Felix Egolf – ja, er heißt wirklich so – ist sogenannter Hypermiler, Experte für Langstreckenfahrten mit Elektroautos. Mit nur einer Batterieladung soll es der Schweizer laut Volkswagen geschafft haben, in einem ID.3 Pro S über 602 Kilometer und 13.000 Höhenmeter zurückzulegen.
Felix Egolf und der ID.3, da war doch mal was? Genau, es war der Hypermiler, der im Juli 2020 das erste Modell des elektrischen Kompaktwagens vom Volkswagen Werk in die Schweiz fuhr – und dabei gleich einen Rekord aufstellte. Der ID.3 1ST war mit der mittleren, 58 kWh starken Batterie ausgerüstet, die über eine theoretische Reichweite von 420 Kilometern (gemäß WLTP) verfügt. Die Strecke von Zwickau (D) nach Schaffhausen betrug jedoch 531 Kilometer, und das Fahrer-Auto-Gespann legte diese ohne Nachladen zurück – wir berichteten. Inzwischen gibt es für den ID.3 eine noch leistungsstärkere Batterie mit 77 kWh für bis 539 Kilometer Reichweite nach WLTP. Für Volkswagen sollte Felix Egolf auch aus der größeren Auto-Batterie-Kombi das Maximum herauszukitzeln. Schließlich ist es ja auch das, was Hypermiler tun: mit möglichst wenig Verbrauch möglichst weit fahren. Doch dieses Mal war das Ziel der Wolfsburger, nicht einfach nur im Flachen so viele Kilometer wie möglich abzuspulen. Nein, beim neuen Rekordversuch sollte der ehemalige Linienpilot Berge bezwingen. Und zwar im wortwörtlichen Sinn: Er habe eine Route zusammengestellt, die 15 Schweizer Pässe beinhaltet und über 600 Kilometer weit führt. Der tiefste Pass ist der Hirzel mit 682 Metern, der höchste der Nufenen mit 2480 Metern über dem Meeresspiegel.

Ladeklappe von Notar versiegelt
Der Start erfolgte in Cham: Vollgeladen stand hier ein ID.3 Pro S vor dem Hauptsitz des größte Schweizer VW-Importeurs AMAG. Damit alles seine Richtigkeit hat, war ein Notar zugegen, der die Versiegelung der Ladeklappe beglaubigte. Auch das Gewicht von Auto, Fahrer und Gepäck wurde festgehalten: 1.925 Kilogramm. Per Luzern und die Gemeinde Entlebuch fuhr Egolf im ID.3 über den Brünig, danach wartete bereits der erste Zweitausender auf der Route: der Grimsel. Für die knapp 1.600 Höhenmeter und 26 Kilometer von Innertkirchen bis auf die Passhöhe wurden gleich 12 kWh verstromert, was in etwa 16 Prozent der Batteriekapazität entspricht. Spätestens hier wären wir skeptisch geworden. Doch die Fahrt ging weiter … Nach einer kurzen Abfahrt folgt eine rund 100 Kilometer lange, hochalpine Runde mit knapp 3.000 Höhenmetern und den Pässen Furka (2.430 m), Gotthard (2.108 m) und Nufenen (höchster Pass mit 2.480 m). Diese Fahrt rund um das Gotthard-Massiv „kostete“ lediglich 14 kWh. Weil der ID.3 im Vergleich zu einem Verbrenner
beim Bergabfahren effektiv Energie zurückgewinnt. Dabei wird der E-Motor zum Generator, der die Batterie speist. Der ID.3 hilft übrigens tatkräftig mit, Energie zu sparen: Er verfügt über einen vorausschauenden Tempomaten, der vor Kreiseln oder einer Temporeduktion selbstständig verlangsamt und rekuperiert. Durch die sogenannte Rekuperation flossen laut VW auf diesen 100 Kilometern rund 8 kWh in die Akkus zurück.
Felix Egolf ist Profi beim Stromsparen und weiß zudem, wie er fahren muss. „Fällt die Strecke nur leicht ab, ist das ‚Segeln‘ am effizientesten“, weiß er. Dazu schaltet er in den Modus „N“, also in den Leerlauf, und nimmt so den ganzen Schwung mit. Erst kurz vor einer Kurve stellte er den Hebel wieder auf B oder D. Nach einer zweiten Furka- und Gotthard-Passage ging es länger bergab: die Leventina hinunter zum südlichsten und tiefsten Punkt der Tour in Biasca (300 m). Das hat positive Auswirkungen auf den Batteriestand: Die 63 Kilometer vom Gotthardpass bis Acquarossa im Bleniotal wurden nach eigenen Angaben mit null Verbrauch zurückgelegt. Das wäre wichtig gewesen, um anschliessend den Aufstieg zum Lukmanier in Angriff nehmen zu können.

