Kalifornien pausieren?

Wegen Irreführung: Muss Tesla Verkäufe in Kalifornien pausieren?
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Tobias Stahl
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  —  Lesedauer 4 min

Eine Aufsichtsbehörde in Kalifornien hat eine Anordnung aufgeschoben, die Tesla dazu verpflichten würde, den Verkauf seiner Elektroautos in dem US-Bundesstaat zu pausieren. Das Department of Motor Vehicles (DMV) hatte zuvor die Aussetzung von Teslas Produktions- und Verkaufslizenzen für 30 Tage angeordnet, damit folgte die US-amerikanische Zulassungsbehörde den Vorschlägen einer Richterin. Man habe die Aussetzung jedoch sofort aufgeschoben, wie DMV-Direktor Steve Gordon in dieser Woche erklärte. Tesla hat nun mehr Zeit, sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen und diese durch gezielte Maßnahmen aus der Welt zu schaffen.

Zuvor hatte das DMV Tesla vorgeworfen, Verbraucher durch die Verwendung der Markenbezeichnungen „Autopilot“ und „Full Self-Driving“ (FSD) für seine Fahrerassistenzsysteme in die Irre zu führen. Entgegen ihrer Bezeichnung verleihen weder Autopilot noch Full Self-Driving den Elektroautos eben nicht die Fähigkeit, vollständig autonom zu fahren. Nach den weithin genutzten SAE-Normen werden Teslas Assistenzsysteme lediglich als Level-2-Systeme klassifiziert, was bedeutet, dass der Fahrzeugführer das Fahrzeug ständig überwachen und jederzeit in der Lage sein muss, wieder die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen. Autonome Fahrzeuge, die nicht dauerhaft durch den Fahrer überwacht werden müssen, erreichen laut SAE hingegen Level 4 oder 5.

Das DMV hatte der Richterin Juliet Cox vom staatlichen Amt für Verwaltungsanhörungen mitgeteilt, dass die Namen fälschlicherweise den Eindruck erweckten, die Autos würden autonom fahren. DMV-Direktor Gordon erklärte allerdings am Dienstag, dass die Behörde dem Elektroautobauer „eine weitere Chance geben möchte, die Situation zu korrigieren”, und fügte hinzu, dass er hoffe, Tesla werde „einen Weg finden, diese irreführenden Aussagen zu korrigieren”.

Tesla hatte sein FSD-System bereits um das Wort „überwacht“ erweitert

Ein Anwalt des Herstellers hatte zuvor in einer Anhörung argumentiert, dass der Autohersteller „klar und konsequent” erklärt habe, dass Fahrzeuge mit Autopilot- und FSD-Software einer Überwachung bedürfen und nicht autonom sind. Tatsächlich weist Tesla in seinen Bedienungsanleitungen und auf den Infotainment-Bildschirmen in den Fahrzeugen darauf hin, dass der Autopilot lediglich beim Beschleunigen, Bremsen und Spurhalten auf Autobahnen hilft, während das FSD-System auch auf Stadtstraßen die Spur wechseln und Verkehrszeichen beachten kann. Die Verantwortung für das Fahrzeug liegt aber jederzeit beim Fahrer.

In dem Beschlussvorschlag argumentierte die zuständige Richterin hingegen, „ein vernünftiger Verbraucher würde wahrscheinlich glauben, dass ein Fahrzeug mit vollständiger Selbstfahrfähigkeit („Full Self-Driving Capability“, Anm. d. Red.) ohne die ständige, ungeteilte Aufmerksamkeit eines menschlichen Fahrers sicher fahren kann.“ Diese Annahme sei jedoch „sowohl in technologischer als auch in rechtlicher Hinsicht“ falsch, wodurch die Bezeichnung irreführend sei, was einen Verstoß gegen das Zivil- und Fahrzeugrecht in Kalifornien darstelle.

