Leasingfirmen drohen mit Ausstieg aus E-Auto-Geschäft

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Hannes Dollinger
Hannes Dollinger
  —  Lesedauer 4 min

Das Leasing von Elektroautos erlebte in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom, maßgeblich angetrieben durch die großzügige Förderung über den Umweltbonus. Doch das hat sich grundlegend gewandelt. Leasingunternehmen, die im europäischen Automarkt eine Schlüsselrolle einnehmen, sahen sich gezwungen, die Leasing-Preise für Elektroautos innerhalb der letzten drei Jahre zu verdoppeln. Der Hauptgrund für diese drastische Entwicklung liegt in den unerwartet niedrigen Restwerten der Elektroautos.

Die sinkenden Restwerte von Elektroautos haben verschiedene Gründe: Preissenkungen von Herstellern wie Tesla, Bedenken hinsichtlich der Ladeinfrastruktur, Unsicherheiten bezüglich der Batterielebensdauer und der Zustrom günstigerer chinesischer Elektroautos sind einige davon. Laut Daten der Firma Autovista lagen die Wiederverkaufswerte für Elektroautos in Deutschland Anfang Juli 24 Prozent unter dem Niveau vor der Pandemie. In Großbritannien war der Rückgang mit 30 Prozent sogar noch stärker. Im Gegensatz dazu blieben die Preise für gebrauchte Benzinmodelle in beiden Märkten etwa 15 Prozent höher als vor der Pandemie.

Die Situation wird zusätzlich dadurch verschärft, dass viele Elektroautos, die mit dem Umweltbonus gefördert wurden, nun auf den Gebrauchtwagenmarkt kommen. Dieser wurde 2016 von der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Autoherstellern eingeführt, um den Absatz von Elektroautos zu fördern und den Klimaschutz voranzutreiben. Der Erfolg dieser Maßnahme war beachtlich: Bis zum 1. Dezember 2023 wurden insgesamt 2,23 Millionen Elektrofahrzeuge staatlich gefördert, darunter 1,43 Millionen reine Elektroautos und knapp 805.000 Plug-in-Hybride. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zahlte in diesem Zeitraum über 10 Milliarden Euro an Fördermitteln aus. Die Nachfrage nach diesen Autos auf dem Gebrauchtwagenmarkt ist jedoch gering, da potenzielle Käufer oft neuere Modelle mit besserer Reichweite und mehr Funktionen bevorzugen. Gary Cambridge, Partner bei dem Gebrauchtwagenhändler Cambridge Motors in London, meint: „Die Menschen haben gebrauchte Elektroautos schon akzeptiert, aber sie müssen günstig sein. Wenn sie teuer sind, will sie niemand.“

Eine Vielzahl von Herausforderungen also, die das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen. Tim Albertsen, CEO von ALD, einem der führenden Leasingunternehmen Europas, äußert sogar die Befürchtung, dass einige Firmen möglicherweise komplett aus dem Elektroauto-Markt aussteigen könnten. Dies droht insbesondere dann, wenn Regulierungsbehörden eine zu schnelle Elektrifizierung der Flotten erzwingen sollten. Die Europäische Kommission erwägt nun nämlich noch weitere Maßnahmen zur Beschleunigung der Elektroauto-Adoption, besonders durch Unternehmensflotten. Das könnten Quoten für Elektroautos in der Flotte sein, was die Restwertrisiken für Leasingunternehmen wiederum noch weiter erhöhen würde. Richard Knubben, Generaldirektor von Leaseurope, warnt: „Je größer der Anteil von Elektrofahrzeugen in ihren Portfolios wird, desto größer wird dieses Problem sein.“

Leasingunternehmen drohen finanzielle Verluste

Diese Entwicklungen haben erhebliche Auswirkungen auf den Leasingmarkt. Leasinggesellschaften kalkulieren ihre Preise basierend auf der erwarteten Wertminderung eines Autos über die Leasingdauer. Wenn die Gebrauchtwagenpreise am Ende der Leasingzeit niedriger ausfallen als erwartet, erleiden die Leasingfirmen finanzielle Verluste. Bart Beckers, stellvertretender CEO von Arval, dem Leasingunternehmen der französischen Bank BNP Paribas, bestätigt: „Wie andere Marktführer war auch Arval bereits gezwungen, die Preise aufgrund niedrigerer Restwerte zu erhöhen.“ Kein Wunder, dass Leasing Firmen grundsätzlich nicht besonders interessiert an Elektroautos sind. 

