Mercedes schickt Elektro-Bus eCitaro fuel cell über die Alpen

Cover Image for Mercedes schickt Elektro-Bus eCitaro fuel cell über die Alpen
Copyright ©

Daimler Truck

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

Vor wenigen Tagen präsentierte Mercedes-Benz erstmals den neuen eCitaro fuel cell, den ersten Elektro-Stadtlinienbus mit Brennstoffzelle zur Verlängerung der Reichweite. Vor dem Serienstart musste der eCitaro fuel cell zahlreiche Funktions- und Sicherheitstests absolvieren. Dazu gehörte auch eine winterliche Alpenüberquerung – eine Testfahrt mit vielen Herausforderungen, die der Hersteller in einer Pressemitteilung zusammengefasst hat.

Wie ein Fremdkörper auf dem weitläufigen Parkplatz am Plan de Gralba auf 1795 Meter Höhe in den Südtiroler Alpen wirkt der gelb-schwarze Elektrobus. Während Fahrer Andreas Hoffmann eifrig Eis von den Scheiben kratzt, kräuselt sich ein kleine weiße Dampfwolke aus den Dachauf­bauten des Busses nach oben – ein untrügliches Zeichen, dass die Brennstoffzelle auf dem Dach des Busses ihre Arbeit aufgenommen hat und nun aus Wasserstoff und Luftsauerstoff Strom erzeugt – mit Wasserdampf als einzige Emission. Denn bei dem Gelenkbus handelt es sich um ein Erprobungsfahrzeug, einen von vier Prototypen des Mercedes-Benz eCitaro fuel cell.

Der erste Elektrobus, bei dem ein Brennstoffzellensystem für eine Verlängerung der Reichweite sorgt, hat gerade einen von zahlreichen Tests absolviert und souverän bestanden: Nach einer Nacht mit Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt laufen Elektroantriebssystem und Brennstoffzelle reibungslos an.

Ein Team von Mercedes-Benz Test-Ingenieuren hat sich Anfang 2023 mit dem eCitaro fuel cell in die Alpen begeben, um dessen Kaltstartverhalten bei winterlichen Temperaturen zu testen und das neu entwickelte Thermomanagement zu erproben. Zugleich sollten die Fahrten auf Höhen jenseits von 1700 Metern Erkenntnisse über die Funktion des Brennstoffzellensystem in extremen Höhen liefern. Darüber hinaus musste das neue Antriebssystem bei anspruchsvollen Passfahrten mit Steigungen und Gefällen von bis zu 15 Prozent seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Und nicht zuletzt war der Energieverbrauch bei diesen herausfordernden Bedingungen von großem Interesse.

Mit dem E-Bus-Testteam unterwegs

Während der Fahrt überwachen die Testingenieure ständig unzählige Messstellen und Daten“, erklärt Testleiter Jonas Steinki. Neben den Temperaturen von Batterie, Brennstoffzelle, Motoren und Fahrgastraum sind das unter anderem auch der Energieverbrauch des Antriebs ebenso wie von Heizung und anderen Neben­verbrauchern, der Ladestand der Batterien und der Füllstand der Wasserstofftanks. Die Testingenieure Rainer Bickel, Stephan Lutz und Hannes Mayer überwachen auf ihren Monitoren ununterbrochen die wichtigsten Parameter von Brennstoff­zellensystem, Antrieb, Thermomanagement und Heizung, suchen nach Auffälligkeiten und gleichen die Daten mit den errechneten Sollwerten ab.

Mercedes-Elektrobus-eCitaro-Wasserstoff-test
Daimler Truck

Die mehrtägige Testfahrt beginnt mit einer Alpenüberquerung von Neu-Ulm über Füssen, den Fernpass, den Reschenpass bis nach Bozen. Die Kombination aus Batterie und Wasserstoff sollte die 360 Kilometer lange Strecke bewältigen können. Dennoch lässt sich schwer abzuschätzen, wie sich der Energieverbrauch auf den langen und steilen Pässen bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt entwickeln würde. Um sicherzugehen, beschließt das Team, auf dem Rasthof Allgäuer Tor die Hochvoltbatterien noch einmal etwas nachzuladen.

