Ein Kommentar von Daniel Krenzer
Ohne E-Fuels, ohne uns – so lautet aktuell offenbar das Motto bei der FDP. Woher kommt diese Liebe zu synthetischen Kraftstoffen? Geht es wirklich darum, Klimawandel und Arbeitsplatzsicherung im Autoland Deutschland unter einen Hut zu bekommen, wie es die Liberalen darstellen? Oder geht es vielleicht vielmehr darum, im Umfragetief nach Wählergunst im Diesel-Dieter-Metier zu fischen? Eine Betrachtung.
Was sind die Fakten?
Die EU hat das Verbot der Neuzulassungen von Fahrzeugen nach 2035 beschlossen, die nicht emissionsfrei betrieben werden können. Diese Kriterien erfüllen in erster Linie vollelektrische Fahrzeuge, auch Wasserstofffahrzeuge dürften weiterhin genutzt werden. Unter anderem die FDP hat aber darauf gedrungen, den EU-Beschluss mit einem Prüfauftrag zu versehen, ob nicht auch Verbrenner-Fahrzeuge über 2035 hinaus mit klimaneutralen E-Fuels, die analog zu Benzin und Diesel verwendet werden können, betrieben werden dürfen.
Am morgigen Dienstag sollte eigentlich der Europarat abschließend über das Gesetz abstimmen. Dies wurde nun jedoch erst einmal verschoben. Zuvor hatte die FDP gedroht, dass die Bundesregierung die Zustimmung verweigern könnte, weil sich ihrer Ansicht nach die EU nicht wie gefordert mit der Möglichkeit der E-Fuels auseinandergesetzt hat.
Worum geht es überhaupt?
In der Berichterstattung in den vergangenen Tagen werden mitunter zwei unterschiedliche Dinge miteinander vermischt. Zum einen geht es um die Frage, ob Bestandsfahrzeuge ab 2035 weiterhin mit E-Fuels als klimaneutralem Treibstoff betrieben werden dürfen. Auf der anderen Seite wirft die FDP die Frage auf, ob nicht auch nach 2035 weiter Neufahrzeuge mit Verbrennermotoren neu zugelassen werden können, wenn diese mit E-Fuels betankt werden würden. Selbst aus dem grünen Wirtschaftsministerium waren zuletzt Stimmen zu hören, die sich dies vorstellen können – falls denn sicher gestellt sei, dass die Motoren ausschließlich mit klimafreundlichen, synthetischen Kraftstoffen betankt werden können.
Wie das bei chemisch quasi identischen Substanzen wohl funktionieren soll?
Der emotionale Hintergrund
Viele setzen in E-Fuels ihre Hoffnungen, weil dann alles so bleiben könnte wie bisher. Die Autos fahren mit Verbrennermotor, es wird getankt wie immer, die Reichweite ist wie immer, das Auto dröhnt wie immer. Bloß keine Veränderungen. Oder liberal gesprochen: die Freiheit für Stillstand bewahren.
Diesel-Dieter gefällt das.
Der wirtschaftliche Hintergrund
Ja, E-Fuels aus erneuerbaren Energien sind klimaneutral. Allerdings ist ihre Herstellung sehr energieintensiv, es wird ein Vielfaches mehr Strom für die Bewältigung derselben Strecke benötigt als bei batterieelektrischen Fahrzeugen. Mobilität mit E-Fuels ist also im Vergleich ineffizient und – das blenden viele aus – teuer.
