Volkswagen treibt seine Digitalisierungsinitiativen voran und soll dafür beschlossen haben, Google Workspace umfassend zu implementieren. Die Wolfsburger setzten nach einer erfolgreichen Testphase nun darauf, ihre gesamte IT-Infrastruktur für die Zukunft der Elektromobilität zu optimieren. Die Informationen stammen aus internen Quellen des VW-Konzerns, die Beatrice Bohlig und Henning Krogh vom Hamburger Redaktionskontor ‘BeHonest’ zugespielt wurden.
In einem Schreiben, das im Volkswagen-Intranet am 07. Mai online ging, gibt Hauke Stars, seit Februar 2022 im VW Konzernvorstand für den Bereich IT/ Digitalisierung zuständig, zu verstehen, dass nach einem Pilotprojekt mit 200 Mitarbeiter:innen Google Workspace auf breiter Basis im Unternehmen eingesetzt werden soll. Aufgrund des Pilotprojekts, aus dem das Feedback durchweg positiv war, wolle man weitere 60.000 Lizenzen für Google Workspace bereitstellen. Diese Entscheidung unterstreicht VWs Engagement, den digitalen Arbeitsplatz zu verändern und die Grenzen zwischen herkömmlichen Office-Lösungen und modernen, Cloud-basierten Alternativen zu verwischen.
Hauke Stars, die IT-Vorständin des Volkswagen Konzerns, erklärte, dass die Zentrierung auf den Nutzer, neben Schnelligkeit und Wertbeitrag, das Hauptversprechen ihrer Abteilung sei. Die Ausweitung des Angebots an digitalen Arbeitsplattformen ziele darauf ab, die Zusammenarbeit innerhalb des Konzerns zu vereinfachen und effizienter zu gestalten. “Unser Ziel ist es, den Kolleginnen und Kollegen das beste digitale Tool aus unserem Portfolio bereitzustellen, damit sie ihre Arbeit optimal ausführen können”, so Stars.
Das digitale Werkzeugpaket von Google umfasst Gmail, Google Drive, Docs, Sheets und Slides. Es ermöglicht den Nutzer:innen, in Echtzeit zu kollaborieren, Dokumente gemeinsam zu bearbeiten, Kalender zu teilen und über verschiedene Geräte hinweg zu kommunizieren. “Ziel ist es, unseren Kolleginnen und Kollegen das Digital-Tool aus unserem Portfolio bereitzustellen, mit dem sie am besten und effizientesten arbeiten”, so die IT-Vorständin weiter. Die genauen Termine werde die IT im Herbst bekannt geben.
Gilberto Rodrigues de Moura, Leiter des Digital Workplace bei VW, betont laut dem im Intranet veröffentlichten Schreiben die Kosteneffizienz von Google Workspace als einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Lösungen wie Microsoft Office. Er wies darauf hin, dass im letzten Jahr eine fünfjährige vertragliche Partnerschaft mit Google abgeschlossen wurde. Ein sechswöchiges Pilotprojekt im Werk Wolfsburg, in dem Mitarbeiter:innen die Tools im realen Produktionsumfeld des VW Tiguan testeten, verlief demnach erfolgreich und bestätigte die Machbarkeit und Wirksamkeit dieser neuen Arbeitsumgebung.
“Nach der erfolgreichen Erprobung haben wir uns entschieden, den Google Workspace in naher Zukunft großflächig auszurollen. Wir haben dafür ein Projekt aufgesetzt, mit dem Ziel, die Google Workspace Plattform in unseren Produktkatalog und Unternehmensprozesse zu integrieren”, so Rodrigues de Moura weiter.
Nach der Einführung von Google Workspace soll Volkswagen planen, die Plattform kontinuierlich zu erweitern. Es seien Funktionen wie No-Code- und Low-Code-Software sowie KI-Anwendungen geplant, die zur Automatisierung und Vereinfachung von Workflows in verschiedenen Fachbereichen beitragen sollen. “Das zentrale Projektteam wird aktiv über alle Entwicklungen rund um die Google Tools informieren”, so der Artikel im VW-Intranet abschließend. Das deutet derzeit zumindest auf ein perspektivisches Aus für Microsoft im VW-Konzern hin. Doch folgt da noch mehr?
Unsere Einordnung: Sparmaßnahme oder Schritt in die Zukunft?