Gute Energiebilanz dank Thermomanagement und hoher Rekuperation

Auf dem Weg über den Fernpass wird schnell klar, dass der eCitaro fuel cell die anspruchsvolle Strecke besser meistert als erwartet. „Trotz der Steigung arbeitet die Brennstoffzelle im effizientesten Leistungsbereich von 20 bis 30 kW“, erläutert Rainer Bickel und deutet auf den entsprechenden Wert auf dem Monitor. „Zudem nutzt das neue Thermomanagement die Abwärme der Brennstoffzelle gewinnbringend für die Temperierung des Innenraums. Die Elektroheizung kommt daher kaum zum Einsatz und der Energieverbrauch aller Nebenaggregate, wie Heizung, Lenkung und Kompressor zusammen bleibt daher auf sehr niedrigem Niveau.“

Auch bergab zeigt der E-Bus mit Wasserstoff-Unterstützung seine Stärke. Bei Bremsvorgängen erhöht sich die Rekuperation auf bis zu 285 kW. Das bedeutet: Die insgesamt vier Motoren der beiden Antriebsachsen arbeiten jetzt als Generatoren und laden die Batterien mit bis zu 285 kW auf – fast doppelt so viel wie an einer Schnellladesäule. „Mehr geht nicht“, sagt Rainer Bickel. „Um die Batterien nicht zu sehr zu strapazieren, haben wir die Rekuperationsleistung auf 285 kW begrenzt.“

Die positive Energiebilanz setzte sich bis zum Ziel der Alpenüberquerung in Bozen fort: Nach 368 Kilometern und einer Zwischenladung von rund 55 kWh zeigt die Batterieladeanzeige noch immer 56 Prozent SoC (State of Charge). Und auch die Wasserstofftanks sind mit 42 Prozent noch gut gefüllt.

Zielort Bozen ist Wasserstoff-Hotspot

Bozen in Südtirol erweist sich indes als idealer Zielpunkt für die winterliche Testfahrt. Denn mit einer öffentlichen Wasserstofftankstelle direkt neben der Autobahnausfahrt Bozen Süd und einer weiteren H2-Tankstelle auf dem Betriebshof des Bozener Verkehrs­betriebs Sasa verfügt Bozen über eine der besten H2-Infrastrukturen in Europa. Noch dazu stammt der hier verfügbare Wasserstoff ausschließlich aus regenerativen Quellen – vornehmlich aus der Elektrolyse mit Strom aus Wasserkraft. Darüber hinaus bieten die umliegenden Dolomiten mit ihren anspruchsvollen Passstrecken und Hochlagen ideale Bedingungen für die Höhenerprobung des Brennstoffzellen­systems und weitere Tests bei anspruchsvoller Topographie und niedrigen Temperaturen.

Die Wintererprobung ist aber nur einer von mehreren Tests, die der eCitaro fuel cell durchlaufen muss, bevor er ab Sommer in Serie geht“, betont Shahrukh Javed, Projektleiter für den eCitaro fuel cell. „So haben vor allem die Wasserstofftanks und das Brennstoffzellensystem umfangreiche Sicherheitstests erfolgreich absolviert, die teilweise über die vom Gesetzgeber geforderten Tests hinausgehen.“ Dazu gehören Schlag- und Schütteltests ebenso wie ein Schlittentest mit dem Befestigungs­system, die eine Unfallsituation simulieren. Für die Erprobung unter heißen Bedingungen ging es mit dem eCitaro fuel cell in die Lkw-Klimakammer der Truck-Kollegen im pfälzischen Wörth.

