MAN eTruck: Erste Ausfahrt im 40-Tonnen-Stromer

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Wolfgang Gomoll
Wolfgang Gomoll
  —  Lesedauer 5 min

MAN will 2024 den eTruck auf den Markt bringen und gleich ein ganzes Ökosystem inklusive Megawattladesäulen installieren. Wir haben eine Runde in dem Stromer 40-Tonner gedreht und den MAN-Verantwortlichen auf den Zahn gefühlt.

Das Gefühl, wenn sich ein 40-Tonner in Bewegung setzt, hat was Majestätisches. Fast geräuschlos setzt sich der König der Landstraße in Bewegung. Im mächtigen Anhänger sind 35 Tonnen geladen. Kein Problem für den Sattelschlepper. Wir sitzen am Steuer des Prototypen des MAN eTruck 4×2 LL SA. Also einer Zugmaschine mit vier Rädern, von denen zwei angetrieben sind. Der elektrische Lkw hat rund 350 kW / 476 PS und Batterien mit einer Kapazität von 300 bis 500 Kilowattstunden.

Laut MAN bewegt sich der Verbrauch des eTrucks je nach Einsatzgebiet zwischen 0,8 und 1,2 kWh/km. Wobei Langstreckenfahrten mehr Strom aus den Akkus ziehen als der regionale Liefer- und Verteilerverkehr. So sollen Tagesreichweiten inklusive Pausen von 600 bis 800 Kilometern kein Problem sein. Wir nehmen diese Werte zur Notiz und konzentrieren uns auf die Kurven, die vor uns liegen. Beim Bremsen schieben die Tonnen von hinten ziemlich und wir müssen ganz schön in die Eisen steigen.

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„Das ist noch ein Prototyp und wir arbeiten noch an der Abstimmung der Rekuperation bei der Verzögerung“, erklärt Jens Hartmann, Projektleiter e-Truck bei MAN. Die Energierückgewinnung ist bei dem tonnenschweren Ungetüm ein spezielles Thema. „Wir wollen den Kunden alle Möglichkeiten geben“, sagt Jens Hartmann. Also wählt man mit einem Lenkradhebel fünf Rekuperationsstufen an. Das One-Pedal-Fahren aktiviert man mit einem eigenen Bedienelement. Aber auch das Segeln ist beim E-Lkw kein Problem.

Aktuell ist der E-Truck noch mit einem zentralen Elektromotor und einem Zwei- oder Vierganggetriebe ausgestattet. Wir haben eine Viergangautomatik, bei der die erste Fahrstufe nur zum Anfahren und bei einer Steigung benötigt wird. Der Grund ist das Zusammenführen von alter und neuer Welt. Eine drehende Welle des Getriebes wird benötigt, um zum Beispiel die Hydraulik eines Aufbaus anzutreiben. Aber auch bei MAN geht man davon aus, dass die Zukunft bei den großen E-Nutzfahrzeugen den elektrischen Achsen und eigenen Elektromotoren für den Betrieb der Hänger gehört. Allerdings müssen die Aufbauten auch entsprechend ausgerüstet sein.

Die Herausforderungen für den Münchner Lkw-Spezialisten sind genauso umfangreich und vielfältig wie die Einsatzgebiete und Wünsche der Kunden. Zu den ganzen Varianten kommen auch noch die Reichweitenwünsche, die mit den passenden Batteriekonfigurationen erfüllt werden müssen. Ein simpler Sattelschlepper mit vier Batteriepaketen ist noch die leichteste Übung, bei dem zwei vierlagige Akkumodule an den Seiten des Rahmens und zwei innerhalb des Rahmens angebracht sind. Dieses Duo besteht aus jeweils zwei Elementen: eines mit vier Speicherzellenschichten und das dahinter mit dreien. Jede dieser vier Batterieeinheiten wiegt rund 640 Kilogramm und hat eine nutzbare Kapazität von 80 kWh.

Insgesamt können sechs solcher Elemente beim Lkw je nach Einsatzzweck verteilt werden. Das Ganze ähnelt dem Spiel mit Legosteinen. Wird für Anbauten Raum an den Seiten gebraucht, werden die Batterien dementsprechend platziert. Natürlich spielt auch die Reichweite eine Rolle. Drei Akkus, vier, fünf oder eben maximal sechs – alles möglich. In verschiedenen Konfigurationen: ob Abrollkipper, Pritschenaufbau mit Ladekran oder ein Aufbau mit Kühlfunktion.

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Um diese Wünsche zu erfüllen und die Produktion möglichst effizient zu gestalten, arbeitet MAN bereits jetzt eng mit den Herstellern der Aufbauten zusammen. Also wird sich der Kunde, wenn das MAN E-Truck 2024 erscheint, schon bei der Bestellung das Nutzfahrzeug nach seinen Wünschen konfigurieren können und bekommt genau diese maßgeschneiderte Version geliefert. „Wir wollen einen hochflexiblen Baukasten bieten“, weiß Jens Hartmann.

