Renault Megane E-Tech: Stromschlag für die Kompaktklasse

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Wolfgang Plank

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Vielleicht will gut Ding ja wirklich Weile haben. Und womöglich haben sie sich bei Renault genau deshalb viel Zeit für den Vorstoß ins elektrische C-Segment gelassen. Wie man ein Auto unter Strom setzt, wissen sie schließlich lange. Doch mit Zoe und Twingo waren es bislang Kleinwagen und City-Flitzer. Nun aber machen die Franzosen mit dem Megane E-Tech Electric endlich auch die Kompaktklasse spannend. Der 4,21 Meter lange Crossover steht neben dem Nissan Ariya als erstes französisches Modell auf der CMF-EV-Plattform für alle neuen Akku-Autos der Allianz Renault-Nissan-Mitsubishi. Welche Möglichkeiten diese Basis eröffnet, konnte man jüngst beim Concept-Car Scénic Vision sehen.

Der Megane E-Tech, die Rhombus-Nase stolz gereckt, zeigt sich wuchtig, mit hohen Schultern, kurzen Überhängen bei 2,70 Meter Radstand und bis zu 20 Zoll großen Rädern. Die vorderen Türgriffe liegen plan und etwas fummelig, die hinteren sind ins obere Eck des Rahmens gewandert. Das Cockpit wird von zwei Bildschirmen dominiert – der flache über dem Lenkrad und das stehende Multi-Media-Display in der Mitte verschmelzen zu einem spiegelverkehrt liegenden „L“ mit – je nach Ausstattung – bis zu 774 Quadratzentimetern.

Die komplette Technik mit E-Motor, Elektronik und Antrieb haben die Franzosen im Frontbereich verbaut. Das geht zwar auf Kosten eines Kofferraums an der Vorderachse, schafft aber Richtung Heck größtmögliche Freiheit. Und weil die Batterie im Boden mit gerade mal elf Zentimetern Höhe rund 40 Prozent flacher baut als im Zoe, bleibt trotz 1,50 Metern Höhe ein gutes Raumgefühl. Auch in zweiter Reihe. Lediglich der Einstieg hinten erfordert eine kurze Verbeugung vor dem Design.

Durch den Wegfall des traditionellen Schalthebels entsteht zusätzlich Platz zwischen den Vordersitzen – inklusive einer sieben Liter fassenden Ablage. Insgesamt kommen im Innenraum 30 Liter Krimskrams in diversen Stauräumchen unter. Hinter der großen Kofferklappe packt der E-Tech Electric 440 Liter (umgeklappt: 1331) weg – 22 davon unter der Bodenabdeckung. Eigentlich ein schöner Platz für das Ladekabel. Außer man macht sich mit vollem Gepäck auf eine längere Exkursion.

Der Megane E-Tech Electric kommt zwar grundsätzlich mit Frontantrieb, aber man kann zwischen 130 und 218 PS (96 und 160 kW) sowie zwei Batterie-Varianten wählen. Die kleinere mit 40 kWh ist ausschließlich dem schwächeren Modell vorbehalten und sorgt für eine Reichweite von 300 Kilometern (WLTP), der 60-kWh-Akku ist für beide Versionen zu haben und erlaubt bei der kleinen Motorisierung einen Radius von 470 Kilometern, bei der großen sind es maximal 450. Der Lithium-Ionen-Akku von LG enthält nach Renault-Angaben mehr Nickel und weniger Kobalt für eine bessere Energiedichte – und für 70 Prozent der Kapazität gibt es acht Jahre Garantie.

Auch beim Interieur setzt Renault stark auf Nachhaltigkeit. Die Polster etwa bestehen zu 100 Prozent aus Recycling-Material, auch das Plastik unter und hinter dem Armaturenbrett hat schon ein Leben hinter sich. Rund 95 Prozent des Wagens können am Ende wiederverwertet werden, heißt es. Vom Ideal eines geschlossenen Kreislaufs ist das nur noch eine Kleinigkeit entfernt.

Zum guten Gewissen gesellt sich obendrein ordentlich Fahrspaß. Das liegt vor allem am vergleichsweise moderaten Gewicht von rund 1,6 Tonnen. Die Konkurrenz ist da gerne mal drei Zentner oder sechs Ersatzräder schwerer. Und so vergehen für den Standard-Spurt auf Tempo 100 beim Top-Modell gerade mal 7,4 Sekunden, rauf geht’s bis 160. Für solche Werte brauchte man früher einen potenten Sportwagen. Obendrauf verwöhnt der Megane E-Tech mit einer wunderbar direkt übersetzten Lenkung, die sogar in Spitzkehren ohne lästiges Übergreifen auskommt. Dafür nimmt man auch das etwas sehr unrund geratene Volant in Kauf.

