Sajjad Khan, IT-Vorstand von Porsche, beleuchtet im Interview mit dem Manager-Magazin die Situation der deutschen Automobilindustrie im Bereich Digitalisierung und Software. Während Konkurrenten wie Tesla, Nio und XPeng im internationalen Vergleich in der Spitzenposition stehen, wird der beste deutsche Hersteller, BMW, erst auf Platz zehn gelistet. Für Khan ist die Herausforderung klar: „Die deutsche Autoindustrie ist in einer herausfordernden Phase; insbesondere bei Digitalisierung und Software gibt es tatsächlich Nachholbedarf.“
Internationale Wettbewerber haben ihre Entwicklungsprozesse schneller an die Anforderungen der digitalen Transformation angepasst und einen bedeutenden Vorsprung erlangt. Er sieht einen zentralen Grund im Mangel an Tech-Unternehmen in Deutschland, die auf Software, Chips und neue Technologien spezialisiert sind – eine Lücke, die in den USA und China längst durch Unternehmen wie Nvidia oder Huawei gefüllt ist.
Dennoch betont Khan, dass Deutschland durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) eine neue Chance habe, verlorenen Boden gutzumachen. „Mit KI schaffen wir in kurzer Zeit, wofür wir früher zwei bis drei Jahre gebraucht hätten“, erklärt er und verweist auf das Potenzial von Small und Large Language Models, die die Entwicklungszeiten signifikant verkürzen können. Khan sieht hier die Möglichkeit, in kurzer Zeit mit den führenden Nationen mitzuhalten und möglicherweise sogar einige von ihnen zu überholen.
Für ihn ist es entscheidend, dass deutsche Automobilhersteller den Übergang vom traditionellen Hardware- zum Software-first-Ansatz schaffen, um die Softwareentwicklung von Anfang an in die Fahrzeugentwicklung zu integrieren. Dies sei der Weg, den Porsche eingeschlagen habe, so Khan, um den technologischen Rückstand wettzumachen und die Effizienz der Entwicklung zu steigern.
Khan: Deutsche Autoindustrie braucht Software-Umdenken
Um dieses Ziel zu erreichen, setzt Khan auf eine flexible Arbeitsweise, die er als „Liquid Organization“ beschreibt. Statt in festgelegten Abteilungen arbeiten die Teams bereichsübergreifend und hierarchiefrei zusammen, was zu einer deutlich schnelleren Entscheidungsfindung und höherer Flexibilität führe. „Im Gegenteil. Wir bündeln Kräfte, entscheiden schneller, arbeiten Themen flexibler ab“, so Porsches IT-Vorstand, und beschreibt diesen Ansatz als eine Art „Turbomodell“, das die Time-to-Market erheblich verkürze und den Innovationsprozess beschleunige. Für ihn ist diese Arbeitsweise ein wesentlicher Schlüssel, um die Herausforderungen der Digitalisierung erfolgreich zu bewältigen, insbesondere in einer Branche, in der Software kontinuierlich aktualisiert und angepasst wird.
In Bezug auf die Zusammenarbeit innerhalb des Volkswagen-Konzerns und darüber hinaus betont Khan, dass Partnerschaften unerlässlich sind, um die Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern. Die Kooperationen von Volkswagen mit Unternehmen wie XPeng in China oder Rivian in den USA sind für Khan ein pragmatischer Weg, um auf das Know-how anderer zuzugreifen und den Entwicklungsprozess zu beschleunigen. „Collaborate and compete“ lautet Khans Strategie. Der Kunde erwarte letztlich ein erstklassiges Produkt, das alle Anforderungen an moderne Software erfüllt – unabhängig davon, wer die Software entwickelt hat.
Porsches IT-Vorstand sieht auch die Möglichkeit nationaler Allianzen, beispielsweise mit anderen deutschen Autoherstellern, für ein gemeinsames Betriebssystem und berichtet, dass er bereits mehrere Anläufe in diese Richtung unternommen habe. Ein derartiges Bündnis könnte helfen, die Softwarekompetenz im deutschen Automobilsektor zu stärken und die Abhängigkeit von ausländischen Technologiekonzernen zu verringern.
Khan äußert sich auch zu den langfristigen Perspektiven und möglichen Risiken. Er betont, dass die deutsche Automobilindustrie künftig nicht den Fehler machen dürfe, bei neuen Technologien zu zögern. Die aktuellen Entwicklungen im Bereich System-on-a-Chip und High-Performance-Computing müssten von der Branche frühzeitig aufgegriffen werden, um 2028 oder 2029 nicht überrascht auf verpasste Chancen zu blicken. Er zeigt sich optimistisch und ist überzeugt, dass die Industrie mit der nötigen Entschlossenheit den technologischen Wandel bewältigen kann: „Wir dürfen 2028 oder 2029 nicht sagen: ‚Oh, was ist jetzt passiert?‘ Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir unsere Chance nutzen werden.“
Quelle: manager-magazin – Wie der Porsche-Vorstand mit KI die Konkurrenz überholen will