Rallye-Fans hatten schon den sportlichen Rückzug befürchtet: Immerhin rollt der Adam seinem Ende entgegen – und mit ihm wohl der ADAC Opel Rallye Cup. Doch jetzt haben sie in Rüsselsheim einen echten Coup gelandet – symbolträchtig im Zeichen des Blitzes. Als erster Hersteller weltweit bietet Opel ein elektrisches Rallye-Auto für den Kundensport an.
Am Wochenende war der E-Renner erstmals in artgerechter Umgebung zu sehen: beim Finale der Deutschen Rallyemeisterschaft (DRM) in Freyung. Zwar nur im Servicepark und noch nicht auf den Wertungsprüfungen, doch das Interesse, sagt Marcus Lacroix von Opel Motorsport, sei enorm. Anfragen gebe es aus ganz Europa. 136 PS und 260 Nm Drehmoment bringt das auf dem Corsa-e basierende Modell an die Vorderachse. Mit akku-üblicher Beschleunigung dürfte der 1,4-Tonner durchaus auf dem Niveau des Cup-Adam mit seinem sequenziellen Getriebe liegen.
Ein erster Prototyp dreht derzeit auf dem Testgelände in Dudenhofen seine Runden, an einem zweiten wird in Rüsselsheim gerade gebaut. Das Augenmerk liegt zunächst auf Haltbarkeit und der Sammlung von Akku-Daten. Schließlich wird die Batterie im Motorsport anders beansprucht als auf der Straße. Später wird der Erlkönig auch die bei Rallyes üblichen Torturen erleiden. Sprünge über Kuppen, Cutten in Kurven, Driften auf Schotter. Allen Bedenkenträgern will Lacroix schon mal den Stecker ziehen: „Wir bauen das Auto so, dass es DRM fahren kann – nicht umgekehrt.“
20 Exemplare will Opel in Frankreich auf die Räder stellen lassen, 15 davon für den Wettbewerb. Im „ADAC Opel e-Rally Cup“ – acht Läufe vorrangig im Rahmen der DRM – soll sich der Nachwuchs beweisen. Offizieller Start wird die Saar-Pfalz-Rallye im August 2020 sein, das Finale die Deutschland-Rallye 2021. Der weltweit erste Rallye-Markenpokal für Elektrofahrzeuge – es ist lange her, dass man sich bei Opel derart als Pionier fühlen durfte.
Expertise aber haben sie im Zeichen des Blitzes. Und weil Rallyesport nicht ungefährlich ist, wissen sie bei Opel sehr genau um das Thema Sicherheit. „Der Schutz des Akkus hat Priorität 1A“, versichert Lacroix. So kommt zum ohnehin hohen Sicherheitsstandard des Serienautos gegen Crash und Feuer noch eine Platte gegen Ungemach von unten. Kollateralnutzen des Motorsports: Der Überrollkäfig versteift das Chassis zusätzlich.
So oder so lässt sich das Auto von innen wie außen jederzeit stromlos schalten. Im Falle eines Unfalls erledigen Sensoren das automatisch. Doch was ist mit den Fans, die einen Corsa-e Rally vielleicht mal aus dem Graben schieben müssen? Genaues will man bei Opel nicht verraten, aber das Auto wird kundtun, ob man es anfassen darf oder nicht. Kommunikation im Dienste der Sicherheit. Im Zweifel könnte die lautstarke Botschaft also lauten: Finger weg!
Ein Handicap hat der flotte Flitzer natürlich: Der Saft seiner 50-kWh-Batterie reicht – trotz Rekuperation – nur für etwa 60 bis 70 Volllast-Kilometer plus die Verbindungsetappen auf der Straße. Viel mehr fährt die Kolben-Konkurrenz bei einer üblichen Schleife zwar auch nicht, ist aber halt nach einem kurzen Tankstopp wieder startklar. Der Corsa-e wird zum üblichen Service auch noch laden müssen.
Wie und wo? Dafür hat Opel schon mehr als einen Plan. Ein Truck mit einer riesigen Batterie wird anrücken. Weltweit gibt es nur sieben davon, der achte wird für Rüsselsheim gebaut. Seine Kapazität: 2,1 Megawattstunden. Rechnerisch sind das mindestens drei Ladungen pro Team und Tag. Geladen wird ausschließlich mit „grünem“ Strom, verspricht Lacroix – und gerade nicht per Diesel-Aggregat. „Wir wollen keine Mogelpackung.“
Der Zeitplan der Rallyes scheint nicht in Gefahr. Über seine zehn Stecker könnte der Akku-Truck in zwei Wellen zu 30 Minuten alle 15 Autos mit Saft für 80 Prozent Reichweite versorgen. Das muss nicht zwangsläufig im Servicepark geschehen – eben weil die Strom-Tanke mobil ist. Würden die E-Opels zum Auftakt vorne starten, mittags im Mittelfeld und zur letzten Schleife am Ende, bliebe jeweils auskömmlich Ladezeit.
Bei Opel und ADAC sind sie jedenfalls mächtig stolz, Elektroantrieb in den Breitensport zu bringen – und weiterhin gezielt den Nachwuchs zu fördern. Sportpräsident Hermann Tomczyk glaubt gar, dass die neue Serie über die Grenzen Deutschlands hinaus Signalwirkung für den Motorsport hat.
Und der Preis? Deutlich unter 50.000 Euro netto soll das rallyefertige Auto kosten. Inklusive Akku-Garantie für vermutlich vier Jahre. Dazu eine Einschreibegebühr für Startgelder, Catering und Serviceplatz, die ähnlich hoch ausfallen dürfte wie die aktuell 3.900 Euro im Adam-Cup. Im Gegenzug winkt ein sechsstelliges Preisgeld. Verteilt auf alle Läufe und auch für Teams, die nicht auf dem Podium stehen.
Dem Cup-Gewinner winkt – wie schon beim Adam – der Aufstieg in den R2-Corsa, den Opel 2021 präsentieren will. Für Top-Talente muss dank des PSA-Konzerns selbst da nicht Schluss sein: Peugeot baut Fahrzeuge nach R5-Reglement – und Citroën setzt sogar World Rally Cars in der WM ein. Mehr geht in diesem Sport nicht.
Und wie wird der Corsa-e Rally klingen? Daran tüfteln gerade die Rüsselsheimer Sound-Strategen. Hoffentlich haben sie ein glückliches Öhrchen…