In Deutschland, dem größten Automarkt Europas, zeigen Daten des CAR Center Automotive Research einen deutlichen Anstieg der Leasingkosten für Elektroautos: Während im August 2021 ein Leasing für ein 45.000 Euro teures Elektroauto 284 Euro pro Monat kostete, deutlich weniger als die 473 Euro für ein vergleichbares Verbrennermodell, haben sich die Kosten für das Elektroauto-Leasing aktuell auf 621 Euro mehr als verdoppelt. Die Kosten für den Verbrenner sind hingegen leicht auf 468 Euro gesunken.

Ein wichtiger Faktor in dieser Entwicklung ist die Bedeutung von Firmenwagen im europäischen Automarkt. Laut Berechnungen der Umweltorganisation Transport & Environment, machen Firmenwagen 60 Prozent aller Neuzulassungen in der EU aus. Bei Elektroautos wird der Anteil sogar auf bis zu 80 Prozent geschätzt. Das zeigt welchen Stellenwert die Leasingunternehmen und Unternehmensflotten auch bei der Verbreitung von Elektroautos spielen.

Wie Leasingunternehmen gegensteuern

Um den Problemen zu begegnen, ergreifen Leasingunternehmen verschiedene Maßnahmen: Sie verlängern die Leasingdauer für Elektroautos, vermieten Autos mehrfach zu günstigeren Konditionen, verlängern die Haltedauer im Portfolio auf bis zu acht Jahre und prüfen Versicherungslösungen zur Absicherung gegen Restwertrisiken. Doch ob das in dem sich schnell verändernden Markt reicht, ist ungewiss. Auch die Hersteller sind in der Pflicht. So haben einige bereits damit begonnen, Leasingfirmen für den Wertverlust von gebrauchten Elektroautos zu entschädigen.

Das drohende Szenario, einige Leasinganbieter könnten ganz aus dem Elektroautosegment aussteigen, könnte der Elektromobilität erheblichen Schaden zufügen. Gerade angesichts des hohen Anteils von Firmenwagen an den Neuzulassungen. Gleichzeitig macht die rasante Entwicklung von Elektroautos, insbesondere in Bezug auf Ladegeschwindigkeit und Reichweite, gebrauchte E-Autos für viele Käufer weniger attraktiv.

Eine Normalisierung des Gebrauchtwagenmarktes für Elektroautos wird erst dann eintreten, wenn diese Faktoren bei gebrauchten Modellen mit denen von neuen Elektroautos mithalten können. Sollte dies nicht bald eintreten, weil Elektroautos sich schnell weiterentwickeln, müssen Leasinganbieter und Hersteller alternative, attraktive Lösungen finden, um die Verbreitung von E-Autos weiter voranzutreiben und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle entwickeln.

Quelle: Reuters – Leasing model behind Europe’s EV drive at risk of breakdown / ADAC e.V: – Umweltbonus: Plötzliches Aus für die Förderung von E-Autos

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Hannes Dollinger

Hannes Dollinger

Hannes Dollinger schreibt seit Februar 2023 für Elektroauto-News.net. Profitiert hierbei von seinen eigenen Erfahrungen aus der Welt der Elektromobilität.

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Autojoe:

Ist auch verständlich, die Technologie ändert sich von Jahr zu Jahr weitaus schneller als bei den Verbrennerautos.

Niko8888:

Da gab es doch vielfach Leasingsangebote von unter 100€ im Monat.

Da muss man kein Fachmann sein um zu verstehen, dass das niemals kostendeckend sein kann

Die absehbaren Verluste jetzt auf die Restwerte zu schieben ist Irreführung der Öffentlichkeit

Chris:

Ja, die sinkenden Restwerte von Elektroautos sind ein Problem, da es überwiegend Fahrzeuge der ersten (richtigen) eAuto-Generation betrifft, die alltagstauglich waren. Soll heissen, eAutos ab 2020!

Mir spielte es sprichwörtlich in die Kaufentscheidung. Wir mussten uns Anfang des Jahres von unserem 19 Jahre alten Verbrenner trennen und da kam uns die große Zahl an Leasingrückläufern natürlich gelegen!!! Ein voll ausgestatteter Hyndai Kona electro (Premium @ ALL) für schlappe 20.000 Euro, welcher 3 Jahre zuvor für 50.000 Euro auf den Markt kam (als Leasinfahrzeug für 199 Euro Monatlich ohne Anzahlung wegen des Umweltbonuses) … klar, dass es unmöglich ist, bei den Konditionen den Wertverlust über die Leasingzeit einzuspielen! Hyndai hat in den 3 Leasing-Jahren zudem zwei Facelifts am Kona durchgeführt! Somit haben wir ein VOR-VOR-Facelift-Model gekauft, was so theoretisch niemand mehr kaufen würde… Und Hyndai hat in 2020 und 2021 massenhaft eKonas per Leasing rausgehauen!!!
Da stehen nun super ausgestattete Premium-Varianten mit großem 64 kWh-Akku und wenigen KM (und einem ehem. Listenpreis von 50.000 Euro) bei den Händlern als Leasingrückläufer auf dem Hof, und sind eigentlich durch die zwei Facelitfs nahezu unverkäuflich geworden!

