Wie Logistiker Große-Vehne seine Antriebswende angeht

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Daimler Truck

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 6 min

Welche Anforderungen stellt die Antriebswende an einen Lkw-Großflottenbetreiber? Was lässt sich bereits heute umsetzen, und was bedeutet es, wenn nicht zehn oder 100 Lkw auf der Straße sind, sondern mehr als 1000? Auch im Fall eines großen Lkw-Fuhrparks erfolgt der Umstieg schrittweise. Denn auch ein Großflottenbetreiber möchte zunächst erste Erfahrungen sammeln, ehe er die nächsten Schritte geht.

Das zeigt das Beispiel Große-Vehne, das in einem aktuellen Beitrag von Daimler Truck vorgestellt wird. Das europaweit tätige Unternehmensnetzwerk GV Trucknet betreibt rund 1200 eigene Lkw, 90 Prozent davon der Marke Mercedes-Benz. Damit der Umstieg gelingt, müssen zahlreiche Bedingungen erfüllt sein. Es brauche – neben dem passenden Fahrzeugangebot – die notwendige Netzleistung und Ladeinfrastruktur. Und zu guter Letzt müsse sich der Einsatz auch rechnen, also eine Kostenparität zum Diesel gegeben sein.

Bei all diesen Punkten arbeitet GV Trucknet Hand in Hand mit Mercedes-Benz Trucks. Gemeinschaftlich wurden erste Strecken für Elektro-Lkw etabliert und weitere konzipiert. „Die Umstellung vor allem großer Flotten auf alternative Antriebe ist ein überaus komplexes Unterfangen. Es freut uns sehr, dass sich langjährige Mercedes-Benz Trucks-Kunden wie Große-Vehne interessiert und aufgeschlossen den neuen Technologien stellen“, sagt Christoph Forcher, eConsultant bei Mercedes-Benz Trucks und in dieser Funktion auch für Große-Vehne zuständig. „Unsere Aufgabe sehen wir darin, sie bei der Transformation von Anfang an zu begleiten, damit die sukzessive Umstellung auf Null-Emissions-Lkw eine Erfolgsgeschichte für sie wird.

Als verantwortungsvoll handelnder Logistikdienstleister stellen wir uns aktiv der Antriebswende und sind bereit, unseren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Aus meiner Sicht ist es unerlässlich, mehrere alternative Technologien zu erproben – neben dem Batterie beispielsweise auch den Wasserstoffantrieb“, sagt René Große-Vehne, Geschäftsführer GV Management. „Bei der Elektromobilität liegt die Besonderheit darin, dass es nicht nur auf das richtige Fahrzeug ankommt, sondern auch auf die Ladeinfrastruktur sowie die Energiegewinnung und -speicherung.

Elektro-Lkw eActros 300 Lowliner für den Anlieferverkehr

Bei den geplanten neuen Rundläufen kommen erstmals zwei eActros 300 als Lowliner-Variante zum Einsatz. Die Elektro-Lkw können Megatrailer mit drei Meter Innenhöhe ziehen, die in der Automotive-Logistik stark verbreitet sind. Die eActros-Sattelzugmaschinen verkehren zwischen dem GV Trucknet-Standort Kornwestheim bei Stuttgart und den Mercedes-Benz Lkw Werken Wörth und Gaggenau. Bis Ende 2026 plant Mercedes-Benz Trucks mit seinem Inbound-Logistikkonzept die komplette Elektrifizierung des Anlieferverkehrs in das Werk Wörth.

In einem nächsten Schritt ist geplant, das Vorgehen auch auf die weiteren deutschen Werke im Produktionsverbund von Mercedes-Benz Trucks auszuweiten: Kassel, Mannheim und Gaggenau. Logistikpartner wie GV Trucknet spielen dabei eine zentrale Rolle.

Der Einsatz biete eine ideale Auslastung: Auf dem Hinweg befördern die Lkw Fahrzeugteile zur Produktionsversorgung, auf dem Rückweg transportieren sie leere Ladungsträger. Die einfache Strecke beträgt etwa 100 Kilometer. Weil der eActros 300 als Sattelzugmaschine mit einer Batterieaufladung bis zu 220 Kilometer Reichweite realisieren kann, müssen die Fahrer nicht unterwegs zwischenladen.

Elektro-Lkw-bei-Grosse-Vehne
Daimler Truck

Die E-Lkw können daher ausschließlich die Ladesäulen von GV Trucknet und Mercedes-Benz Trucks am Abgangs- und Zielort nutzen. Am Depot des GV Trucknet-Standorts in Kornwestheim steht den Fahrern eine Ladesäule mit einer Leistung von 160 kW zur Verfügung und im weltgrößten Produktionswerk von Mercedes-Benz Trucks ein ganzer Ladepark mit unterschiedlich dimensionierten Ladesäulen.

Bereits seit einiger Zeit setzt die Große-Vehne Spedition zwei reguläre eActros 300-Sattelzugmaschinen für die Mercedes-Benz Group AG ein, also ebenfalls in der Automobillogistik. Die Fahrzeuge pendeln im Rundlauf zwischen dem Motorenwerk Bad Cannstatt und dem Werk Sindelfingen. Die beiden batterieelektrischen Mercedes-Benz E-Lkw legen jeweils täglich etwa 180 Kilometer zurück und werden bis zur Errichtung der geplanten Ladeinfrastruktur auf einem Autohof aufgeladen. Diese Elektrifizierung bei der Mercedes-Benz Group AG war das erste Beratungsprojekt mit einem Industrieunternehmen der Consultants von Daimler Truck.

