Patrick Koller, Chef des größten französischen Automobilzulieferers Faurecia, sprach in einem lesenswerten Interview mit der Wirtschaftswoche über seine Erwartungen an die Brennstoffzellentechnologie, warum sie eine gute Ergänzung zu Batterie-Elektroautos darstellt und welche wichtige Rolle Afrika bei den Wasserstoff-Plänen spielen kann.
Faurecia ist erst vor wenigen Wochen ein Joint-Venture mit Michelin eingegangen, um Brennstoffzellenantriebe unter anderem für Pkw zu entwickeln. Koller meint, Wasserstoffautos seien eine wichtige Ergänzung zu rein batteriebetriebenen Fahrzeugen. Es gebe „gute Argumente für und gegen beide Technologien“, sagte er. Er sei zudem „viel zu früh, schon von einer endgültigen Entscheidung zugunsten des batterieelektrischen Autos zu sprechen.“ Die Automobilindustrie erwache momentan „aus 130 Jahren Monokultur im Antriebsstrang – dem Verbrennungsmotor“, an den Alternativen hierzu arbeite man erst „ein paar wenige Jahre“.
Die Brennstoffzelle werde sich vor allem bei Zügen, Schiffen und schweren Lkw durchsetzen, sagt Koller und folgt damit dem Gros vieler anderer Entscheider in Wirtschaft und Politik. Auch bei größeren Pkw mit benötigten Reichweiten von mehr als 300 Kilometern werde der Wasserstoffantrieb eine Alternative zu reinen Batteriemodellen darstellen. Koller sagt, dass „eine Antriebsart allein, wie das Elektroauto, die Herkulesaufgabe“, Milliarden von Menschen weltweit „CO2-arm und bezahlbar von A nach B zu bringen, nicht lösen“ könne.
„Insbesondere bei der Batterie“ sieht der Faurecia-Chef „noch einige ungelöste Probleme“. Für Nutzfahrzeuge etwa sei „die aktuelle Batterietechnologie nach wie vor zu groß und zu schwer“. Das Problem, dass „einige wichtige Batterierohstoffe knapp werden“, gebe es bei der Brennstoffzelle nicht, so Koller. Zwar stecken langfristig genug Lithium, Nickel und Kupfer für Hunderte Millionen Elektroautos in der Erdkruste, wie die Wirtschaftswoche anmerkt, und auch beim Recycling der Rohstoffe gibt es stetige Fortschritte.
„Elektroautos werden sicherlich einen erheblichen Anteil des Marktes erobern. Aber eben nicht 100 Prozent“
„Wir werden aber mit hoher Wahrscheinlichkeit temporäre Engpässe bekommen, weil die Bergbauindustrie nicht mit der galoppierenden Nachfrage schritt hält“, prophezeit Koller. Besonders Nickel könne bald knapp werden, warnt er: „Um den Bedarf der E-Mobilität in den kommenden Jahren zu decken, müssten pro Jahr weltweit drei große Nickelminen eröffnet werden. Tatsächlich wurde meines Wissens in den vergangenen zehn Jahren genau eine eröffnet“, sagt er. Zwar braucht auch ein Wasserstoffauto eine Batterie, diese ist aber mit ein paar wenigen kWh deutlich kleiner. „Auf der Rohstoffseite brächte sie also deutliche Entspannung.“
„Elektroautos werden sicherlich einen erheblichen Anteil des Marktes erobern“, sagt Koller, „aber eben nicht 100 Prozent, wie derzeit viele denken“. Er ist überzeugt davon, dass mit der Masseneinführung von Elektroautos einige Probleme zutage treten werden, etwa die banale Frage, wo „Bewohner eines fünfstöckigen Mietshauses in Berlin oder Paris“ ihr Auto laden sollen, zumal das Laden deutlich länger dauert als der kurze Stopp an einer Tankstelle. Man brauche „also mehr Säulen, um die gleiche Anzahl Autos in der gleichen Zeit zu betanken, wie mit Sprit oder eben Wasserstoff.“ Er sei schon „sehr gespannt, was in einigen Jahren etwa am letzten Freitag vor Weihnachten oder vor den großen Ferien los sein wird, wenn viele Menschen gleichzeitig mit ihrem E-Auto in dieselbe Richtung unterwegs sind. Dann wird es mit Sicherheit Engpässe an den Ladesäulen geben.“
„Der Wirkungsgrad ist nicht entscheidend“
Brennstoffzellen, bzw. die Erzeugung von Wasserstoff, benötigt allerdings sehr viel mehr Energie im Vergleich zur Nutzung in einem Batterie-Auto. Mit dem Strom, der ein Elektroauto 100 Kilometer weit bringt, kommt ein Wasserstoffauto nur gut ein Drittel so weit. „Der Wirkungsgrad ist nicht entscheidend, wenn wir von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien reden“, wirft Koller ein. Da die CO2-Bilanz von Ökostrom nahe null tendiert, seien „ausschließlich die Kosten“ entscheidend: Es stelle sich die Frage, ob „es wegen der großen Batterie und des nötigen Ausbaus des Stromnetzes am Ende billiger ist, einen Kilometer mit aus Grünstrom hergestelltem Wasserstoff zu fahren oder mit Grünstrom aus der Batterie?“
Wichtig sei allerdings, „grünen Wasserstoff dort zu erzeugen, wo es wegen der Bedingungen einfacher und günstiger ist, die nötigen Mengen Ökostrom dafür herzustellen, als in Nordeuropa“. Dies sei „etwa im Sonnengürtel Afrikas“ der Fall: „Dort sollte man Wasserstoff in großen Mengen produzieren und ihn dann in Pipelines nach Europa transportieren.“ Entsprechende Projektionen wurden schon mehrfach zur Diskussion gestellt, unter anderem von der deutschen Bundesregierung, „viele Großkonzerne und Politiker halten diese Projekte für realistisch“, sagt Koller. Projekte in erneuerbaren Energien zu finanzieren sei „derzeit sehr einfach“. Es gebe „jede Menge Investoren, die dort Anlagemöglichkeiten suchen.“
Quelle: Wirtschaftswoche — „Probleme mit der E-Mobilität werden erst noch zutage treten“