Das grundsätzliche Konzept der Elektromobilität beim Gütertransport ist einleuchtend und soll den Entwicklungsaufwand minimieren. Möglichst viel vom Pkw beziehungsweise den klassischen Vehikeln mit Verbrennungsmotoren auf das Stromern übertragen. Dazu gehören moderne Sensoren sowie Details wie die Kamera-Außenspiegel oder die intelligente Navigation, die dem Fahrer hilft, das Ziel pünktlich und effizient zu erreichen. Allerdings ist das eins-zu-eins nicht möglich, schließlich spielen bei den Nutzfahrzeugen mehr Parameter eine Rolle, als das bei den Pkws der Fall ist.

Zwei solche Parameter sind die Beladung und natürlich der Zeitpunkt, wann die Ladung am Ziel ankommen muss. Bei einer cleveren Lotsen-Software müssen solche Vorgaben berücksichtigt werden. Eine wichtige Frage ist auch, wie Bergabfahrten absolviert sollen. Schnell, um Zeit zu sparen oder langsamer, um möglichst viel Energie in die Batterie zu schaufeln. „Wenn ich fünf Minuten bergab fahre, ist das wie fünf Minuten an der Ladesäule“, verdeutlicht Jens Hartmann.

Ein zentraler Punkt bei der Elektromobilität ist das Laden. Das spielt vor allem bei den Nutzfahrzeugen eine entscheidende Rolle, da Pausen von 45 Minuten vorgeschrieben sind, die man gut zum Auffüllen der Energiespeicher nutzen kann. Zeit ist Geld, also muss auf der Tour der Strom hurtig fließen. Per CCS-Laden sind rund 350 kW möglich, das ist schnell, aber nicht schnell genug. Bei den mächtigen Akkus müssen schon andere Leistungen her – also soll 2025 pünktlich zum Marktstart des MAN eTruck das Megawattladen möglich sein.

Gemeinsam mit Scania, Volvo und Daimler will man 1.700 Ladesäulen installieren, darunter auch einige MW-Ultraschnelllader. Entlang der A2 soll zwischen Düsseldorf Hafen und Berlin entsteht eine Testroute, die den Alltag im Lieferverkehr inklusive Stromtanken simuliert. Der nächste Schritt ist auch schon in der Mache: das Laden mit maximal 3,75 MW. „Mit drei Megawatt kann man in 15 Minuten für 400 Kilometer laden“, weiß Techniker Dr. Christian Peteranderl. Auch beim Stromtanken will MAN den Nutzern ein Rundum-Sorglos-Paket bieten und die entsprechende Software liefern, die dem Disponenten bei der Planung der Routen hilft. Das geht sogar so weit, dass man Ladesäulen reservieren kann. Bei dem engen Zeitplan der Lkw-Fahrer ist dies auch machbar.

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Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll beschäftigt sich mit dem Thema Elektromobilität und Elektroautos und verfasst für press:inform spannende Einblicke aus der E-Szene. Auf Elektroauto-News.net teilt er diese mit uns. Teils exklusiv!
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MMM:

Das kann man auch lokal boostern über einen Pufferspeicher. Das muss dann nicht diese Anschlussleistung x [Anzahl der Ladepunkte] sein.

Fabian Uecker:

Ich bin gespannt wie das funktionieren soll. Wir bekommen aktuell den Strom aus dem Norden nicht in den Süden aber wollen mit 3 Megawatt laden. Mit einer ladesäule ist es nicht getan und über die Parksitustion auf Raststätten habe ich oft genug schon geschrieben.

Silverbeard:

Ich glaube die Ladeleistung wird hier überschätzt. Anders als eine kleine PKW Batterie, die nur kurz in der Spitze 150-250kw erreicht, kann ja die grosse Batterie eines LKW fast durchgehend mit mindestens 100-200kW geladen werden. D.h. an einer handelsüblichen Schnellladesäule ist der LKW über Nacht locker aufgeladen und beim Be- und Entladen von Fracht ist nach 30Min schon mindestens 50-100km nachgeladen, ohne dass der Kunde dafür eine Ladesäule im MW Bereich benötigt.

Silverbeard:

80-120kWh/100km im realen Betrieb ist weniger als ich erwartet habe. Dann wären ja mit der 500kWh Batterie auf jeden Fall über 400km Reichweite möglich.

David:

Das Ladenetz geht bis 1500V und 3000A. Somit könnte also ein 800V System nur mit 2,4 MW laden. Die Frage ist, ob nicht zumindest am Ladeanschluss mit Elektronik 1500 V verarbeitet werden.

heinr:

bei den anvisierten Ladeleistungen wird man wohl kaum mit 800 Volt zurechtkommen, eher ab 3000 Volt. Na ja, jedenfalls ist der PKW Bereich dagegen nur Kindergarten. Spannend.

David:

Da ist noch viel zu tun. Ich meine jetzt nicht das Megawatt-Ladenetz, das wird es geben. Sondern es ist ja ein Verbrenner LKW mit Elektrofahrmotor. Das ist ein bisschen stumpf. Ich denke, den Entfall der Getriebe und den Entfall der Hydraulik sollte man angehen. Das hat zum Teil zulassungsrechtliche Gründe, aber eben auch das muss geklärt werden. Im Kern brauchen LKW einen Reluktantzmotor mit variablen Betriebspunkt für Beschleunigungen und die Hydraulik muss elektrisch werden.

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