Konstanz bringt Reichweite
Auch bergauf hat Felix Egolf Energiespar-Tricks parat. Das Wichtigste: möglichst gleichmässig unterwegs zu sein. Denn starkes Beschleunigen und Verzögern zwischen Kurven kostet übermässig viel Strom. So versucht er jeweils, konstant mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 45 Stundenkilometern hochzufahren. Nicht viel, aber so blieb wenigstens genügend Zeit, um die sicherlich atemberaubenden Panoramen auf einigen der schönsten Strassen der Schweiz zu genießen. Trotz aller Effizienzanstrengungen meldete sich zehn Kilometer vor der Passhöhe des Lukmaniers der Bordcomputer und mahnte den Fahrer, bald einen Ladestopp einzulegen. Doch dem Hypermiler machte das keine Angst: „Wer die Höhe hat, hat auch die Tiefe“, meint er lachend. Will heißen: Wo es hochgeht, geht es auch wieder hinab, und die Batterie erhält zusätzliche Kilowattstunden – laut den Berechnungen von Felix Egolf circa 1 Prozent Ladung pro 300 Höhenmeter. Nach 421 Kilometern und 11 Pässen erreichte er am Abend das Dorf Hospental. Der ID.3 zeigte eine Restkapazität von 14,63 kWh (19 Prozent) an. Beim Begleitfahrzeug sei hingegen der Tank nach den vielen Höhenmetern leer gewesen. Am nächsten Morgen verließ der Hypermiler und sein E-VW die Alpen und fuhren Richtung Schwyz. Das hieß vor allem: Segeln, segeln, segeln. So versteckte sich Egolf regelmässig hinter Lastwagen, um vom Windschatten zu profitieren. Bis Flüelen wurde demnach auf diese Weise keine weitere Energie verbraucht. Dafür umso mehr hoch zur Ibergeregg (1.406 m). Kurz vor dem Scheitelpunkt wechselt die Batterieanzeige von gelb auf rot, der Ladestand war auf unter zehn Prozent gesunken …
Mit null Prozent Batterie am Ziel
Auf dem letzten Pass und nach 550 Kilometern Distanz zeigte das Display des ID.3 schließlich nur noch 2 Prozent an. Diese Energie wandelte der Hypermiler mit einer geschickten Routenwahl in weitere 52 Kilometer um. Mit null Prozent Batterie und null Kilometer Reichweite erreichte Felix Egolf wieder den Startort, wo bereits der Notar wartete und die Unversehrtheit des Tanksiegels bestätigte. Die Rekordfahrt sei damit eindrücklich geglückt: 602 Kilometer, 15 Pässe und 13.000 Höhenmeter. Jetzt wissen wir: So weit kann der ID.3 Pro S mit einer einzigen Ladung fahren – zumindest wenn ein Hypermiler hinter dem Steuer sitzt.
Quelle: Volkswagen AG
Seltsam finde ich, dass das Getriebe, beim Segeln, auf „N“ geschaltet wird und bei weiterer Fahrt dann auf „D“. Wenn ich die Rekuparation auf „0“ setze, rollt das Auto doch auch frei (Segeln). Somit habe immer und sofort die Bremswirkung des Motors parat, wenn ich sie brauche.
Interessanter Bericht, aber allenfalls eine kleine Hilfe, wenn man in seinem ‚realen E-Alltag‘ mal in Reichweitennot ist.
Solang Hypermileing nicht zum Massensport wird, finde ich das ja ganz interessant und beeindruckend, was im Extremfall möglich wäre.
Nur befürchte ich, bei steigender Popularität, dass es eher einen Groll auf E-Autos ziehen könnte, wenn diese dann ein markantes Verkehrsghinderniss darstellen.
Bin gerade gestern eine kleine Tour durch die Berge (Sudelfeld) gefahren, d.h. Landstraße, enge Pass-Kurven und Höhenmeter! Da kam genau der gleiche Schnitt heraus wie beim Rekord, und der Verbrauch war ebenfalls gleich gut: 12,0 kWh / 100 km. Der ID.3 ist sparsamer als unser Smart ed (9 Jahre alt). Die automatische Rekuperation (D) ist m.E. ausreichend sparsam, er segelt, bis er vor einer engen Kurve selber mit Motor bremst, und das obwohl er nur ein „Pure“ ist.
Sehr geil!
Tolle Leistung, jedoch im Alltag unrealistisch. Wer so fährt wird zum Verkehrshindernis und kein Freund der LKW Fahrer, da die überholen werden bzw. müssen.