In der aktuellen Podcast-Folge behandle ich gemeinsam mit zwei Experten das Thema „Bidirektionales Laden im Umfeld von Elektroautos“, vor allem im heimischen Umfeld, also in Verbindung mit einer Photovoltaikanlage. Für die Folge habe ich mir nicht einen, sondern direkt zwei Experten mit an Bord geholt. Zum einen Sebastian Bothor, der bei der Intelligent Energy System Services arbeitet, und sich dort mit dem Thema „Bidirektionales Laden“ beschäftigt.
Und auf der anderen Seite habe ich Xaver Pfab zu Gast, der 37 Jahre lang im BMW-Umfeld tätig war, in der Projektleitung, und hat sich dort eben auch zuletzt mit dem Thema E-Mobilität, bidirektionales Laden, das Zusammenspiel mit erneuerbaren Energien beschäftigt.
All diese Erfahrungen treffen in der Folge zusammen. Dreißig Minuten geballter Input zum Thema „Bidirektionales Laden, Vehicle-to-Home“. Also einschalten, zuhören und einiges lernen. Und es wird nicht die letzte Folge sein. Wir gehen Stück für Stück tiefer rein in die Geschichte. Wir gehen rein ins Gespräch. Mach es gut.
Gerne kannst du mir auch Fragen zur E-Mobilität per Mail zukommen lassen, welche dich im Alltag beschäftigen. Die Antwort darauf könnte auch für andere Hörer des Podcasts von Interesse sein. Wie immer gilt: Über Kritik, Kommentare und Co. freue ich mich natürlich. Also gerne melden, auch für die bereits erwähnten Themenvorschläge. Und über eine positive Bewertung, beim Podcast-Anbieter deiner Wahl, freue ich mich natürlich auch sehr! Danke.
Transkript zu Nucleus7: Wasserstoff für urbane Mobilität
Sebastian
Hallo Herr Pfab, hallo Sebastian, vielen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt, dass wir uns heute ein Stück weit zum bidirektionalen Laden austauschen können im Umfeld der E-Mobilität. Thema, was uns ja alle irgendwo beschäftigt, gerade mit eigenen Photovoltaikanlagen, Lademöglichkeiten zu Hause und einer steigenden Anzahl von E-Autos.
Es bringt aber natürlich seine Herausforderungen so mit sich, wie wir ja wissen oder ihr natürlich noch besser. Bevor wir dann in das Thema einsteigen, stellt euch doch gerne mal selbst vor. Vielleicht beginnt mit Ihnen, Herr Pfab, dann gefolgt vom Sebastian, bevor wir dann eben tiefer eintauchen.
Xaver Pfab
Ja, sehr gerne. Ich bin der Xaver Pfab, war 37 Jahre lang bei BMW tätig in der Entwicklung und die letzten Jahre eben sehr stark im Bereich Elektromobilität, mit dem Schwerpunkt: Wie schaffen wir es, die vielen, vielen künftigen Elektrofahrzeuge in die Stromnetze zu integrieren?
Die Königsdisziplin nach dem intelligenten Laden ist hier einfach das bidirektionale Laden, das heißt die Idee, den Speicher von einem Elektrofahrzeug, der sehr groß ist, eben nicht nur zum Fahren zu verwenden, sondern eben auch zu Hause beim Kunden oder vielleicht sogar eben dann darüber hinaus im großen Energiesystem.
Diese Gedanken, die haben wir Wirklichkeit werden lassen in verschiedenen Pilotprojekten, zuletzt im bidirektionalen Lademanagement-Projekt, das wir Ende letzten Jahres abgeschlossen haben, wo ich eben die Freude hatte, dieses Projekt gesamthaft zu leiten.
Sebastian Bothor
Dann übernehme ich ganz kurz. Lieben Dank, Xaver. Sebastian Bothor, mein Name. Ich bin Senior Manager bei Intelligent Energy System Services GmbH, das sozusagen seit mehr als vier Jahren jetzt. Und wir sind ein Joint Venture aus den beiden Mutterhäusern TransnetBW und MHP Management- und IT-Beratung GmbH und haben uns als eine der Hauptaufgaben gesetzt, an der Schnittstelle zwischen Energie und Mobilität zu beraten.
So und da durften wir ja glücklicherweise, Xaver, mit dir schon seit mehr als drei Jahren jetzt zusammenarbeiten, eben zu diesen Themen und eben auch zu Themen drumherum. Das Thema „Bidirektionales Laden“, aber auch das bidirektionale Laden im Kontext, ich sage jetzt einfach mal, des aufeinander Zugehens zwischen Energie, Technik, Energiewirtschaft und Automobilwirtschaft.
