Fossile CO2-Emissionen erreichen neues Rekordhoch

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Michael Neißendorfer
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  —  Lesedauer 4 min

Die verbleibende Zeit, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen, läuft immer schneller ab. Dies zeigt die jährliche Bilanz des Global Carbon Projects (GCP), ein Zusammenschluss internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit deutscher Beteiligung, an dem auch die LMU-Geografen Julia Pongratz und Clemens Schwingshackl als Kernautoren beteiligt waren. Demnach werden sich die fossilen CO2-Emissionen im Jahr 2023 voraussichtlich auf 36,8 Milliarden Tonnen summieren und ein neues Rekordniveau erreichen, das 1,1 Prozent über den Werten von 2022 liegt.

Regional waren die Trends sehr unterschiedlich: Während die fossilen Emissionen in Indien und China anstiegen (+8,2 Prozent bzw. +4 Prozent), sanken sie in Europa und den USA (-7,4 Prozent bzw. -3 Prozent) und geringfügig auch im Rest der Welt (-0,4 Prozent). Für Europa begründen die Autoren den Rückgang mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und den Auswirkungen der Energiekrise. Das Wachstum in China sei teilweise auf eine verzögerte Erholung von den Auswirkungen der Covid-bedingten Lockdowns zurückzuführen.

Zusammen mit den Emissionen aus der Landnutzung belaufen sich die globalen CO2-Emissionen 2023 auf etwa 40,9 Milliarden Tonnen. Dies ist weit entfernt von den deutlichen Einsparungen, die nötig wären, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, so die Autoren. Zwar sei die Schätzung des verbleibenden Kohlenstoffbudgets mit großen Unsicherheiten behaftet, dennoch sei klar, dass die Zeit schnell ablaufe: Wenn das derzeitige Niveau der CO2-Emissionen anhält, wäre das verbleibende Kohlenstoffbudget für eine 50-prozentige Chance, die Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, in sieben Jahren und für 1,7°C in 15 Jahren aufgebraucht.

Es erscheint unausweichlich, dass wir das 1,5°C-Ziel überschreiten werden – und die letzten Jahre haben uns drastisch vor Augen geführt, wie gravierend die Folgen des Klimawandels bereits jetzt sind“, sagt Julia Pongratz, Professorin für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der LMU.

CO2-Entnahme erstmals ausgewiesen

Die Emissionen aus Entwaldung nahmen zwar leicht ab, aber sie sind immer noch zu hoch, um durch nachwachsende Wälder und Aufforstung kompensiert werden zu können“, sagt Clemens Schwingshackl, der gemeinsam mit Pongratz die Abschätzungen der Landnutzungsemissionen im GCP-Bericht leitete. Zurzeit wird etwa die Hälfte der Emissionen aus Entwaldung durch CO2-Aufnahme in nachwachsenden Wäldern und Aufforstung ausgeglichen.

Durch technische Lösungen, wie etwa das sogenannte Direct Air Capture and Carbon Storage (DACCS), die unabhängig von Vegetation funktionieren, wird derzeit nur eine verschwindend geringe Menge CO2 aus der Atmosphäre entnommen. „Für die ‚Netto-Null‘ Emissionsziele sind in erster Linie massive Anstrengungen zur Emissionsreduktion unerlässlich. Für die Kompensation schwer vermeidbarer Emissionen wird zusätzlich ein starker Ausbau von CO2-Entnahmeverfahren notwendig sein“, so Schwingshackl.

El Niño macht sich bemerkbar

Für 2023 schätzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass etwa die Hälfte des emittierten CO2 durch Senken an Land und im Meer absorbiert wird. Der Rest gelangt in die Atmosphäre, deren CO2-Gehalt dadurch auf einen Jahresmittelwert von etwa 419 ppm (parts per million) ansteigen werde.
In Bezug auf die Landsenke machte sich vermutlich bereits das Wetterphänomen El Niño bemerkbar, das Mitte 2023 begonnen hat: Mit 10,4 Milliarden Tonnen CO2 nahm die Landsenke wesentlich weniger CO2 auf als in den vorigen Jahren, in denen sie durchschnittlich 12,3 Milliarden Tonnen absorbierte.

In El-Niño-Jahren schwächelt die Landsenke, weil Regionen wie der Amazonas und Südostasien von Dürre und Feuern betroffen sind“, sagt Pongratz. Der Ozean reagiert entgegengesetzt, auch wenn die Variationen von Jahr zu Jahr weniger stark ausfallen als an Land. Nach den außergewöhnlichen drei La-Niña-Jahren in Folge (2020-2022), in denen die Ozeansenke nicht zugenommen hat, ist für 2023 erstmals wieder ein Anstieg der CO2-Aufnahme im Ozean auf 10,6 Milliarden Tonnen CO2 prognostiziert.

In La-Niña-Jahren verschieben sich die Ozeanströmungen im äquatorialen Pazifik so, dass große Mengen kohlenstoffreichen Tiefenwassers an die Oberfläche kommen und damit weniger anthropogenes CO2 aufgenommen werden kann“, sagt Judith Hauck vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, die die Abschätzungen der Ozeansenke koordiniert.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass sich der Einfluss von El Niño auf die CO2-Senken an Land und im Meer in den kommenden Monaten weiter verstärkt und insgesamt zu einem stärkeren Wachstum der atmosphärischen CO2-Werte im Jahr 2024 führt.

Der Bericht über das globale Kohlenstoffbudget, der von einem internationalen Team von mehr als 120 Wissenschaftlern erstellt wird, bietet eine jährliche, von Fachleuten überprüfte Aktualisierung, die auf bewährten Methoden aufbaut und vollständig transparent ist. Er wurde am 5. Dezember 2023 auf einer Pressekonferenz im Rahmen der 28. UN-Klimakonferenz in Dubai vorgestellt, bei der sich Vertreter aus über 200 Staaten trafen, um über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens zu beraten.

