Lexus RZ 450e: Akku-Allrad und Strom-Steuer – Erste Eindrücke

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Wolfgang Plank

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  —  Lesedauer 4 min

Rückenwind spüren sie bei Lexus, seit die CO2-Debatte tobt. Mit 90 Prozent fährt Toyotas noble Tochter in Sachen Hybrid-Quote seit Jahren vorneweg. Doch erst im Januar 2021 und nach immerhin 1,7 Millionen elektrifizierten Exemplaren wagten sich die Japaner mit dem UX 300e an das erste und bislang einzige reine E-Auto der Marke. Nun folgt mit dem RZ 450e der erste Stromer auf eigener Plattform. Ein wichtiger Schritt: Bis 2030 will die Marke in West- und Mitteleuropa komplett elektrisch unterwegs sein.

Optisch dominiert wie stets der Winkel. Vom diabolisch gezackten Grill bis zum kantigen Heck. Sogar der Dachspoiler trägt teufelsgleich Hörnchen – der besseren Aerodynamik wegen. Ansonsten aber gibt sich der RZ 450e höchst unsatanisch. Vorne thront man wie der Tenno. Umgeben von gepflegtem Ambiente und fernöstlichem Feinsinn. Warum sollte nicht auch im Auto gelten, was die Japaner „Omotenashi“ nennen?: Gastfreundschaft!

Noch darf man das 4,80 Meter lange Gefährt mit seinen 2,85 Metern Radstand nicht bewegen. Bestellen hingegen schon. Heute öffnet die Online-Reservierung, ausgeliefert wird – wenn Krieg und Krisen es erlauben – ab Januar 2023. Und so muss man vorerst vieles einfach glauben. Dass der 71,4-kWh-Akku für mehr als 400 Kilometer Radius reicht zum Beispiel. Oder auch, dass der Speicher nach zehn Jahren noch mehr als 90 Prozent Kapazität aufweist.

Lexus wirbt mit kompakten Aggregaten, bei denen E-Motor, Getriebe und Steuergerät zu einem Bauteil verschmelzen. Vorne arbeiten 150 kW, hinten 80 – koordiniert über die Eigenentwicklung Direct4. Sensoren erfassen Tempo, Lenkwinkel und G-Kräfte und berechnen die klügste Verteilung. Von Vollpackung vorne bis Maximalschub hinten – oder irgendwas dazwischen. Und das in weniger als einem Wimpernschlag – und damit schneller als jedes mechanische System. Ein Kniff, den der RZ 450e dem Toyota-Bruder bZ4X voraus hat. Aber irgendwo muss sich ja zeigen, dass die Konzern-Oberen Lexus die Führungsrolle bei der Elektrifizierung zugedacht haben.

Und man wäre nicht bei einer Nobelmarke, wenn die Ingenieure nicht auch ein wenig Raffinesse verbaut hätten. Im RZ 450e ist es optional eine elektrisch gesteuerte Lenkung: Dank „Steer by Wire“ geht die Drehbewegung nicht über althergebrachte Mechanik ans Lenkgetriebe, sondern per Datenfluss. Da gewinnt der Begriff Strom-Steuer eine völlig neue Dimension. Wem da ein wenig mulmig werden sollte: Lexus verspricht eine Ausfallsicherung für die Prozessoren und eine Notversorgung, falls plötzlich der Strom fehlen sollte.

Gewöhnungsbedürftig sieht das zugehörige Volant aus, das eben genau kein Lenk-Rad mehr ist und gut auch aus einem Formel-Auto stammen könnte. Übergreifen war gestern. Man kann es sich aber zum Glück auch sparen, weil von der Mittelstellung bis zum jeweiligen Anschlag nur 150 Grad nötig sind. Kleiner Trost für Traditionalisten: Runder Kranz samt starrer Säule ist auch im Angebot.

In jedem Fall besser ist die Sicht auf die Instrumente. Das beruhigt den Blick und sorgt dafür, dass der Fahrer seine Aufmerksamkeit ganz der Straße widmen kann. Am Ende soll stehen, was sie in Japan „Tazuna“ nennen: Die Philosophie, dass der Fahrer den RZ 450e mit ähnlich minimalen Bewegungen kontrolliert wie ein Reiter sein Pferd.

Weil die E-Motoren im Gegensatz zu Verbrennern bloß säuseln, machen verstärkt andere Geräusche von sich hören. Das der bis zu 20 Zoll großen Räder zum Beispiel. Lexus verspricht, dass all der störende Lärm da bleibt, wo er hingehört: draußen. Zum Einsatz kommt im RZ dabei auch eine neue Version der Active Sound Control, die gegenläufige Frequenzen über die Audio-Lautsprecher in den Innenraum leitet.

Und noch zwei Premieren hält der neue Lexus bereit. Das speziell beschichtete Glas des Panoramadachs reflektiert die Wärmestrahlung an sonnigen Tagen und hält bei kühler Witterung die Wärme drinnen. Statt Sonnenrollo verdunkelt ein elektrischer Dimmer. Und: Strahler auf Kniehöhe legen eine gefühlte Heizdecke über die Beine. Das spart Strom. Auch pfiffig: Erkennt der Totwinkel-Assistent drohendes Ungemach, lässt sich die Tür nicht öffnen.

Beim Preis hält sich Lexus noch bedeckt. Exklusivität indes ist in jedem Fall garantiert. Das zeigt schon ein Blick auf die bisherigen Absatzzahlen der Marke. Die anderen müssen beim Blick in den Rückspiegel also nicht ständig das Gefühl haben, womöglich sei doch der Teufel hinter ihnen her…

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Wolfgang Plank ist freier Journalist und hat ein Faible für Autos, Politik und Motorsport. Tauscht deshalb den Platz am Schreibtisch gerne mal mit dem Schalensitz im Rallyeauto.
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