Das DMV hat seinen Fokus laut eigener Aussage inzwischen ausschließlich auf den Begriff „Autopilot“ gelenkt, da Tesla im Laufe des schon 2022 angestoßenen Verfahrens Änderungen an seinem FSD-System vorgenommen habe, so Gordon, ohne näher auf die Änderungen einzugehen. Tesla hatte FSD-Systeme in Pkw zwischenzeitlich um den Zusatz „überwacht” („supervised“) erweitert. Der Hersteller verwendet eine unbeaufsichtigte Version der Software, um Fahrzeuge in einigen seiner Fabriken von den Montagelinien zu den Auslieferungsplätzen zu transportieren. Außerdem nutzt das Unternehmen um Elon Musk FSD auch für seinen Robotaxi-Dienst in Austin, Texas – dort werden die Fahrzeuge jedoch von Sicherheitsfahrern auf den Beifahrersitzen und via Fernzugriff überwacht.

Tesla-Anwalt: „Verkauf in Kalifornien wird ohne Unterbrechung fortgesetzt“

Das DMV pausierte die Aussetzung von Teslas Verkaufslizenz nun für 90 Tage, die Aussetzung der Produktionslizenz wurde auf unbestimmte Zeit pausiert. Um die Aussetzung endgültig zu vermeiden, könne Tesla eine Erklärung vorlegen, in der das Unternehmen bestätigt, dass es entweder die Verwendung des Namens Autopilot für seine Fahrerassistenzsoftware eingestellt hat oder dass seine Fahrzeuge ohne aktive Überwachung durch einen Menschen betrieben werden können. Die Behörde erklärte weiter, Tesla könne bis zum 14. Februar gegen die Aussetzung Berufung einlegen oder eine gerichtliche Überprüfung beantragen.

Tesla erklärte in einer Stellungnahme: „Dies war eine ‚Verbraucherschutzanordnung‘ bezüglich der Verwendung des Begriffs ‚Autopilot‘ in einem Fall, in dem kein einziger Kunde sich gemeldet hat, um ein Problem zu melden. Der Verkauf in Kalifornien wird ohne Unterbrechung fortgesetzt.“

Ein Unternehmenssprecher lehnte es Reuters zufolge ab, näher darauf einzugehen, woher Tesla wusste, dass sich kein Kunde beschwert hatte. Er lehnte es auch ab, sich dazu zu äußern, ob Tesla die Verwendung des Namens „Autopilot“ einstellen oder Berufung einlegen werde. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, verlassen sich laut Erkenntnissen der Unfallermittlungsbehörde NTSB viele Fahrer trotz der Hinweise im Handbuch zu sehr auf die Autopilot-Software. In der Vergangenheit war es in den USA immer wieder zu teils tödlichen Unfällen mit Tesla-Fahrzeugen mit aktiviertem Autopilot oder FSD gekommen.

Eine Aussetzung der Verkaufslizenz für Kalifornien würde Tesla indes empfindlich treffen: Der Bundesstaat gilt als progressiv und sehr E-Auto-freundlich, was ihn für Tesla zum wichtigsten US-Markt macht. In diesem Jahr gab es dort jedoch zahlreiche Proteste gegen das politische Gebaren des Tesla-Chefs Elon Musk, zudem hatte Tesla mit einem Absatzrückgang zu kämpfen, der laut der California New Car Dealers Association (CNCDA) dazu führte, dass der Hersteller inzwischen nicht mehr Marktführer auf dem kalifornischen E-Auto-Markt ist.

Quellen: Reuters – California regulator puts Tesla sales suspension order on hold / The Guardian – California regulator puts on hold an order to suspend Tesla sales / CNBC – California judge rules that Tesla engaged in deceptive marketing around Autopilot / Frankfurter Allgemeine Zeitung – Tesla droht einmonatiger Verkaufsstopp in Kalifornien

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Tobias Stahl

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Tobias Stahl kann sich für alle Formen der Fortbewegung begeistern, aber nachhaltige Mobilität begeistert ihn besonders. Da ist es kein Wunder, dass er schon seit 2019 über E-Autos, erneuerbare Energien und die Verkehrswende berichtet.

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