Testbilanz fällt durchweg positiv aus

Dass aber trotz Klimakammer mit Rollenprüfstand Fahrten unter realen Bedingungen weiterhin notwendig sind, steht für Javed außer Frage: „Die vielen verschiedenen Messergebnisse und Erkenntnisse, die wir aufgrund der großen Höhen, der steilen Strecken und der niedrigen Temperaturen auf dieser Fahrt gewinnen können, sind durch nichts zu ersetzen.“

Für die Alpenüberquerung und die diversen Testfahrten auf alpinen Pässen zieht der Projektleiter eine positive Bilanz: „Der eCitaro fuel cell hat die Herausforderungen dieser Alpenfahrt mit Bravour bestanden. Dank des neuen Energiemanagement arbeitete die Brennstoffzelle selbst auf langen und steilen Steigungen überwiegend im effizientesten Bereich zwischen 20 und 30 kW. Das neue Thermomanagement erwies sich als wichtiger Baustein für die Energieeffizienz, weil es die Abwärme der Brennstoffzelle optimal für die Temperierung des Fahrgastraums einsetzte. Der eCitaro fuel cell hat auf dieser anspruchsvollen Testfahrt unsere Erwartungen an die Reichweite wie auch an die Effizienz des Antriebs und des Brennstoffzellensystems übertroffen.

Quelle: Daimler Truck – Pressemitteilung vom 06.07.2023

worthy pixel img
Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


Djebasch:

Finger Weg vom Methan egal ob Bio oder nicht , ist genauso ein Temperatur Anheber wie CO2 nur die Verweildauer in der Atmosphäre ist sehr viel kürzer dafür 4x schlimmer vom effekt…

Djebasch:

Dann sagen Sie uns wie ? Aktuelle Planung bis 2030 Weltweit 100 Millionen Tonnen pro Jahr aus über 120 verschiedenen Projekten! Davon sind aktuell gerade mal nen Dutzend in der Erprobungsphase…

Djebasch:

Mal nachgeschaut was wir am Tag verbrauchen 168Millionen Tonnen für Treibstoff weitere 100 Millionen für Chemie und Heizen… nur in Deutschland…
WIE wollen Sie das künstlich ersetzen???
HÖRT AUF ZU TRÄUMEN!

Broesel:

… Wasserstoff [wird] einfach zunehmend spottbillig und wird auch mittelfristig in rauen Mengen zur Verfügung stehen ..

Dann erklär‘ mal schnell, woher dann die fast kostenlose, dreifache Ökostrommenge und die riesigen Reinstwassermengen kommen sollen!?

Georg Laackman:

Wasserstoff ist, nach der Direktanwendung elektrischen Stroms, die billigste Energieform, die es gibt.
Man muss sich nur mal die Mühe machen, die wahren Kosten von Atomstrom und erst Recht vom Gebrauch fossiler Energien zu berechnen – Sie werden sich wundern..
Energieeffizienz hin oder her – fossile Energien und auch die Rohstoffe für Batterien samt der damit verbundenen Umweltschäden werden zunehmen unbezahlbar.
Dagegen wird Wasserstoff einfach zunehmend spottbillig und wird auch mittelfristig in rauen Mengen zur Verfügung stehen..

Georg Laackman:

Wasserstoff ist, nach der Direktanwendung elektrischen Stroms, die billigste Energieform, die es gibt.
Man muss sich nur mal die Mühe machen, die wahren Kosten von Atomstrom und erst Recht vom Gebrauch fossiler Energien zu betrachten.
Energieeffizienz hin oder her – fossile Energien und auch die Rohstoffe für Batterien samt der damit verbundenen Umweltschäden werden zunehmen unbezahlbar.
Dagegen ist Wasserstoff einfach zunehmend spottbillig und wird auch mittelfristig in rauen Mengen verfügbar sein.

Djebasch:

Man will uns also weiß machen das in den letzten 30 Jahren der Wasserstoffforschung keiner auf die Idee gekommen ist das Verhalten eines Schweren Fahrzeugs zu testen…
Das alles ist doch nur Marketing…
Am Ende ist und bleibt Wasserstoff zu teuer…

titan:

Die gab es doch bisher schon nicht … Elektrische Züge gibt es schon seit 100 Jahren … und beim Bus kann an jedem Zwischenstopp nachgeladen werden! Was fehlt, ist der politische Wille, aber dazu braucht es endlich mal wieder einen VERKEHRSMINISTER!

Kona64:

Bei den üblichen Wirkungsgraden falle da etwa 20kW Abwärme an. Das ist, außer im Winter, Energieverschwendung. Eine Wärmepumpe bräuchte dafür wohl nur 6kW. Ich denke das Heizen im Winter ist tatsächlich eine Herausforderung für den ÖPNV aber das ginge auch mit Biomethan.