Trotzdem haben E-Fuels ihre Berechtigung. Dort, wo eine Energiespeicherung in der nötigen Menge in Akkus aus Kapazitäts- oder Massegründen schwer umsetzbar ist, könnten E-Fuels oder Wasserstoff klimaverträgliche Alternativen sein. Also in Schiffen, Flugzeugen, Zügen, sehr schweren Lkw. Für Autos ziehen es nur sehr wenige Hersteller überhaupt in Betracht, unter anderem hat Porsche das für sich nicht ausgeschlossen. Aber die Marke hat auch das entsprechende Kundenklientel, das bei 5 oder 6 Euro pro Liter an der Zapfsäule nicht gleich einen Weinkrampf bekommt. Allerdings wäre für eine flächendeckende Versorgung mit E-Fuels ein dekadenter Verbrauch von regenerativen Energien notwendig. Und natürlich verschwinden bei einem solch großen technischen Wandel manche Arbeitsplätze, doch dafür entstehen andere.
Der politische Hintergrund
Die FDP ist zuletzt in den Umfragen auf sehr niedrige Werte gesunken und hat mehrere Landtagswahlen mit erheblichen Verlusten hinter sich. Der Druck, sich in der Wählergunst zu profilieren ist hoch. Es ist schwer vorstellbar, dass innerhalb der FDP nicht begriffen wird, dass E-Fuels in der individuellen Mobilität zukünftig allenfalls eine Nischenrolle spielen könnten. Aber das wissen viele der E-Auto-Skeptiker nicht, die die Veränderung scheuen – und bei diesem emotional belegten Thema nun in der FDP ihren Hoffnungsträger sehen könnten. E-Fuels sind der flüssige Strohhalm, an den die FDP sich derzeit klammert.
Rückenwind bekommt die FDP dabei von Mineralölkonzernen, die nachvollziehbarerweise in E-Fuels ihre Chance zum Überleben abseits von Ladesäulen wittern. Günstige Preise für E-Fuels durch Billig-Produktion in Nordafrika oder auf der arabischen Halbinsel werden erhofft, neue Abhängigkeiten wären jedoch die Folge. Manch einer fordert gar, E-Fuels nicht oder nur gering zu versteuern, um sie wettbewerbsfähig zu machen. Aber irgendwo muss das Geld für den Staat ja herkommen, die Infrastruktur muss schließlich weiterhin finanziert werden – eine klassische Milchmädchenrechnung.
Die Auswirkungen der FDP-Linie
In der Ampelregierung brodelt es. Schließlich ist es nicht das erste Mal, dass im Koalitionsvertrag vereinbarte Inhalte nachträglich von der FDP infrage gestellt werden. Das Aussetzen der Abstimmung im Europarat wirft kein gutes Licht auf Deutschland, das international in Gefahr gerät, zunehmend als bremsende Kraft im Kampf gegen den Klimawandel wahrgenommen zu werden. Wirtschaftsunternehmen könnten sich bemüßigt fühlen, auf das trojanische FDP-Pferd aufzuspringen und auf E-Fuels zu setzen.
Das Risiko, nicht rechtzeitig abzuspringen und im Pferd zu verbrennen, wäre enorm.
Die Einschätzung
Der Hype um E-Fuels ist unsinnig und aufgebauscht. Gerade die FDP sollte wissen, dass der Markt so etwas regelt. Und der findet E-Fuels bislang aus genannten Gründen reichlich uninteressant. Es kommt nicht von ungefähr, dass weite Teile der Automobilbranche sich schon längst einer vollelektrischen Zukunft verschrieben haben.
Gegen Technologieoffenheit, wie die FDP ihre Linie benennt, ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings sollte jede Technologie dort eingesetzt werden, wo sie nachweislich Sinn ergibt. E-Fuels ergeben durchaus Sinn, allerdings nicht für Neufahrzeuge. Als Übergangslösung für Bestandsfahrzeuge sowie für den Schwerstverkehr haben sie durchaus ihre Berechtigung und sollten mit zweiter Priorität hinter dem effizienterem Wasserstoff gefördert werden. Wenn es der FDP darum geht, dann Weg frei.
E-Fuels aber als den Treibstoff der Autos der Zukunft herbeizureden, ist angesichts der Fakten allerdings billiger Populismus – und zudem schädlich für den Zusammenhalt der ohnehin auf fragilen Beinen stehenden Ampel-Regierung.