Die Elektromobilität gilt als ein entscheidender Schlüssel für mehr Klimaschutz im Verkehr. Damit der Umstieg auf ein Elektroauto klappt, müssen jedoch die Rahmenbedingungen stimmen, etwa die Ladeinfrastruktur.
Um diese Auszubauen, hat das Bundeskabinett nun eine gesetzliche Verpflichtung beschlossen, wonach große Tankstellenunternehmen mit mehr als 200 Standorten neben Benzin und Diesel auch Ladestrom anbieten müssen. Demnach müssen große Tankstellenunternehmen ab dem 1. Januar 2028 jeweils einen Schnellladepunkt mit einer Ladeleistung von mindestens 150 Kilowatt an ihren Tankstellen anbieten. Von der Verpflichtung sind laut einem Papier des Verkehrsministeriums voraussichtlich nur gut ein Dutzend Unternehmen betroffen.
Die Wirkung ist dennoch enorm: So sollen rund 8000 zusätzliche Schnellladepunkte an Tankstellen oder im direkten Umfeld entstehen – eine Maßnahme für den flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur und damit für mehr Vertrauen in die Elektromobilität. Viele Tankstellen bieten bereits Schnellladepunkte. Allerdings ist das Angebot noch nicht flächendeckend und regional verschieden. Im März 2024 ermöglichten erst rund sieben Prozent der Tankstellen in Deutschland schnelles Laden mit Leistungen von mindestens 150 Kilowatt.
Abweichende Lösungen sollen den Ausbau optimieren
Die Bundesregierung plant der Tagesschau zufolge mit einem sogenannten Flexibilisierungsmechanismus. Demnach darf ein Unternehmen für maximal die Hälfte seiner Standorte eine abweichende Lösung umsetzen, etwa einen Schnellladepunkt an einem für E-Auto-Fahrer attraktiveren, maximal 1000 Meter von der Tankstelle entfernten Standort aufbauen. Möglich sei es auch, als Ausgleich für einen unattraktiven Standort diesen auszulassen und stattdessen an einer anderen Tankstelle zwei Ladesäulen aufzubauen. Zudem soll bei einer wirtschaftlich unzumutbaren Belastung eine Härtefallregelung greifen.
Diese Ausnahmen dürften im Sinne von Achim Bothe sein, dem Vorstandschef von Aral. Er sagte: „Wir sollten uns auf Standorte konzentrieren, an denen wir das größte Potenzial für Nachfrage und Nutzung sehen. Es wird also an vielen Aral-Tankstellen und weiteren Standorten Ladepunkte geben, aber nicht jede Tankstelle braucht eine Ladesäule.“
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, verweist darauf, wie wichtig das neue Gesetz gerade für den ländlichen Raum sei: „Für die Bewohner ländlicher Räume, für Menschen auf der Durchreise, für Touristen und nicht zuletzt für die Wirtschaft muss auch in der Fläche ein Mindestmaß an Ladeinfrastruktur zugänglich sein“. Ähnlich sieht das der Tagesschau zufolge der ADAC, wonach aus Verbrauchersicht Tankstellen als Ort für schnelles Laden besonders gut geeignet seien.
Neue Förderung für Schnellladepunkte für E-Autos und Elektro-Lkw
Im Hinblick auf das Ziel von 15 Millionen E-Autos im Jahr 2030 wird sich der Bedarf an Ladeinfrastruktur in Zukunft weiter erhöhen. Deshalb braucht es aus Sicht der Bundesregierung eine gesetzliche Verpflichtung, die das Angebot an Lademöglichkeiten perspektivisch sichert.
Die Bundesregierung unterstützt auch Unternehmen dabei, Möglichkeiten für das schnelle Laden von Elektroautos und Elektro-Lkw zu schaffen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr setzt ein entsprechendes Förderprogramm fort. Es finanziert gewerblich genutzte Schnellladepunkte sowie die dafür notwendigen Netzanschlüsse. Ab dem 3. Juni 2024 können Unternehmen wieder eine Förderung beantragen.
“Laden ist nicht Tanken”
„Eine Verpflichtung für Tankstellenbetreiber, Schnellladesäulen aufzubauen, braucht es nicht. Beim Umstieg auf Elektromobilität gilt es auch, sich teils von bestehenden Denkmustern zu lösen: Laden ist nicht Tanken, der Lademarkt ist ein ganz anderer als das Tankstellen-Geschäft mit Kraftstoffen“, kritisiert Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, das Vorhaben.
„Das Laden von Elektrofahrzeugen findet überall dort statt, wo die Fahrzeuge länger stehen, z.B. auf dem Supermarkt-Parkplatz, am Hotel, beim Arbeitgeber oder zu Hause. Dazu kommt das Laden an Fernverkehrsstraßen oder an Schnelllade-Hubs“, sagt Andreae. „Das heißt, die Anwendungsfälle sind deutlich diverser als beim Tanken. Erkennbar wird marktgetrieben Ladeinfrastruktur bedarfsgerecht aufgebaut. Dort, wo es sinnvoll ist, bauen Tankstellenbetreiber bereits eigeninitiativ Ladesäulen auf, eine Verpflichtung ist jedoch weder zielführend noch bedarfsgerecht“, so die BDEW-Chefin.
Andreae vermisst angesichts einer positiven Marktentwicklung die notwendige Begründung für „eine derart harte ordnungsrechtliche Maßnahme. Wir haben in Deutschland bereits doppelt so viel Ladeleistung installiert, wie die europäischen Mindestziele vorgeben. Und die Unternehmen bauen trotz der aktuell noch geringen Belegung der Ladepunkte engagiert weiter aus.“ Anstatt weiter Regelungen für den funktionierenden Lademarkt zu entwickeln, müsse die Bundesregierung „endlich einen Fokus auf die Fahrzeugseite legen. Wir brauchen dringend mehr bezahlbare Elektroauto-Modelle, um das 15 Millionen-E-Auto-Ziel zu erreichen.“
Quelle: Bundesregierung – Pressemitteilung vom 29.05.2024 / BDEW – Pressemitteilung vom 29.05.2024 / Tagesschau – Ladesäulen-Pflicht für große Tankstellen