Der globale Markt für Elektromobilität bleibt auf Wachstumskurs, hängt aber immer stärker von China sowie Plug-in-Hybriden (PHEV) und Range Extended Electric Vehicles (REEV) ab. Das zeigt der „Electric Vehicle Sales Review“ von PwC Autofacts und Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, in dem die Neuzulassungszahlen in weltweit 21 ausgewählten Märkten ausgewertet werden. Zusammen machen diese rund 82 Prozent aller globalen Neuwagenverkäufe aus.
Reine Elektroautos (Battery Electric Vehicle, BEV) büßten demnach im zweiten Quartal 2024 zwar leicht an Dynamik ein, wuchsen aber immer noch um 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Plug-in-Hybride boomen stark und verzeichneten ein Plus von 61 Prozent. Dennoch liegen die Marktanteile der reinen Elektroautos mit 15 Prozent weiter deutlich vor Plug-in-Hybriden, die aktuell nur auf 9 Prozent kommen.
Zugleich wächst die globale Abhängigkeit von China. Allein im zweiten Quartal 2024 wurden dort erstmals mehr als 1 Million Plug-in-Hybride verkauft – mehr als drei Mal so viele wie in allen anderen betrachteten Märkten zusammen. Ohne die Verkäufe in China läge das weltweite Elektroauto-Wachstum bei nur noch 3 Prozent. Die PHEV-Absätze würden sogar leicht ins Minus rutschen.
Rückgang in Deutschland bremst europäischen Markt
Während China weitere E-Auto-Rekorde knackt, sackte der Elektroauto-Absatz in Deutschland durch verschiedene Effekte wie den Wegfall des Umweltbonus für Elektroautos, den Angebotsmangel im Einstiegssegment und die aktuellen politischen Diskussionen im zweiten Quartal 2024 zum dritten Mal in Folge ab und lag bei einem Minus 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Das bremst, da Deutschland der größte Automarkt Europas ist, auch den europäischen E-Auto-Markt aus – und wird für die deutschen Autohersteller mehr und mehr zu einem Problem. Konnten sie die Flaute am Heimatmarkt bislang noch mit Exporten nach China abfedern, droht das Verhältnis nun zu kippen. So standen der Einfuhr von 280.000 Autos chinesischer Marken nach Europa im vergangen Jahr noch 350.000 nach China exportierte Autos europäischer Hersteller entgegen.
In diesem Jahr allerdings könnten laut der Studie aber bereits 440.000 Autos chinesischer Produzenten nach Europa drängen, während europäische Marken voraussichtlich nur noch 325.000 Fahrzeuge nach China verkaufen. Insgesamt könnte das Exportvolumen Chinas, bezogen auf alle Hersteller im Jahr 2024, auf 650.000 Autos steigen. Das entspräche einem Plus von 27 Prozent.
„Wir beobachten derzeit verstärkt protektionistische Maßnahmen in der Autoindustrie, unter anderem Strafzölle für Elektroautos aus China, die nach Europa, die Türkei, Brasilien, Kanada und die USA exportiert werden. Der Erfolg dieser Instrumente ist jedoch aus mehreren Gründen fraglich“, sagt Felix Kuhnert, Partner und Automotive Leader bei PwC Deutschland.
Zwar könnten Zölle den europäischen Autoherstellern kurzfristig Vorteile gegenüber chinesischen Konkurrenten ermöglichen. „Die chinesischen Hersteller haben jedoch in der Vergangenheit eine hohe Adaptionsfähigkeit und Agilität gezeigt und werden die Zölle zum Anlass nehmen, ihre Produktionskapazitäten in Europa hochzuschrauben oder Partner für die Auftragsfertigung zu suchen und mit noch wettbewerbsfähigeren Produkten aufzuwarten“, erklärt der Autoexperte.
Chinesische Marken erobern den heimischen Markt
In China verdrängen lokale Hersteller derweil immer mehr die einst so starken ausländischen Marken. Im Juni dieses Jahres stammten bereits knapp 65 Prozent aller dort verkauften Autos von chinesischen Herstellern aus chinesischer Produktion. Das sind 25 Prozentpunkte mehr als noch 2020 und ein Sprung von 12 Prozentpunkten im Vergleich zum Juni 2023.
Der Schlüssel zum Erfolg ist dabei auch das Wachstum im E-Auto-Bereich. Innerhalb eines Jahres stieg der Marktanteil von Plug-in-Hybriden und Elektroautos in China um 11 Prozentpunkte auf 44 Prozent im zweiten Quartal 2024. Der PHEV-Anteil verdoppelte sich dabei von 9 Prozent auf 18 Prozent, der Elektroauto-Anteil kletterte von 20 Prozent auf 25 Prozent.
Die deutschen Autohersteller schaffen es indes nicht, ihr Kuchenstück auf dem chinesischen Wachstumsmarkt substanziell zu vergrößern: Sie verharren bei Elektroautos im ersten Halbjahr 2024 bei 6 Prozent Marktanteil, weltweit sinkt ihr E-Auto-Anteil sogar leicht von 16 Prozent auf 15 Prozent.
„Wir in Europa führen Scheindebatten über Reichweitenangst und Technologieoffenheit“
„Während die Elektromobilität weltweit Auftrieb hat, führen wir in Europa Scheindebatten über Reichweitenangst und Technologieoffenheit“, gibt Kuhnert zu bedenken. „Dabei hat sich die Technologie rasant weiterentwickelt und die Produkte sind inzwischen sowohl besser als auch günstiger. Diese Technologiesprünge bei der Batterie wurden jedoch nicht von der gesamten Automobilindustrie vollumfänglich antizipiert und dementsprechend nicht umfassend in ihre Geschäftsmodelle integriert. Große Anstrengungen beim Batteriepass und Batterierecycling liegen jetzt noch vor uns“, unterstreicht der Analyst.
„Um der Elektromobilität jetzt neuen Schub zu verleihen, geht es für die Hersteller darum, die Modellpalette in Richtung Einstiegssegment zu erweitern, die Wertschöpfungsketten resilient und kostenoptimal aufzustellen und perspektivisch eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren“, ergänzt Jörn Neuhausen, Senior Director und Leiter Elektromobilität bei Strategy& Deutschland. „Nur so kann der Wert des Autos dauerhaft gesichert und Circularity als Wirtschaftsprinzip in der Wertschöpfungskette verankert werden“.
Die Gelegenheit dafür sei gut, denn für die europäischen Hersteller tun sich aktuell zwei Lichtblicke auf, so Neuhausen: „Zum einen können sie günstigere Rohstoff- und Batteriepreise am Markt als Rabatte weitergeben und sich so Luft im Preiskampf verschaffen. Zum anderen sorgen Batterietechnologien wie LFP für neue Möglichkeiten, Nachfrageimpulse auszulösen.“
Quelle: Strategy& – Pressemitteilung vom 24.07.2024