Der chinesische Automobilhersteller GAC hat große Pläne für Europa. Im Gespräch mit Wolfgang Gomoll betonte Wayne Wei, General Manager von GAC, die Bedeutung des europäischen Marktes im Rahmen der unternehmenseigenen 1551-Strategie, die fünf Schlüsselregionen umfasst. „Europa ist einer der Kernmärkte“, erklärte Wei. „Als ein chinesischer Automobilhersteller müssen wir nach Europa kommen und natürlich werden wir vorbereitet sein.“ Der Fokus liege dabei auf einer nachhaltigen Strategie und hoher Produktqualität, um den Herausforderungen in Europa begegnen zu können.
Bereits seit 2019 bereitet sich GAC auf den Markteintritt vor und entschied letztes Jahr, welche Modelle in Europa eingeführt werden. Der Aion V, der im kommenden Jahr auf den Markt kommen soll, bildet dabei den Auftakt. Zusätzlich plant das Unternehmen, Ende 2025 einen neuen Hatchback nach Europa zu bringen. Wei betonte, dass diese Entscheidungen Teil eines langfristigen und sorgfältigen Plans sind: „Das Wichtigste sind natürlich die Produkte. Wir setzen uns keine kurzfristigen Verkaufsziele, sondern wollen Schritt für Schritt vorgehen.“
GAC will dabei auch aus den Fehlern anderer chinesischer Hersteller lernen, die in Europa mitunter auf Schwierigkeiten stießen. Während etwa Great Wall Motor seine für Europa zuständige Zentrale in Deutschland wieder geschlossen hat und den europäischen Markt nun von China aus steuert und BYD ebenfalls mit schleppenden Verkäufen kämpft, plant GAC eine differenzierte Herangehensweise.
„Einige der chinesischen Automobilhersteller agieren ziemlich kurzsichtig. Sie wollen zu schnell Erfolg haben. Diese Kurzsichtigkeit rührt wahrscheinlich daher, dass sie ihre Absatzziele mit aller Macht erreichen wollen. Europa ist jedoch ein sehr komplexer Markt“, so Wei. Um dies zu vermeiden, lege GAC großen Wert auf den Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur. „Wir wollen ein stabiles Händlernetzwerk und ein durchdachtes After-Sales-Konzept etablieren. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut“, sagte Wei und verwies auf die geplante Errichtung einer Verkaufsorganisation in den Niederlanden, die als Ausgangspunkt dienen soll. Erst danach werde der Eintritt in den deutschen Markt angestrebt.
General Manager Wayne Wei: GAC lernt aus China-Fehlern
Trotz der ambitionierten Pläne wird GAC auch mit Herausforderungen konfrontiert, insbesondere durch die europäischen Strafzölle auf chinesische E-Autos. Wei räumte ein: „Die Strafzölle bereiten uns kurzfristig Kopfzerbrechen. Langfristig werden wir damit klarkommen. Wenn wir auf dem europäischen Markt langfristig erfolgreich sein wollen, ist eine lokale Produktion essenziell – unabhängig davon, ob es Strafzölle gibt oder nicht.“ GAC erwägt daher die Möglichkeit, in Europa zu produzieren und damit ähnliche Erfolge wie regionale Partner wie Toyota durch eine sogenannte Complete-Knock-Down-Produktion zu erzielen.
Bei der Produktstrategie setzt GAC auf eine Doppelstrategie mit vollelektrischen Fahrzeugen (BEVs) und Plug-in-Hybriden (PHEVs), die eine elektrische Reichweite von rund 100 Kilometern bieten. „Wir glauben, dass wir mit dieser Doppelstrategie in Europa erfolgreich sein werden“, erklärte Wei und betonte, dass die unterschiedlichen Plattformen des Unternehmens darauf ausgerichtet seien. Unter dem GAC-Schirm operieren zwei Marken: Aion mit der Aion Electric Platform 3.0 für rein elektrische Autos und GAC Motor mit der Global Platform Modular Architecture für Plug-in-Hybride.
Ein weiteres wichtiges Element der europäischen Expansionspläne ist der Aufbau von Entwicklungs- und Designzentren. „Wir haben bereits ein Design-Zentrum in Mailand und planen die Eröffnung von Technik-Zentren in Europa. Das erste wird in den Niederlanden entstehen. Später planen wir auch eines in Deutschland“, so Wei. Diese strategischen Investitionen sollen sicherstellen, dass die Bedürfnisse des europäischen Marktes besser verstanden und erfüllt werden können.
Auch bei der Auswahl der Autos zeigt sich GAC flexibel. Wei erklärte, dass der Marktbedarf entscheiden werde, welche Modelle auf den Markt kommen. Derzeit prüft das Unternehmen, ob es den Van E9, der sowohl als E-Auto als auch als Plug-in-Hybrid angeboten wird, in Europa einführen soll. In China sei GAC in diesem Segment Marktführer, was das Potenzial für eine Markteinführung in Europa deutlich mache. „Bei den Vans sind wir in China die Nummer eins“, betonte Wei und hob die Relevanz des Modells hervor.
Quelle: Interview gefĂĽhrt durch Wolfgang Gomoll, press:inform