Expertenkreis rät der Autoindustrie zur Kreislaufwirtschaft

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BMW hat das Thema Kreislaufwirtschaft bereits fest in seiner Entwicklung verankert / Bild: BMW

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Der Expertenkreis Transformation der Automobilwirtschaft (ETA), der 2022 von Wirtschaftsminister Robert Habeck ins Leben gerufen wurde und aus 13 Mitgliedern aus Industrie und Forschung besteht, hat das Papier „Handlungsempfehlungen für die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie: Chancen und aktuelle Herausforderungen“ (verlinkt als PDF) vorgelegt. Darin erläutern die Autor:innen die Notwendigkeit und die Vorteile der Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie.

Autohersteller und Zulieferer stehen vor der großen Herausforderung, signifikante Beiträge zum Klimaschutz zu leisten und gleichzeitig den Verbrauch an Primärressourcen in Herstellungsprozessen zu verringern. Nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes, sondern auch, um Biodiversität zu wahren, Risiken in Lieferketten zu minimieren und die geopolitische Resilienz Deutschlands und der EU insgesamt zu stärken, so der ETA.

Die Kreislaufwirtschaft biete hierfür zahlreiche Chancen, heißt es in dem Papier. Eine der wichtigsten sei die Verringerung von CO2-Emissionen. Durch die Wiedergewinnung und den Einsatz von Sekundärrohstoffen können erhebliche Emissionseinsparungen erzielt werden, da die Herstellung dieser Materialien deutlich weniger Energie benötigt als die Gewinnung und Verarbeitung von Primärrohstoffen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die geopolitische Resilienz. Die Kreislaufwirtschaft kann die Abhängigkeit von Primärrohstoffen bzw. von deren Exportländern verringern und die Versorgungssicherheit stärken. Dies sei, so das Papier, für die Automobilindustrie besonders wichtig, da sie stark auf Rohstoffe aus internationalen Lieferketten angewiesen sei. Durch die Rückgewinnung und Wiederverwendung von Materialien wie Stahl, Nicht-Eisenmetalle, Kunststoff und Batteriezellen könne die EU ihre Rohstoffabhängigkeit reduzieren und das Risiko von Versorgungsunterbrechungen minimieren.

Der Bereich Batteriezellen ist besonders relevant bei Elektrofahrzeugen. Für die Wiedergewinnung von Batteriezellmaterial ist bereits heute eine hohe technische Qualität gewährleistet, aktuelle Prozesse ermöglichen es, deutlich mehr als 90 Prozent der eingesetzten Primärrohstoffe zu recyceln. Zugleich geht der ETA von einem profitablen Verwertungsgeschäft für Batterien aus, auch bei technisch anspruchsvollen Verwertungsverfahren. Bereits mit der EU-Batterieverordnung ist das Ziel des Verbleibs von Batteriematerial in der Europäischen Union strategisch verankert und ein Hochlauf des Anteils von Sekundärmaterial in neuen Batterien vorgegeben.

Zugleich steht allerdings der Volumenhochlauf alter Elektrofahrzeuge noch aus, sodass der Zufluss von Material in den Markt mittelfristig ein begrenzender Faktor bleibt. In Zukunft jedoch ist mit einem gestiegenen Aufkommen von gebrauchten Antriebsbatterien zu rechnen.

Ökonomische Chancen durch Kreislaufwirtschaft

Die Kreislaufwirtschaft bietet dem ETA zufolge auch neue ökonomische Chancen. Unternehmen, die schon jetzt auf Kreislaufwirtschaft setzen, können von der Entwicklung und Vermarktung nachhaltigerer Produkte profitieren. Die kreislaufgerechte Produktgestaltung, das Recycling und die Wiederverwendung eröffnen demnach neue Märkte und Arbeitsplätze in der Ressourcenrückgewinnung und -verarbeitung. Die Kreislaufwirtschaft fördere zudem eine transformative Wirtschaft, die auf den Prinzipien der Langlebigkeit, Reparaturfähigkeit und Ressourceneffizienz basiere und somit langfristige ökonomische und ökologische Vorteile schaffe.

Es bestehen jedoch auch zahlreiche Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, heißt es in dem Papier. Um die Zirkularität in der Automobilindustrie zu steigern, sei eine ganzheitliche Betrachtung der „R-Strategien“ notwendig. Diese umfassen den gesamten Lebenszyklus von Produkten und berücksichtigen neben dem Recycling auch die Vermeidung, Wiederverwendung und Reparatur von Materialien.