Daniel W.:

Trotz der Steigung arbeitet die Brennstoffzelle im effizientesten Leistungsbereich von 20 bis 30 kW“, erläutert Rainer Bickel und deutet auf den entsprechenden Wert auf dem Monitor. „Zudem nutzt das neue Thermomanagement die Abwärme der Brennstoffzelle gewinnbringend für die Temperierung des Innenraums. Die Elektroheizung kommt daher kaum zum Einsatz …

Ein schwere Bus braucht an Steigungen sicherlich mehr als 20 bis 30 kW (27 bis 41 PS), also muss ordentlich Strom aus den Akkus die Motoren speisen, nur leider verschweigt Mercedes die Akku-Größe.

Dass bei 20 bis 30 kW Stromerzeugung sehr viel Abwärme durch die Brennstoffzellen anfällt, das dürfte nur in kalten Winter ein Vorteil sein, ansonsten ist es Energieverschwendung.

Bleibt das Problem woher den vielen Wasserstoff nehmen, wenn man alle Busse und Lkws in Europa mit Wasserstoff betreiben wollte. In Spanien ist eine Wasserstoffproduktion geplant, nur dort fehlt durch den Klimawandel schon jetzt das Süßwasser für Landwirtschaft und Tourismus.

Also braucht es in Spanien (und auch in Afrika) eine aufwändige Meerwasserentsalzung, die viel Ökostrom benötigt und es bleibt eine schädliche Salzlauge zurück, die die Meere schädigt, wenn sie ins Meer gepumpt wird und zur Salzgewinnung taugt sie durch die Giftstoffe auch nicht.

Für mich ist und bleibt der Wasserstoff in Landfahrzeugen ein Irrweg der Wasserstoff-Lobby

Ähnliche Artikel

Cover Image for CATI-Studie: E-Mobilität ist und bleibt ein Langstreckenprojekt

CATI-Studie: E-Mobilität ist und bleibt ein Langstreckenprojekt

Sebastian Henßler  —  

Eine aktuelle Analyse zeigt, dass kein Hersteller mehr allein auf Stromer baut – Plug-in-Hybride und flexible Architekturen gewinnen in Europa an Gewicht.

Cover Image for Audi e-tron GT Quattro im Test: Souveräne Basis

Audi e-tron GT Quattro im Test: Souveräne Basis

Stefan Grundhoff  —  

Audi erweitert die Palette seines e-tron GT nach unten. Nachgeschärfter Antrieb und fein abgestimmtes Fahrwerk kommen mit deutlich höherer Reichweite.

Cover Image for Studie zeigt: Klimaschutz mit HVO nicht möglich

Studie zeigt: Klimaschutz mit HVO nicht möglich

Daniel Krenzer  —  

Von wegen Alternative: Das Ifeu kommt zu dem Ergebnis, dass Bio-Kraftstoffe wie HVO teils sogar noch klimaschädlicher sind als Diesel und Benzin.

Cover Image for „Überleben ist das Wichtigste“: Nio kämpft um Fortbestand

„Überleben ist das Wichtigste“: Nio kämpft um Fortbestand

Tobias Stahl  —  

Der Nio ES8 wird zum Marktstart offenbar noch günstiger als in der Vorbestellung. Nun räumt Unternehmenschef Li ein: Es geht um Nios Überleben.

Cover Image for OTA-Update verbessert teilautomatisiertes Fahren bei Xpeng

OTA-Update verbessert teilautomatisiertes Fahren bei Xpeng

Michael Neißendorfer  —  

Nach einem Update teilen sich Spurhaltesystem und Fahrer nun die Kontrolle über die Lenkung, der Pet-Modus schützt im Auto befindliche Tiere.

Cover Image for China veröffentlicht Zahlen zu E-Auto-Subventionen

China veröffentlicht Zahlen zu E-Auto-Subventionen

Laura Horst  —  

China legt Zahlen zu den Subventionen für Elektroautos offen, aus denen eine zunehmende Begünstigung führender Autohersteller und Start-ups hervorgeht.