Studie: Wasserstoff bei PKW, LKW und Bussen eher unwahrscheinlich

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Wasserstoff ist eine der tragenden Säulen der Energiewende. Im Hinblick auf konkrete Anwendungsbereiche und Umfang des Wasserstoffeinsatzes besteht jedoch noch Unklarheit. Eine neue Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI, die im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts „HyPat – Globaler H2-Potenzialatlas“ realisiert wurde, setzt hier an: Sie befasst sich mit der preiselastischen Wasserstoffnachfrage in Bereichen wie Industrie, Verkehr und Energieumwandlung. Detaillierte Simulationsmodelle bilden dabei alternative Möglichkeiten zum Erreichen der Klimaziele und der potentiellen Rolle von Wasserstoff ab.

Wasserstoff und Wasserstoffderivate spielen zum Erreichen der Klimaziele und speziell für die Treibhausgasneutralität eine wichtige Rolle – das unterstreichen auch die europäische und deutsche Wasserstoffstrategie. Unklar ist allerdings, wie umfangreich Wasserstoff bei welchen Anwendungen eingesetzt werden soll. Ein zentrales Kriterium ist hier der Wasserstoffpreis und die Konkurrenzfähigkeit von Wasserstoff im Vergleich zu anderen Optionen wie beispielsweise der direkten Elektrifizierung.

Doch wie wird sich die Wasserstoffnachfrage in bestimmten Sektoren unter Zielsetzung der Treibhausgasneutralität in 2045 entwickeln? Mit dieser Frage befasst sich die neue Studie „Preiselastische Wasserstoffnachfrage in Deutschland – Methodik und Ergebnisse“ (verlinkt als PDF) des Fraunhofer ISI und Energy Systems Analysis Associates – ESA². Untersucht werden die Anwendungsbereiche Industrie, Verkehr und Energieumwandlung mit techno-ökonomischen, agenten-basierten Simulationsmodellen, was Aussagen zu Preiselastizitäten der Wasserstoffnachfrage ermöglicht. Die Bereiche Gebäudewärme und der internationale Flug- und Schiffsverkehr werden ebenfalls betrachtet, aber auf eine eigene Modellierung verzichtet und auf Erkenntnisse anderer Studien zurückgegriffen. Die Simulationsmodelle bilden die alternativen Möglichkeiten zum Erreichen der Klimaziele ab und bewerten die Optionen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – also zum Beispiel, ob Elektroautos oder Brennstoffzellen-Pkw wirtschaftlich sinnvoller sind, abhängig von den zugrundeliegenden Preisen.

Die direkte Elektrifizierung ist die günstigere Alternative

Eines der Kernergebnisse der Studie ist für Prof. Dr. Martin Wietschel, der das Projekt am Fraunhofer ISI geleitet hat, „dass sogenannte ‚No-Regret-Anwendungen‘ ein sehr wichtiger Treiber für die Wasserstoffnachfrage sind – Anwendungen also, bei denen kaum ökonomisch attraktive alternative Technologieoptionen zum Erreichen der ambitionierten deutschen Treibhausgasminderungsziele zur Verfügung stehen.“ Dieser Mangel an Optionen bedinge eine weitgehende Preisunelastizität – und die Preise dürften sich in Zukunft auf einem relativ hohen Niveau bewegen. Dies gelte insbesondere für die stoffliche und energetische Nutzung in bestimmten Industrieanwendungen wie dem Stahl- oder dem Grundstoffchemiesektor, so Wietschel weiter: „Die Berechnungen in der Studie zeigen, dass die Nachfrage hier in 2045 etwa 250 TWh beträgt, was in etwa 10 Prozent des heutigen Endenergiebedarfes Deutschlands entspricht“. Dafür müssten allerdings allein in Deutschland enorme Elektrolyse-Kapazitäten aufgebaut werden – rund 20 GW, also in etwa das Vierzigfache der aktuell global installierten Elektrolyseleistung. Was nicht nur zeit- und kapitalintensiv ist, sondern auch ein hohes Ausbautempo erfordert.

Im Verkehrsbereich und speziell im internationalen Flug- und Schiffsverkehr dürfte es ebenfalls zu einer hohen, preisunelastischen Nachfrage nach synthetischen Kraftstoffen zur Treibhausgasminderung kommen (209 TWh in 2045), der vorrangig durch Wasserstoff und biogene Quellen gedeckt werden könnte.

Ein günstiger Wasserstoffeinsatz ist erst bei Großhandelspreisen von weniger als 90 Euro je MWh in 2045 möglich, je nach Anwendung sogar deutlich weniger. Bei Preisen von 50 Euro je MWh ergeben die Analysen eine Gesamtwasserstoffnachfrage von 476 TWh in 2045. Dies ist aufgrund einer Vielzahl von Kosten für Herstellung, Transport oder Vertrieb jedoch eher unwahrscheinlich, Marktpreise von deutlich mehr als 90 Euro pro MWh in 2045 erschienen deutlich realistischer.

Daraus folgt, dass Wasserstoff bei PKW, LKW, Bussen oder Schienenfahrzeugen wahrscheinlich eher nicht eingesetzt wird, weil es hier mit der direkten Elektrifizierung eine günstigere Alternative gibt. Aktuell liegen die Kosten für die Erzeugung von Strom aus Wind Onshore oder Sonne laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme ISE (verlinkt als PDF) zwischen gut 31 und 83 Euro je MWh, bei Wind Offshore liegt die Spanne zwischen 72 und 121 Euro pro MWh. Bis 2040 sollen die Preise noch um einige Prozentpunkte sinken. Eine großangelegte Förderung des Wasserstoffeinsatzes in Bereichen wie der Gebäudewärme, des landgebundenen Verkehrs oder der energetischen Nutzung in der Industrie erscheint aus diesem Grund wenig sinnvoll.