Die umfassende Einführung von Google Workspace bei Volkswagen ist nicht nur ein Schritt zur Modernisierung des Arbeitsplatzes oder eine Kostenersparnis gegenüber Microsoft. Sondern spiegelt auch die größere strategische Ausrichtung des Unternehmens wider, insbesondere im Hinblick auf die Elektromobilität. VW setzt stark auf die Entwicklung und das Rollout seiner elektrischen ID.-Fahrzeugfamilie, und die Integration von fortschrittlicher, Cloud-basierter Technologie wie Google Workspace scheint ein zentraler Bestandteil dieser Zukunftsvision zu sein.
Die enge Verzahnung von digitalen Arbeitswerkzeugen und Fahrzeugtechnologie kann zu erheblichen Synergien führen. Beispielsweise könnte die verbesserte Kollaborationsfähigkeit und Datenintegration, die Google Workspace bietet, die Entwicklung und Produktion von Elektroautos beschleunigen. Ingenieur:innen, Designer:innen und Produktionsmitarbeiter:innen könnten nahtlos zusammenarbeiten, unabhängig von ihrem physischen Standort. Diese Flexibilität und Effizienz sind entscheidend, um den wachsenden Anforderungen an die Elektromobilität gerecht zu werden und VWs Wettbewerbsfähigkeit in diesem schnell wachsenden Segment zu sichern.
Ferner könnte die Nutzung von Googles KI- und Machine-Learning-Funktionen dazu beitragen, dass Volkswagen seine Fahrzeuge intelligenter und vernetzter macht. Dies gilt besonders für die ID.-Reihe, bei der Innovation und Technologieführerschaft im Vordergrund stehen. Die Analyse großer Datenmengen, sei es zur Fahrzeugwartung oder zur Optimierung der Batterielebensdauer, wird durch Tools wie Google Cloud erleichtert. Dies kann zu einer verbesserten Benutzererfahrung für die Endkund:innen führen und gleichzeitig die betriebliche Effizienz und Nachhaltigkeit bei Volkswagen steigern.
Volkswagen steht somit vor einer doppelten Transformation: Einerseits treibt das Unternehmen seine Digitalisierung voran, andererseits formt es aktiv die Zukunft der Mobilität mit seiner Elektroauto-Initiative. Der Wechsel zu Google Workspace könnte somit weit mehr als nur eine Änderung der bevorzugten Bürosoftware sein; er ist ein strategischer Schritt, der den Weg für innovative, umweltfreundliche Technologien ebnet und VW dabei unterstützt, seine Vision einer nachhaltigeren Zukunft zu verwirklichen.
Cariad und der VW-Konzern – eine Hass-Liebe
Und wer weiß, eventuell hält künftig auch noch Google-Auto in der ID.-Reihe Einzug? Denn wie bereits mehrfach in der Vergangenheit berichtet, steht es scheinbar alles andere als gut um die Software-Tochter Cariad von VW. Die Verzögerungen bei der Entwicklung und Auslieferung von Software und Auto-Modellen betreffen Marken wie VW, Audi und Porsche. Und das nicht erst seit gestern. Schon länger beobachten wir die Entwicklungen rund um Cariad.
CEO Oliver Blume hat Ende 2023 beschlossen, die internen Entwicklungskosten bis 2028 jährlich um 20 Prozent zu verringern. In einem weiteren Schritt zur Restrukturierung von Cariad wurde Sanjay Lal, ein ehemaliger Google- und Tesla-Manager, zum neuen Chief Software Officer ernannt. Gerüchte über Jobkürzungen bei Cariad kamen ebenfalls auf, nachdem Blume Peter Bosch von Bentley als CEO des Unternehmens einsetzte und damit Dirk Hilgenberg ablöste. Bosch sollte „signifikante Veränderungen“ in der Softwarestrategie von Volkswagen vorantreiben. Laut einem älteren Bericht plant der Autohersteller, im Zuge einer Restrukturierung ab 2024 etwa 2000 Stellen bei Cariad abzubauen.
Thomas Ulbrich, Vorstandsmitglied für Elektromobilität, räumte ein, dass die Software in den zukünftigen Modellen weit hinter den Erwartungen zurückbleibt, was zu erheblichen Verzögerungen führe. Besonders in China stoße VW auf “gewaltige Probleme” bei der Integration neuer, speziell entwickelter Features in die Cariad-Softwarearchitektur. Cariad steht vor der schwierigen Aufgabe, seine Software- und Elektronikarchitekturen zu modernisieren und gleichzeitig mit den Entwicklungen in China Schritt zu halten, wo die Konkurrenz in Sachen Konnektivität bereits weiter fortgeschritten ist. Google wäre da eventuell der richtige Partner. Oder?