Abgestimmt ist der Wagen durchaus komfortabel, aber keineswegs sänftig und damit erfreulich unfranzösisch. Auch die Abdrift Richtung Kurvenausgang hält sich bei flotter Bogenfahrt in stets beherrschbaren Grenzen. Insgesamt ein guter Mix für die gepflegte Tour und den kleinen Kurvenhunger zwischendurch. Schön gelöst: Für die Rekuperation stehen je nach persönlicher Vorliebe vier Stufen per Lenkradwippe zur Verfügung. Ansonsten gilt wie bei jedem E-Auto: Wer weniger Druck macht, kommt am Ende weiter.

Die Basisversion zapft serienmäßig einphasig, das Topmodell dreiphasig. Und auch beim Gleichstrom unterscheidet sich das Lademanagement. Die große Batterie saugt am Supercharger mit bis zu 130 kW, beim kleinen Akku ist bei 85 kW Schluss. Für 400 Kilometer Radius veranschlagt Renault an einer Wallbox acht Stunden Ladezeit, an einem dreiphasigen 22-kW-Lader lässt sich in 30 Minuten Strom für 50 Kilometer ziehen – und in derselben Zeit gibt’s am DC-Schnelllader 300 Kilometer nach WLTP. Um nicht über Gebühr Strom für die Heizung zu vergeuden, ist eine Wärmepumpe im Angebot.

Die Türen öffnen sich ab 37.100 Euro (ohne Prämie), für die stärkere Version mit großem Akku ruft Renault ab 44.700 Euro auf. Das ist ordentlich Auto fürs Geld. Apropos: Assistenz gibt es reichlich. Je nach Ausstattung wahrt der Megane E-Tech Tempo und Abstand, beachtet Kreisverkehre und wirft im Notfall den Anker. Dennoch: Am meisten Spaß macht der Megane E-Tech dann, wenn man ihn so pur wie möglich fährt.

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Wolfgang Plank ist freier Journalist und hat ein Faible für Autos, Politik und Motorsport. Tauscht deshalb den Platz am Schreibtisch gerne mal mit dem Schalensitz im Rallyeauto.

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Jörg:

Wirklich zur Zeit das schönste E Fahrzeug.Und der Innenraum gegenüber dem Plastikbomber I.D.3 ist ein Traum.
Gut gemacht Renault

zedo:

… weil wir nicht alle an dem Kabel in deiner Garage laden können?
Womöglich gibt es Menschen, die eine Wallbox ohne festangeschlagenes Kabel haben.

Herwig:

„…unter der Bodenabdeckung. Eigentlich ein schöner Platz für das Ladekabel“.
Im Alltagsbetrieb (und somit leerem Kofferraum) brauche ich das Ladekabel nicht, weil ich in meiner Garage eines installiert habe, das an passender Stelle von der Decke hängt.
Dann, wenn ich es brauche (Urlaubsfahrt) ist der Kofferraum voll. Ich muss es also erst wieder anderswo unterbringen. Ein Frunk wäre der ideale Dauer-Wohnsitz für das Kabel!
Warum nimmt man keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Kunden?

adson:

Technisch sehr ausgereift und durchdacht, mit nur 1,6Tonnen ein Leichtgewicht, gute Verarbeitung und Ausstattung, nur 4,21m lang (sogar AHK), aber leider ein SUV-ähnlicher Klopper, den ich mir für diesen stolzen Preis nicht kaufen würde.

Dagobert:

Für die Basisversion sind das sogar objektiv eher 20k zu viel, in Anbetracht der Reichweite sind mir das subjektiv sogar 37k zu viel…

Calitry:

Dass bedeutet, dass die Basisvariante am Gleichstrom nur einphasig, also mit einer Phase à 230V lädt.
Wenn dieser einphasig 32A aufnehmen kann, ergibt dies 32Ax230V = ca. 7.2kW.
Wenn das Topmodel dreiphasig 22kW kann, dann sind dies an drei Phasen 32A, also 3x32Ax230V=22kW.

Leider ist es hier eher schwierig einphasig mit 32A zu laden, da die meisten Steckdosen nur bis 16A abgesichert sind.

3 Phasig à 16A ergibt 11kW, das ist auch häufig bei E-Autos.

liebe Grüsse

Yoyo:

Das ist doch ein informativer Artikel. Natürlich gibt es auch subjektive Statements, aber es kein abgeschriebener Artikel der Presseabteilung.

Sam:

Schöne neue Welt…ein Kompaktwagen aus Frankreich mit 130 PS gilt für 37k€ als günstig (viel Auto fürs Geld).
Ich empfinde das als locker 13k€ zu viel in der Basis. Aber der Markt gibt es ja (auch dank der Prämie) her.

VestersNico:

Wolfgang Plank: ein klasse Artikel mit Focus auf wirklich wichtig Wissenswertem! 1,6 Tonnen, 40kw oder mehr und wie läuft die Rekuperation — das sind Sachen, die interessieren. Dazu die gehörige Portion Humor „Ankerwerfen im Kreisel“; einzig der Passus „die Basisversion zapft serienmäßig einphasig, das Topmodell dreiphasig“ — wie ist das zu verstehen? Oder muß ich da bei Renault-Nissan-Mitsubishi nachfragen?

Torchwood:

Super Ding, es fehlt allerdings die Option Panorama-Glasdach.

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