Und Automobiltechnik ist unglaublich spannend, facettenreich. Es gibt ganz klare Ziele, ganz klare Chancen, die sich da aufzeigen. Und es gibt auch schon erste Lösungswege, über die wir bestimmt gleich noch sprechen. Ich selber war davor bei einem etwas größeren Netzbetreiber tätig, kenne also den Netzbetrieb und die Energiewirtschaft recht gut, wenn ich so selbstbewusst sein darf und freue mich auf unser Gespräch.
Sebastian
Ich mich auch, vielen Dank schon mal für die Vorstellung. Jetzt haben wir auch schon das Wort „Bidirektionales Laden“ des Öfteren ins Gespräch reingebracht. Es gibt natürlich unterschiedlichste Ausprägungen davon. Von dem Hintergrund unserer Zuhörer:innen würde ich mich jetzt erst mal auf Vehicle-to-Home begrenzen, dass wir da ein klar abgestecktes Feld haben.
Das heißt für mich als Laie, ich kann den Strom, der aus meiner Photovoltaikanlage beispielsweise kommt, nicht nur in einem stationären Batteriespeicher speichern, sondern kann das eben auch in meinen Akku eingeben, also Akku von dem E-Auto, kann es aber bei Bedarf auch wieder in das System Haus sozusagen zurückspeisen.
Aber vielleicht kann der Herr Pfab da auch noch mal die bessere Definition vornehmen sozusagen, damit wir da auch eine klare Abgrenzung für unser Thema hier haben.
Xaver Pfab
Vehicle-to-Home, denke ich, ist ein guter Ausgangspunkt für unseren Diskurs, weil Vehicle-to-Home ist eigentlich einer der nächstliegenden Anwendungsfälle für das bidirektionale Laden schlechthin.
Wenn man sich überlegt: Kunde hat ein Einfamilienhaus mit einer Photovoltaikanlage, sinnvollerweise jetzt dann auch ein Elektrofahrzeug mit einer – wie gesagt – schon sehr großen Batterie, die um ein Vielfaches größer ist wie die typischerweise verbauten Stationärbatterien in Verbindung mit Photovoltaikanlagen.
Dann drängt sich natürlich schon die Frage auf: Wie viel Batterie braucht der Haushalt? Gibt es da eventuell schlaue Möglichkeiten, das zu kombinieren, um eben hier die Fahrzeugbatterie – die Batterie ist ja das kostbarste Teil im Fahrzeug mittlerweile geworden – auch mit teuren wertvollen Rohstoffen.
Da drängt sich ja von der Seite kommend her auch die Frage auf: Gibt es hier die Möglichkeit einer synergetischen Mehrfachnutzung? Und eben für Kunden mit einer Photovoltaikanlage ist das, denke ich, der nächstliegende Use Case.
Wir haben das in dem bereits erwähnten BDL-Projekt sehr ausführlich mit 20 Pilotkunden über ein Jahr lang in der Praxis getestet und kommen tatsächlich zu dem Schluss, dass das nicht nur eine Angelegenheit ist, die emotional sehr interessant ist aus den eben geschilderten Gründen, sondern die auch rational sehr gute Ergebnisse geliefert hat.
Wo wir eben gelernt haben, dass man im Mittel durchaus Perspektiven hat, hier mehrere hundert Euro pro Jahr an Stromkosten einfach einzusparen durch den Effekt, dass ich tagsüber die Solarleistung eben hier nutzen kann, den Fahrzeugspeicher vollladen kann – vorausgesetzt, das Fahrzeug ist natürlich zu Hause oder zu großen Zeiteinteilen zu Hause – und diesen Strom eben dann in den Nachtstunden oder an Tagen, wo die Sonne eben nicht scheint, eben dann hier im Haushalt entsprechend zu nutzen.
Dann spare ich mir eben genau in diesen Zeitfenstern den Bezug von Strombezug von meinem Energieversorger. Und das wirkt sich wirklich in barer Münze sehr anschaulich aus. Es ist natürlich auch individuell unterschiedlich. Das heißt, die individuellen Gegebenheiten im Kundenhaushalt spielen hier eine starke Rolle.