„Wir werden weitere E-Fahrzeuge in den Fuhrpark aufnehmen“

Bei den vier Elektro-Lkw soll es bei GV Trucknet nicht bleiben. „Wir werden weitere E-Fahrzeuge in den Fuhrpark aufnehmen“, kündigt René Große-Vehne an. Die Reichweite wurde intern unter optimalen Bedingungen ermittelt, u.a. mit drei Batteriepaketen nach Vorkonditionierung im teilbeladenen Verteilerverkehr mit Sattelanhänger bei 20°C Außentemperatur. Aktuell sei man mit weiteren Kunden darüber im Gespräch.

Wir haben ein sehr großes Interesse daran, die Elektro- und Wasserstoffmobilität sowie alternative Kraftstoffe einzusetzen und Erfahrung aufzubauen“, erläutert er. Entsprechend groß ist das Interesse auch am eActros 600 für schwere Aufgaben im Fernverkehr sowie am wasserstoffbetriebenen GenH2 Truck von Mercedes-Benz, der in Kürze in die Kundenerprobung geht.

Auftraggeber sind zunehmend an umweltfreundlichen Angeboten interessiert

Große-Vehne sieht ein wachsendes Interesse an umweltfreundlichen Logistikdienstleistungen bei seinen Auftraggebern. Einer der Gründe: Die verladenden Unternehmen haben sich vielfach selbst Klima- und Umweltziele gegeben. Viele von ihnen sind oder werden durch die neuen CSRD-Regeln (Corporate Sustainability Reporting Directive) berichtspflichtig und müssen dokumentieren, mit welchen Maßnahmen sie ihren CO2-Ausstoß verringern wollen. In dem Zusammenhang rückt bei ihnen auch die Logistik und der Umstieg auf CO2-armen Transport immer stärker in den Blick.

Die gesamte Firmenspitze von Große-Vehne stehe hinter der CO2-Neutralität, heißt es in der Mitteilung. Seit 2018 ist GV Trucknet eigenen Angaben zufolge als einer der ersten größeren Logistikdienstleister komplett CO2-neutral gestellt. Um den bisher nicht vermeidbaren CO2-Ausstoß auszugleichen, will der Firmenverbund bis Ende 2024 bereits eine Million Bäume gepflanzt haben.

Forderungen an die Politik: Infrastruktur-Aufbau und Planungssicherheit

Was die Investitionen angeht, konnte GV Trucknet für alle vier Elektro-Lkw wie auch für die Ladeinfrastruktur in Kornwestheim Zuschüsse aus dem KsNI-Förderprogramm des Bundes nutzen. Das macht den Einsatz auch wirtschaftlich attraktiver. Für den aktuellen Bedarf seien die Schnellladesäulen mit 160 kW auch ausreichend dimensioniert. Die Voraussetzungen für die Depot-Lade-Infrastruktur variieren jedoch von Standort zu Standort. Daher kann ein Ansatz für Speditionen darin liegen, Elektro-Flotten dort aufzubauen, wo die Bedingungen in Sachen Platz und Netzanschluss am günstigsten sind.

Aufgeschlossen zeigt sich Große-Vehne auch für Photovoltaik auf dem Dach, um die E-Lkw mit selbst erzeugtem Solarstrom zu bewegen und so deren Gesamtbetriebskosten zu verbessern. Auch hier gelten für die Standorte wieder unterschiedliche Voraussetzungen.

Weil GV Trucknet selbst mit gutem Beispiel vorangeht, hat René Große-Vehne keine Zweifel daran, dass die CO2-Neutralität auch auf Bundesebene gelingt. Die Bundesregierung strebt dieses Ziel bis 2045 an. „Warum sollten wir das nicht schaffen?“, so der Spediteur, und ergänzt: „Was haben wir für eine Alternative?

Große-Vehne würde sich für die Transport- und Logistikbranche aber etwas mehr Unterstützung auf dem Weg zur Klimaneutralität wünschen. Da wäre zum einen der flächendeckende Aufbau einer Lade- und Tank-Infrastruktur. „Wenn wir Elektro fordern, muss auch eine Infrastruktur aufgebaut werden, sonst wird es nicht funktionieren.“

Elektro-Lkw-Grosse-Vehne
René Große-Vehne, Geschäftsführer GV Management / Daimler Truck

Nach dem abrupten Ende des KsNI-Förderprogramms brauche die Branche ferner eine höhere Planbarkeit und Planungssicherheit. Aktuell sind Null-Emissions-Lkw auch nur bis Ende 2025 von der CO2-Maut befreit – für Große-Vehne ein zu kurzer Zeitraum, um die hohen Investitionen zu schultern.

Zu guter Letzt wirbt der Manager bei der Antriebswende für Standards. „Wir brauchen Industriestandards, die gefordert und gefördert werden.“ Standards hätten sich bewährt – gerade in der Logistik, wie der Siegeszug des Containers oder der Palette zeigt.

Quelle: Daimler Truck – Pressemitteilung vom 16.07.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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