„Die im Autopaket von der EU-Kommission vorgeschlagene Revision der CO2-Flottengrenzwerte birgt die Gefahr, die Verunsicherung für den Automobilstandort Deutschland und Europa weiter zu verstärken“, schreibt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende, in einem aktuellen Blogbeitrag über die Kehrtwende der EU beim sogenannten „Verbrenner-Aus“, mit der die CO2-Grenzwerte für die Automobilindustrie auf Antriebsseite abgeschwächt werden sollen – zugunsten der eigentlich schon in Richtung Abstellgleis verschobenen Verbrenner-Technologie.
Diesen Zustand „Lost in Transformation“ allerdings könne sich Europa nicht länger leisten, so Hochfeld, da die Marktmacht China – wo bereits mehr als die Hälfe aller Neufahrzeuge als Elektroauto oder Plug-in-Hybrid auf die Straße kommen – nicht darauf warten werde, „bis Deutschland und Europa ihren Entwicklungsrückstand aufgeholt haben.“
Zu Beginn seines Blogbeitrags stellt Hochfeld klar, dass die aktuelle Krise der deutschen Autoindustrie vorrangig andere Gründe habe als die Transformation hin zu E-Autos: „Die Ursachen für die aktuellen Entwicklungen liegen dabei in erster Linie in der Handelspolitik der USA, dem wirtschaftlich bedingten Nachfragetief in Europa, den Produktivitätsdefiziten in den heimischen Produktionsstätten, der daraus folgenden Arbeitsplatzverlagerung zum Beispiel nach Osteuropa sowie dem Einbruch der Umsätze und Gewinne auf dem chinesischen Markt“, so Hochfeld. Und der Einbruch in China – dem weltweit größten Automarkt – rührt zu großen Teilen daher, dass deutsche und europäische Hersteller den Markthochlauf der Elektromobilität lange verschleppt haben. Ein Vorwurf, den man in der Branche schon seit Jahren vernimmt.
Das neue Autopaket der EU allerdings sei „keine Antwort auf die aktuellen Probleme“ der europäischen Autoindustrie – er werfe stattdessen nur noch mehr Fragen auf. Der vorliegende Entwurf, der noch im Rat und Parlament der EU diskutiert werden muss, schaffe „zumindest in naher Zukunft erneut zusätzliche Unsicherheiten für eine Industrie, in der nichts mehr gefragt ist als Investitions- und Planungssicherheit.“
Schwächere CO2-Standards „sichern weder Wettbewerbsfähigkeit noch Arbeitsplätze, auch nicht, wenn sie mit Begriffen wie Flexibilität, Technologieoffenheit und Pragmatismus kaschiert werden“, kritisiert Hochfeld, und geht vom Gegenteil aus: „Sie locken Investitionen in überholte Technologien und international schrumpfende Märkte.“ Zuletzt sind die Zulassungszahlen von Verbrennern in Europa stark zurückgegangen: Der gemeinsame Marktanteil von Benzin- und Dieselfahrzeugen sank im Jahresverlauf deutlich auf 36,1 Prozent, nach 45,8 Prozent im Vorjahr. Elektroautos hingegen verzeichneten in der EU zuletzt ein Wachstum von knapp 28 Prozent und einen Marktanteil von mittlerweile 16,9 Prozent.
Auf diese Entwicklung hin zur E-Mobilität gelte es zu reagieren, etwa mit dem „Aufbau diversifizierter und resilienter Wertschöpfungsketten für Batterierohstoffe und -materialien, dem Aufbau einer starken Batterieindustrie in Europa, dem Aufbau und der Netzintegration öffentlicher Ladeinfrastruktur für Pkw und Lkw“. Doch mit einem zurück zum Verbrenner bestehe „das Risiko, dass diese noch weiter verzögert werden oder sogar ausbleiben, wie das in den letzten Monaten bereits mehrfach beobachtet werden konnte.“
„Ein Klotz am Bein der Automobilindustrie“
„Das Tempo in der Transformation der Industrie würde nachlassen“, konstatiert Hochfeld. Und „der Verbrennungsmotor würde erst recht zum Klotz am Bein der Automobilindustrie.“ Zudem seien auch die Signale der Bundesregierung „höchst widersprüchlich“. Während sie in Brüssel für den Verbrenner lobbyiert, legt sie für Deutschland ab 2026 neue Förderprogramme für die Elektromobilität auf und „drückt gleichzeitig aufs Tempo und auf die Bremse. Einerseits will sie den Kauf von Elektrofahrzeugen fördern, andererseits drängt sie auf schwächere CO2-Standards und wird damit die Transformation zur Elektromobilität verlangsamen. Das passt nicht zusammen und droht, weiteres Vertrauen bei Kundinnen und Kunden zu verspielen.“
Dabei hätten die deutschen Hersteller etwa auf der IAA in München „gezeigt, dass sie in der Lage sind, hochattraktive E-Modelle zu entwickeln.“ Und alle Entwicklungen in den Märkten, alle wissenschaftlichen Studien weisen klar darauf hin, dass die Zukunftstechnologie für Antriebe in Pkw die rein elektrische ist. „Daran sollten sich Politik und Industrie orientieren und Kurs auf Klimaneutralität halten“, so Hochfeld, etwa durch „möglichst ambitionierte und verlässlich ansteigende CO2-Standards für Neufahrzeuge“, die Unternehmen und Investoren „die nötige Investitions- und Planungssicherheit und den Kundinnen und Kunden das nötige Vertrauen geben, um die Transformation zu beschleunigen.“
„Die Enttäuschung ist vorprogrammiert“
Die mögliche Zulassung von Plug-in-Hybriden, Fahrzeugen mit Range-Extendern und sogenannten „hocheffizienten“ Verbrennern nach 2035 könne in Summe fatale Folgen für die CO2-Emissionen des Verkehrssektors haben: Da Fahrzeuge mit einer Kombination aus Elektromotor und Verbrenner deutlich höhere Emissionen verursachen als in den Datenblättern suggeriert, gehen erste Schätzungen des ICCT „im Zeitraum bis 2050 von mindestens einer Milliarde Tonnen Mehremissionen aus, die mit dem neuen Kommissionsvorschlag verbunden sein könnten“, erklärt Hochfeld.
Diese Mehremissionen im Verkehr wiederum könnten demnach zu höheren Preisen führen: „Sollten die Mehremissionen auch im Verkehrssektor selbst ‚kompensiert‘ werden, müssten wohl die CO2-Preise auf Benzin und Diesel im Rahmen des europäischen Emissionshandels (ETS II) deutlich erhöht werden“, was vor allem Haushalte mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen treffen würde, die sich den Umstieg auf die Elektromobilität bisher nicht leisten können. „Das kann weder im Interesse der EU-Kommission noch der Bundesregierung sein“, kritisiert der Direktor von Agora Verkehrswende.
„Die Enttäuschung ist vorprogrammiert“, so Hochfelds Resümee. Erst werde „die Hoffnung geweckt, dass Verbrennungsmotoren eine saubere Lösung sein könnten“. Am Ende allerdings werde es „nicht nur emissionsintensiver als erwartet, sondern vor allem: sehr teuer.“
Quelle: Agora Verkehrswende – EU-Autopaket: Lost in Transformation







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