Quelle: LMU München – Pressemitteilung vom 15.12.2023

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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alchemist:

Wie gesagt: zu tun, als ob die von den KKW zuvor gelieferte Energie nicht durch zusätzliche Verbrennung von Gas und Kohle zur Sicherung der Grundlast kompensiert würde ist schlicht ignorant. Dass im gleichen Zeitraum der Energiebedarf in der deutschen Industrie insbesondere durch die hohen Energiekosten in Folge der verkorksten Energiewende geschrumpft ist steht auf einem anderen Blatt (z.B. BASF minus um die 10%,), zeigt aber auch die ganze Absurdität des deutschen Wegs als Geisterfahrer in Europa und der Welt. Deinem abschliessenden Aufruf stimme ich natürlich zu, solange es nicht zu Lasten von Agrar und Natur geht.

Johannes:

Nein, die Summe ist in der Energiewirtschaft gleich geblieben aber insgesamt gesunken, m.W. wegen verbesserter Effizienz in der Industrie. Es gibt also keine negative Bilanz Deutschlands. Wiegesagt, 2023 sinken die Emissionen wieder und setzen damit den Trend dort den es schon seit Beginn der Energiewende gibt. Ich sehe keinen Grund den paar KKW nachzuweinen, das ist vergossene Milch. Von mir aus hätte man auch erst die Braunkohle und dann die AKW abschalten sollen aber so ist es nunmal nicht gekommen. Also weiter im Text und die Energie von oben ernten, nicht von unten ausbuddeln

alchemist:

Die verkürzte Aussage wird auf der verlinkten Seite und in Deinem Post bestätigt. Klar, man könnte die Gründe und weiteren Faktoren wie Wirtschaft, IM-/Export etc. im Detail weiter analysieren. Das ist aber nicht der Punkt. In einer Darstellung wie im Artikel in einem deutschen Forum, in der die positive Bilanz der EU herausgestellt wird und die negative Bilanz Deutschlands verschwiegen wird, ist schlicht unseriös. Nicht mehr und nicht weniger soll die Kritik am Artikel aussagen. Wenn das einigen nicht passt (verkürzt, Daumen runter) werden die Gründe bei ihnen zu suchen sein …

Johannes:

Hier kann sich jeder selbst ein Bild machen: umweltbundesamt.de/themen/co2-emissionen-pro-kilowattstunde-strom-stiegen-in . Vergleichsjahre sollten 2019 und 2022 sein, sonst hat man Corona-Effekte drin. Die Emissionen pro kWh sind um ca. 5% von 411 auf 434 g angestiegen, der Absolutwert mit 223 mio. t gleich geblieben.

Die Aussage das läge jetzt ausschließlich an den abgeschalteten ca. 3 GW Kernkraft ist nicht haltbar, da in 2022 auch viel Gas durch Kohlestrom ersetzt wurde. Dennoch hatten die Kernkraftwerke einen leicht positiven Effekt auf die CO2-Bilanz, die aber laut Prognosen 2023 durch den Ausbau der erneuerbaren Quellen schon wieder kompensiert ist. Hier muss wiederum berücksichtigt werden, dass die Konjunktur schwächelt.

Verkürzte Aussagen wie oben helfen in der Diskussion nicht weiter, deswegen Daumen runter.

Johannes:

Muss es für jeden Quatsch eine Alternative geben?
Ich bin früher auch viel geflogen, jetzt lasse ich es eben bleiben. Geht auch.

alchemist:

Nun ja, ich wäre milder in der Analyse. Es reflektiert vielleicht die erfolgreiche Arbeit der (grünen) Ideologen, die über den „Staatsfunk“ und die sogenannten „mainstream“-Medien ein unzutreffendes oder unvollständiges, aber scheinbar passendes Bild der Realitäten in zu viele unkritische Köpfe haben implementieren können. Viele heucheln nicht, die durchschauen es nicht oder glauben das wirklich.

A.K.:

Ich verstehe die vielen negativen Bewertungen nicht. Geht’s noch?
Der Mann hat völlig Recht, unsere Emissionen sind deutlich angestiegen, seit die AKWs abgeschaltet wurden.
Das zu verleugnen zeigt, wie heuchlerisch hier manche Leute gestrickt sind. Deutschland ist nun das zweitschmutzigste Land in Europa, das ist Fakt.

Stefan:

Das Delay von CO2 auf das Klima ist ca. 20 Jahre. Und da die ganze Welt gerade massiv aufrüstet, wird sich das CO2 Problem eher noch verschärfen. Rüstung hat in der Vergangenheit immer für CO2 Peaks gesorgt. Das Human Race entwickelt eine steigende Eigendynamik. Erst wenn die erneuerbaren Energie Quellen die Fossilen abgelöst haben, wird der CO2 Anstieg stoppen. Mal schauen, ob das noch paßt. Die Wissenschaft macht auch permanent eine Analyse ihrer vergangenen Prognosen und Simulationen. Bisher haben diese sich als präzise herausgestellt und daher sollte jeder auf diese achten.

Birger:

Es ist leider eine sehr traurige Entwicklung, anstatt endlich CO2 einzusparen, ist der weltweite Ausstoß noch höher und es ist laut Medien auch in den nächsten Jahren kein Ende in Sicht. Wie sich das jetzt wohl in 100 Jahren auswirkt? Solange war doch die Umsetzung. Was wir jetzt spüren war das Handeln von vor 100 Jahren.

Udo:

Die Bahn

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