Preise entscheiden mit, wie Wasserstoff eingesetzt wird

Im Bereich der Energieumwandlung könnte sich die Nachfrage nach Wasserstoff allerdings recht preiselastisch gestalten – in einem Großhandelspreisbereich von 130 bis 90 Euro je MWh. Dies hängt damit zusammen, dass bei dem angestrebten Ausbau der Erneuerbaren Energien Optionen zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage dringend notwendig sind. Anwendungen zur Nutzung von Wasserstoffspeichern mit Rückverstromung stehen hier unter anderem in Konkurrenz mit Anwendungen für Flexibilitätserhöhungen der Nachfrage wie zum Beispiel Wärmepumpen, Wärmenetze oder Elektrofahrzeuge. Weiterhin kann auf andere Speicheroptionen zurückgegriffen oder die Erneuerbaren stärker ausgebaut werden. Die Preise entscheiden hier mit, in welchem Umfang Wasserstoff künftig eingesetzt wird.

Die Ergebnisse für das Jahr 2030 zeigen, dass die Wasserstoffnachfrage mit etwas mehr als 40 TWh zu diesem Zeitpunkt noch nicht sehr hoch sein wird. Bestimmte Industrieanwendungen könnten dabei die Wasserstoffnachfrage dominieren. Auf diese sollte sich auch die Förderung in den nächsten Jahren konzentrieren. Niedrige Großhandelspreise sind jedenfalls eher nicht zu erwarten und dürften damit auch nicht zur Steigerung der Wasserstoffnachfrage beitragen.

Quelle: Fraunhofer ISI – Pressemitteilung vom 09.02.2023

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Rolf:

Wieder eine Studie die man spülen kann. Am Ende kommt Wasserstoff

Djebasch:

Oh bitte …
Bitte mal richtig informieren…
Dazu kommt was ist denn zum Beispiel Busfahren im Stadtbereich , doch nur Stop and Go…
Und ein LKW hat meist 2-3 E Motoren um die richtigen Geschwindigkeitsbereiche abzudecken.

Djebasch:

Die aktuellen Statistiken sagen etwas anderes…
Einfach mal Googlen oder bei Electrive.net schauen…
Aktuell sind Weltweit 80% Batterie Fahrzeuge im Schwerlastbereich.
Wasserstoff nur 20% und dazu abnehmend.
Dazu werden in den Nachrichten jetzt mehr und mehr Stornierungen bekannt…
Denn wenn man die Folgekosten bei Wasserstoff berücksichtigt ist ein Elektro Fahrzeug bis zu 50% günstiger…

Jens:

Was für ein Unfug.

Jens:

Wir haben keinen „überflüssigen“ Strom. Was bei Sturm abgeregelt wird, ist Strom, der nicht transportiert werden kann. Das ist ein Problem der Netze.

Speicher kommen gerade im Markt an.

Und wer sich wirklich und ernsthaft Sorgen um die Ernährung der Welt macht, der sollte sich primär Sorgen un die Decarbonisierung machen. Und eine fleischarme Ernährung propagieren.

Jens:

Sie müssen sich schon entscheiden. Wollen sie E-Fuels nun vorschreiben oder wollen sie es den Markt regeln lassen? Irgendwie erscheint mir Ihre Argumentation ziemlich inkonsistent.

Außerdem regelt der Markt doch gerade. Wenn Wasserstoff und E-Fuels so ein tolles Geschäftsmodell wären, würden wir damit doch längst herumfahren.

Jens:

Verstanden hat er es wohl, aber er hat auch seinen Lobbyauftrag verstanden, den er hier zu erfüllen hat.

Jens:

Ja, man sollte über alles nachdenken. Das haben allerdings viele Leute bereits getan, z.b. jetzt das Fraunhofer-Institut.
Wenn man über den Tellerrand schaut, dann wird man ganz schnell feststellen, dass der sehr teure Energieträger Wasserstoff vor allem im Industrie- und Chemiesektor nachgefragt werden wird. Im Gegensatz zum Mobilitätssektor gibt es dort wenig Alternativen. Das bedeutet, die Preissensibilität ist dort geringer als im Mobilitätssektor. Damit ist wohl klar, wo der Wasserstoff primär hin gehen wird.
Auch als Energiespeicher könnte er sinnvoller verwendet werden – Stichwort Dunkelflaute.

Achja, die Bestandsflotte an Smarts wird keine Verbrenner mehr beinhalten, sobald wir E-Fuels in ausreichender Menge habe könnten. Smarts werden schon seit über drei Jahren nur noch als BEV hergestellt…

Jens:

Weil der Strom aus der Steckdose auch keinesfalls aus chemischen Prozessen herrührt.

Was die Leute sich so ausdenken um im Internet irgendwie aufzufallen, wirklich faszinierend.

Was ist an der „elektrochemischen Umwandlung“ eigentlich so schlecht, wenn sie doch so gut funktioniert?

Jens:

Auf die Idee, dass bei Euch etwas falsch laufen könnte, kommst du aber nicht? Ein Geisterfahrer? Hunderte!!!

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