Es gibt viele Gründe, warum wir den Klimaschutz konsequent vorantreiben müssen. Je mehr sich unser Planet aufheizt, umso mehr müssen wir uns unter anderem mit zahlreichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, Todesfällen durch Hitze und Überflutungen, der Belastung von Ökosystemen, dem Verlust von Artenvielfalt sowie der Minderung unserer Lebensqualität auseinandersetzen. All dies bringt auch finanzielle Schäden bzw. Folgekosten mit sich – die eine aktuelle Studie konkret beziffert.
Von 2000 bis 2021 seien durch die Folgen der Klimakrise mindestens 145 Milliarden Euro Schäden entstanden, alleine 80 Milliarden davon seit 2018. Bis zur Mitte des Jahrhunderts rechnen die Forschenden je nach Ausmaß der Erderwärmung mit kumulierten volkswirtschaftlichen Schäden in Höhe von 280 bis 900 Milliarden Euro. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beauftragt und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) fachlich begleitet wurde.
Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH (GWS) und die Prognos AG haben die unterschiedlichen Kostendimensionen von Klimaschäden systematisiert, die Schäden der Extremereignisse seit 2000, insbesondere durch die Hitze- und Dürresommer 2018/2019 und durch die Flutkatastrophe 2021 analysiert sowie zukünftige Schadens- und Anpassungskosten für unterschiedliche Handlungsfelder modelliert. Je nachdem, wie stark die Anstrengungen für mehr Klimaschutz sowie die Anpassung an den Klimawandel umgesetzt werden, entwickeln sich die künftigen Folgen der Klimakrise in ihrer Intensität und den entstehenden Kosten.
Die Studie kommt auch zu dem Ergebnis, dass die möglichen Schadenskosten des Klimawandels durch rein monetäre Investitionen in Anpassungsmaßnahmen je nach Ausprägung der Klimakrise vollständig (schwacher Klimawandel), um 80 Prozent (mittlerer Klimawandel) oder um 60 Prozent (starker Klimawandel) reduziert werden könnten. Insbesondere naturbasierte Lösungen, wie etwa die Kohlenstoffspeicherung in Vegetation und Boden durch den Erhalt von Wäldern oder Mooren, können sowohl Treibhausgase mindern, als auch zur Anpassung an Klimawandelfolgen beitragen.
„Jeder in den Klimaschutz investierte Euro verringert die volkswirtschaftlichen Kosten“
„Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass wir ambitionierten Klimaschutz sehr ernst nehmen müssen. Sonst besteht die Gefahr, künftigen Generationen hohe Schadenskosten aufzubürden“, sagt Stefan Wenzel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. „Die Klimaveränderungen haben schon heute schwere ökonomische Folgen, die massiv anwachsen können. Jeder in den Klimaschutz investierte Euro verringert die volkswirtschaftlichen Kosten, die durch Extremweiterereignisse künftig entstehen können.“
„Die Folgen der Klimakrise beeinträchtigen den Wohlstand in Deutschland erheblich“, erklärt Umweltstaatssekretärin Christiane Rohleder. Investitionen in ambitionierten Klimaschutz und vorsorgende Klimaanpassung seien entscheidend, um die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme zu erhöhen. Das diene auch dem Schutz der Menschen: „Mit einer vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie und einem Klimaanpassungsgesetz werden wir einen verlässlichen strategischen Rahmen für die Klimavorsorge in Deutschland schaffen. Die Zahlen der Studie zeigen deutlich, dass es für die Klimaanpassung einen enormen Finanzierungsbedarf gibt. Die Zahlen zeigen aber auch, dass die Kosten ohne wirksame Klimaanpassung noch viel höher sein werden.“
Beschleunigte Transformation des Energiesystems dringend nötig
Unter Federführung des Bundesumweltministeriums arbeitet die Bundesregierung derzeit an einer vorsorgenden Strategie zur Klimaanpassung mit messbaren Zielen. Sie ist eines der Kernelemente des Klimaanpassungsgesetzes, dessen Entwurf das BMUV bald in die Ressortabstimmung geben werde. Mit diesem Gesetz soll ein strategischer Handlungsrahmen für die Klimaanpassung in Deutschland geschaffen werden. Seit Herbst 2022 entwickeln Bund und Länder Lösungen für eine zukunftstaugliche, gemeinsame Finanzierung der Klimaanpassung. Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) sollen durch die Klimakrise besonders belastete Ökosysteme geschützt, gestärkt und wiederhergestellt werden. Auch die Nationale Wasserstrategie setzt auf naturbasierte Lösungen, um einen nachhaltigen Umgang mit Wasserressourcen zu sichern.
Für das Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium stehe die beschleunigte Transformation des Energiesystems ganz oben auf der Agenda. Hier müsse Deutschland das Tempo deutlich erhöhen. Mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und dem neuen Ausbauziel von 80 Prozent in 2030 hat die Bundesregierung bereits einen zentralen Akzent gesetzt. Es ist die weitreichendste Novelle des EEG seit Existenz des Gesetzes. Das BMWK will in diesem Jahr noch weitere dringend nötige Planungsbeschleunigungen bei Solar- und Windkraft umsetzen. Gleichzeitig arbeitet die Bundesregierung an einem ambitionierten Hochlauf der Wasserstofftechnologie. Nicht zuletzt muss Energie effizienter genutzt werden, damit weniger Energie erzeugt werden muss.