Das Konzept des „Design for Circularity“ ziele darauf ab, Produkte so zu gestalten, dass sie leicht demontiert, repariert und recycelt werden können. Dies erfordere die Etablierung effizienter Kreislaufnetzwerke, um die enge Zusammenarbeit entlang der gesamten automobilen Wertschöpfungskette sowie branchenübergreifend zu optimieren.

Ein weiteres zentrales Thema sei die Regelung des Zugriffs auf Altfahrzeuge und Altteile. Es bedarf laut den Autor:innen harmonisierter gesetzlicher Grundlagen und Anreize für die Wiederverwendung und das Remanufacturing. Die Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit qualitativ hochwertiger Sekundärmaterialien müsse verbessert werden, indem die Trenn- und Sortiertechnologien sowie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen optimiert werden. Die Harmonisierung von Standards und Messmethoden sei entscheidend, um eine einheitliche THG-Bilanzierung und Qualitätsstandards für Sekundärmaterialien zu gewährleisten. Marktwirtschaftliche Anreize wie die CO2-Bepreisung können ebenfalls dazu beitragen, die Kreislaufwirtschaft zu fördern.

Ferner empfiehlt der ETA der Bundesregierung, die Transparenz in der automobilen Lieferkette zu verbessern und internationale Zusammenarbeit zu fördern. Catena-X soll dabei helfen, Standards wie den CO2-Fußabdruck und digitale Produktpässe zu etablieren. Zudem sollte ein digitaler Verwertungsnachweis etabliert werden, um den Verbleib und Export von Altfahrzeugen zu kontrollieren und das Volumen verfügbarer Materialien im EU-Binnenmarkt zu erhöhen. Auch die Qualität von Rezyklaten sollte durch verbesserte Verwertungsprozesse insgesamt gesteigert werden.

Handlungsempfehlungen an die Politik

Abschließend richtet das Papier konkrete Handlungsempfehlungen zur Umsetzung von Kreislaufwirtschaft im Automobilsektor an die Politik. Es wird vorgeschlagen, die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie in Bezug auf die deutsche Automobilindustrie zu konkretisieren. Systemische politische Steuerungsmechanismen sollten entwickelt werden, um die Kreislaufwirtschaft industrieübergreifend zu fördern. Die Ausgestaltung der End-of-Life-Vehicle-Regulation sollte sowohl horizontale als auch vertikale Ansätze kombinieren, um die Materialrückgewinnung und -qualität zu verbessern. Remanufacturing sollte als wesentlicher Bestandteil der Kreislaufwirtschaft anerkannt und gefördert werden.

Zusammenfassend betont das Papier die Notwendigkeit einer umfassenden und integrierten Strategie zur Förderung der Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie. Es fordert klare rechtliche Rahmenbedingungen, wirtschaftliche Anreize für zirkuläre Geschäftsmodelle und eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren der Wertschöpfungskette einschließlich der Wissenschaft, um die Chancen der Kreislaufwirtschaft auszuschöpfen und die Herausforderungen zu bewältigen.

Quelle: ETA – Handlungsempfehlungen für die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie: Chancen und aktuelle Herausforderungen (PDF)

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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ediwi:

Das stimmt. Der alte R 4 war allerdings noch gut zwei Jahre früher „kompostiert“.
Und dieser Prozeß war hier in Ostfriesland auch durch nichts aufzuhalten …

Frank2:

Solche Autos gab es schon mal – VW Käfer !
Der hat sich in 8-10 Jahren im Schweizer Winter bei Schnee und Salz tatsächlich sehr effinzient „kompostiert“.

Peter Bigge von Berlin:

Kreislauf ist immer gut, langer Lebenszyklus von Produkten noch besser.
Leider besteht wieder die Gefahr der Verbürokratisierung, welche bei gebrauchten Slippern sich die Krone aufsetzt.
Hersteller sollten verpflichtet werden, bei End-Of-Life ihre Produkte zurückzunehmen und wiederzuverwerten, dann werden sie sich vorher bereits Gedanken machen müssen.
Erklärt dies aber mal den Chinesen, aber vielleicht sind die darin sogar schneller,z.B.mit ihren Wechselakkus.
Es liegt aber auch am Käufer, wobei ich selbst möglichst nur auf kompostierbare Produkte schwöre und möglichst No-Plastic an mich heranlasse.

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