Gut für uns, da wir einen super Deal gemacht haben. – – – Für 20.000 Euro ein eAuto mit 64er Akku bzw. echten 430 KM Reichweite im Realbetrieb, Premium-Vollausstattung, welche nichtmal der heutige ID3 bietet und dazu noch die 4,5 JAHR VOLLE Hyndai-Hersteller-GRARNTIE auf das GANZE Fahrzeug (nicht nur Akku und Motor)!!!

Hallo, da braucht Man(n) und Frau nicht lange überlegen! VW ID3 ist bei solcher Gebrauchtmarktlage sofort RAUS.

Und das wird sich noch mehr verschärfen, da die heutige neue eFahrzeuge, was Ladegeschwindigkeit und Reichweite angeht, noch weiter auseinander gehen werden gegenüber eFahrzeugen von 2020, 2021, 2022 und auch noch 2023!!! Daher wer heute ein eAuto kaufen möchte, der sollte sich die super guten Leasingrückläufer anschen, solange diese noch so PREISWERT sind!

Pedro G.:

Aber bei der Rückgabe des Fahrzeuges wird mann dann zu Kasse gebeten .
Es ist schwierig gegen die fadenscheinigen Bewertungen anzukämpfen !

Pedro G.:

Mein E-Auto Kaufpreis € 38.000
Nach 3 Jahren und 16.000 km
Laut seriösen Bewertung durch Autofahrer Club € 23.000 Wert
Die Plattform “ Wir kaufen……“ ist bei Elektro ausgestiegen
Ein Andere hat bei einem Wunschpreis von mir € 17.000
das der Preis für Sie zu teuer wäre !
Auf Willhaben wäre der günstigste bei € 19.990
Beim Autohändler von € 23.000 – 27.000 bei ähnlichen Werten.

Interessant wäre ob bei den Restwert-Leasingvertägen der angegebene Restwert auch haltbar ist !

Hwissing:

Ohh dieses ewige Gejammere!
Wer auf eine neue sich entwickelnde Technologir umsteigt, muss damit rechnen, dass das was er hat, schnell nicht mehr Stand der Technik / Bedürfnisse ist und der Wert sinkt. Man denke an die Entwicklung des Mobiltelefons zum Handy. Über die heutigen vermeintlichen Rechweitenprobleme werden wir in 2 – 3 Jahren mit der neuen Batterietechnik nur noch schmunzeln. Wer will dann noch Verbrenner? Dann stimmen die Vorhersagen für die Restwerte wieder nicht.

Matze:

ALD geht gar nicht! Unprofessionell und unseriös! Mach ich nie wieder!

Thorsten G.:

ALD hat ganz andere Probleme. Der Saftladen hat es geschafft, mein Leasingfahrzeug, einen Smart #3, nicht zu bestellen und rausgekommen ist es nur weil Smart mich irgendwann angeschrieben hat, dass dem so ist.

Gastschreiber:

Echt blöde, dass das Risiko falsch eingeschätzt wurde und natürlich ist nicht die eigene Gier, der Grund sondern die immer gleichen vorgeschobenen Gründe.
Komisch nur, dass Flotten mit ähnlichen Geschäftsmodellen oder rein auf Elektroautos spezialisierte Anbieter, wie Nextmove als Beispiel, es irgendwie scheinbar doch hinbekommen.
Und ja, es gibt, der Hersteller wurde ja explizit genannt, Firmen, da kommt man auf keinen grünen Zweig, auch weil diese Firme an B2B weniger Interesse hat als am direkten Endkundengeschäft, aber dann gleich alle über einen Kamm scheren ist wohl ein bisschen zu sehr Mimimimimi.

Philipp:

Ach ja, zuerst supermassive Gewinne einsacken, als die Restwerte der Leasingrückläufer wegen Chipmangel explodiert waren (sowohl Verbrenner als auch BEV) und jetzt jammern.

Aber jammern gehört bekanntlich zum Geschäft.

Die Automobilhersteller müssen aber weiterhin ihre CO2-Quoten erfüllen. Wenn dies nicht über Leasingfirmen geht, müssen Barzahler und Kreditnehmer ausgleichen und bekommen bessere Konditionen. Gut für Käufer.

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