Wie groß ist etwa die Photovoltaikanlage? Hat der Kunde eine Wärmepumpe? Also sprich, hat er einen hohen Energieverbrauch in seinem Haushalt? Nämlich insbesondere dann für diesen letzteren Fall ist es eine sehr wertvolle Option. Also sprich, da ist das Einsparpotenzial eben dann entsprechend umso größer.
Und da gibt es natürlich noch eine weitere Reihe von Facetten, die eben hier auch interessant werden können. Mehr und mehr diskutiert man jetzt auch in Deutschland über variable Stromtarife.
Die könnten dann sogar auch bei einem Kundenhaushalt ohne eine Photovoltaikanlage dann für eine Situation sorgen, dass sogar für solche Kundengruppen der Speicher des Elektrofahrzeugs ein durchaus interessanter Aspekt für so ein kleines lokales Energiesystem werden könnte.
Und dahinter, aber da werden wir dann später dazu kommen, tut sich eben dann die ganze Dimension der Vehicle-to-Grid-Anwendungsfälle auf. Aber da möchte ich jetzt nicht vorgreifen.
Sebastian
Vielen Dank schon mal auf jeden Fall für diese Einleitung und für die Einordnung der Thematik. Jetzt würde ich an Sebastian vielleicht mal übergeben, der uns so einen, ich sage mal, Blick auf den Markt vielleicht werfen kann.
Wir haben ja unterschiedlichste Player am Markt, die davon betroffen sind. Angefangen von den Herstellern, die ja ihre PKWs entsprechend ausrüsten müssen. Wir brauchen die Wallboxen, die damit zusammenspielen. Die Stromnetzbetreiber spielen ja noch eine Rolle.
Und dann haben wir ja schlussendlich noch die Politik, die jetzt mal hier für Gesetz und Regulierung steht. Vielleicht magst du uns da ein Stück weit abholen, was Stand der Dinge aktuell ist.
Sebastian Bothor
Wenn wir jetzt, wie du ja schon so ein wenig angedeutet hast zwischen den Zeilen, mal auf Deutschland blicken und dann würde ich im Nachgang gerne auch mal kurz den Blick über die nationale Grenze hinaus weiten lassen, dann würde ich sagen, ja, bidirektionales Laden liegt eigentlich in der Motivation von allen Stakeholdern oder in allen Stakeholder-Bereichen.
In der Politik auf der einen Seite, der Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung hat es ja geschrieben, im Sinne von „Wir machen bidirektionales Laden möglich“, hat ja tatsächlich erkannt, dass in dem bidirektionalen Laden eine sehr große Chance steckt, den erneuerbaren dargebotsabhängigen Energien auch wirklich einen adäquaten Partner zur Seite zu stellen.
Der letzten Endes als Speicherung oder eben als Flexibilität bezeichnet werden kann, als Energieflexibilität. Ich glaube, das ist recht simpel sozusagen zu verstehen, dass die Divergenz zwischen Angebot und Nachfrage im Strombereich größer wird und dass man da eben eine Brücke braucht, die unter anderem durch die Bidirektionalität gegeben sein können.
Die ganzen Player in dem wirtschaftlichen Bereich, im Industriebereich, und du hattest es ja gerade schon gesagt, Sebastian, die OEMs, ich glaube alle, nicht nur die Deutschen, sondern eben auch die in Deutschland aktiven Automobilhersteller und Lieferanten haben erkannt, dass das ein Riesenthema ist, das durchaus, denke ich, auch disruptiv wirken kann auf Geschäftsmodelle und eben auch die technischen Entwicklungen.
Dann ist es nur folgerichtig, dass die OEMs sich damit eingehend beschäftigen. Es gibt ja auch die eine oder andere Ankündigung, die öffentlich ist, dass sich die Hersteller damit auch tatsächlich beschäftigen und, ja, bald, so würde ich es mal ausdrücken, Produkte und Services und Technologie auf den Markt bringen.
Die Ladeinfrastruktur, Lieferanten und Entwickler haben damit verbunden auch nicht die leichteste Aufgabe, aber eben auch eine sehr große Chance, will ich mal sagen, das Ganze auch – und jetzt kommt der erste Schwenk in Richtung Internationalität – auch als Export-Chance zu verstehen.
Denn bidirektionales Laden wird sicherlich nicht nur in dem Land, in dem wir jetzt leben, sozusagen relevant sein, sondern durchaus auch in Ländern, in denen vielleicht jetzt schon sozusagen eine Notwendigkeit dafür besteht, aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet.