Leopoldina skizziert Leitideen
Um in Deutschland und Europa die Pariser Klimaziele zu erreichen, muss das Energiesystem dringend transformiert werden. Wichtig ist zudem die Bereitstellung von Technologien, die dies auch weltweit ermöglichen. Der Handlungsbedarf ist groß, weil vielfältige internationale Krisen wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine Zielkonflikte verschärfen und die globale Kooperation erschweren, die notwendig ist, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Das aktuell veröffentlichte Leopoldina-Diskussionspapier „Leitideen für die Transformation des Energiesystems“ erörtert hierzu Ansätze für eine effektive und tragfähige Energiewende. Das Papier bildet einen Input für den Forschungsgipfel von Stifterverband, Expertenkommission Forschung und Innovation, VolkswagenStiftung und Nationaler Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der am 28. März in Berlin stattfindet.
Erforderlich seien Transformationsstrategien, die von den zu erreichenden Zielen her konzipiert, daher möglichst technologieoffen sind und so weit wie möglich die Attraktivität privater Investitionen in die Transformation erhöhen, so die Autorinnen und Autoren. Dafür sei vor allem die Klärung von Rahmenbedingungen für Investitionen und deren Verlässlichkeit zentral. Parallel sollen Anreize und Vorgaben eine effizientere Energienutzung bewirken. Damit die Energiewende gelingt, sei ein breiter gesellschaftlicher Partizipations- und Diskussionsprozess wichtig, für den das Diskussionspapier Leitideen vorstellt.
Zum Thema Kohlenstoffkreislaufmanagement weisen die Autorinnen und Autoren darauf hin, dass parallel zur ersten Phase der Klimapolitik – der drastischen Verminderung der Emissionen – die zweite Phase der Klimapolitik bereits jetzt beginnen muss. In dieser zweiten Phase werden nicht vermeidbare Emissionen der Atmosphäre wieder entnommen. Für die notwendigen Technologien und Maßnahmen müssen ausreichende Anreize zur Innovation geschaffen werden. Für die Zertifizierung der Technologien brauche es ein Rahmenwerk auf EU-Ebene, so die Fachleute.
Hinsichtlich der Klimapolitik empfiehlt das Diskussionspapier eine europäische und ressortübergreifende Weiterentwicklung, die statt auf protektionistische Elemente auf eine Vertiefung der Kooperationen innerhalb der EU und mit Drittstaaten setzt. Ein wichtiges Instrument in der Klimapolitik sollte der Ausbau des europäischen Emissionshandels zu einem einheitlichen, transparenten, langfristig tragfähigen und alle Emissionen umfassenden Steuerungsrahmen sein.
Das Energiesystem der Zukunft: Erneuerbare und Wasserstoff
Ein künftig auf erneuerbaren Energien basierendes Energiesystem wird zu einem erheblichen Maß auf Elektrizität beruhen, schreiben die Expertinnen und Experten. Weil der Energieertrag aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft schwankt und Speichertechnologien bisher nur begrenzte Kapazitäten haben, müssen auch stoffliche Energieträger eine zentrale Rolle spielen, insbesondere Wasserstoff. Dieser sollte dort produziert werden, wo die Energieerzeugung aus Photovoltaik oder Windenergie sehr kostengünstig ist, um die Umwandlungsverluste zu kompensieren. Dies könne zudem in Ländern mit niedrigem Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.
Die Autorinnen und Autoren weisen auf die Notwendigkeit hin, den Netzausbau für stoffliche Energieträger und Strom entschieden voranzutreiben. Da jedoch Wasserstoff und seine Derivate auf längere Sicht nicht in der Höhe des für Deutschland voraussichtlich bestehenden Bedarfs verfügbar sein werden, müsse die Energieversorgung noch längere Zeit auch auf Erdgas beruhen. Deshalb seien für eine Übergangszeit parallele Strukturen für Erdgas, Wasserstoff und Wasserstoff-Derivate notwendig. In der Umstellungsphase müsse die Rolle von Gaskraftwerken gestärkt werden.
Nicht zuletzt empfehlen die Expertinnen und Experten, an der Transformation des Energiesystems das ganze Spektrum der Wissenschaftsdisziplinen zu beteiligen, zum Beispiel auch die Wirtschafts-, Sozial-, Verhaltens- und Politikwissenschaften. In den Technikwissenschaften sei die Organisation der Schnittstelle zwischen Forschung und industrieller Nutzung von entscheidender Bedeutung.
Die Veröffentlichung ist ein Beitrag in Vorbereitung auf den diesjährigen Forschungsgipfel am 28. März. Der Forschungsgipfel zeigt einmal im Jahr Zukunftsperspektiven für das deutsche Forschungs- und Innovationssystem auf und gibt Orientierung für strategische Entscheidungen. Er fördert als interdisziplinäres Forum Dialog und Vernetzung. Veranstalter des Forschungsgipfels sind der Stifterverband, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) sowie die VolkswagenStiftung.
Quelle: BMWK – Pressemitteilung vom 06.03.2023 / Leopoldina – Pressemitteilung vom 06.03.2023