Die Kunden auf der anderen Seite, die letzten Endes dann natürlich den primären Anwendungsfall im Fahrzeug haben, von A nach B zu kommen, werden Stück für Stück sozusagen die Informationen auch explizit wahrnehmen.
Entweder direkt oder indirekt über Freunde, Familie, Bekannte, die Presse, dass eben in Elektrofahrzeugen, die auch entladen werden können, viel mehr steckt als nur ein Fahrzeug, sondern dass ein Stehzeug an sich auch einen sehr hohen Wert haben kann für den Einfamilienhausbesitzer, aber eben auch, wenn wir mal den Community-Gedanken einmal ganz kurz erwähnen wollen, vielleicht auch in dem Sinne, dass man sich ja gegenseitig gegebenenfalls auch aushelfen kann.
Im Vehicle-to-Vehicle-Fall wurde es gerade schon angesprochen, aber vielleicht auch im Sinne dessen, dass hinter einem größeren Netzanschlusspunkt in Wohnungseigentümer-Gemeinschaften man vielleicht auch insgesamt schaut, wie kann man ja den Strom einfach besser nutzen oder aufteilen.
Ganz kurz noch die internationale Brille. Wir wissen, dass nach Fukushima in Japan die Elektrofahrzeuge tatsächlich sehr breit schon als Eigenstrom-Versorgungstechnologie eingesetzt werden. Da ist es ja durchaus mit einem anderen Ladestandard schon üblicher.
Wir wissen auf der anderen Seite, dass in den Märkten und Ländern, in denen vielleicht nicht überall ein dreiphasiger Netzanschluss zur Verfügung steht – und wir gehen ja rein rechnerisch in Deutschland von ich sage mal bis zu 30 Kilowatt Spitzenlast, die möglicherweise bezogen werden kann, pro Haushalt, aus – dann ist es in anderen Ländern so, dass deutlich weniger in der Spitze verbraucht werden kann.
Wir wissen auch, dass wir in Deutschland das Glück haben, dass wir eine sehr geringe Ausfallrate der elektrischen Energieversorgung haben von weniger als 15 Minuten, glaube ich. Und das sieht in anderen Ländern leider auch anders aus.
Auch in diesen Fällen, wir haben es bei dem letzten Blizzard in Texas gesehen, können ja bei dem entsprechenden Marktdesign des Energiemarkts – Stichwort Nodal Pricing – ja auch sehr hohe individuelle Stromkosten über mehrere 10.000 € dann pro Jahr entstehen, was natürlich auch eine sehr große und ziemlich deutliche Motivation für die Nutzung des bidirektionalen Ladens sein kann.
Also zusammenfassend: In Deutschland haben wir den Trend erkannt. In den Ländern außerhalb Deutschlands ist die Notwendigkeit und die Sinnhaftigkeit genauso gegeben. Deswegen gehe ich sehr stark davon aus, dass das ein sehr, sehr zentrales Thema und eine sehr breit eingesetzte Technologie werden wird.
Sebastian
Das ist ja schon mal schön, sage ich mal, dass das Problem, die Herausforderung nicht nur in Deutschland erkannt wurde, sondern eben weltweit, um das mal auf den Punkt zu bringen. Aber wir haben … Oder in dem einen Nebensatz hattest du das schöne Wort Ladestandard mit hineingebracht.
Standard ist, glaube ich, auch der Spruch, den … Oder den Ansatz, den wir hier mal aufgreifen müssen. Normen, Standardisierung, gerade bei uns in Deutschland. Wir sind da ja auch immer Vorreiter bei so einer Geschichte, was natürlich auch sein muss, wenn man das global betrachtet, die Geschichte.
Ein Hersteller will ja auch nicht fünf verschiedene Anschlussarten oder Möglichkeiten schaffen, sondern idealerweise eine, die weltweit greift. Und das ist ja auch ein Thema, wo der Herr Pfab sich mit beschäftigt hat meines Wissens nach. Und vielleicht kann er uns da ein Stück weit abholen, wie weit wir denn hier schon sind oder ob wir da noch sehr, sehr viele Hausaufgaben vor uns haben.
Xaver Pfab
Sie haben es schon erwähnt, das Laden an sich ist ja etwas, was ja weltweit funktionieren soll. Die Menschheit hat es jetzt nicht geschafft, einen einzigen Ladstandard weltweit einzuführen und zu praktizieren, sondern es gibt halt einige verschiedene:
Den japanischen CHAdeMO-Standard, in China gibt es einen eigenen Standard, der aber gewisse Ähnlichkeiten hat zu dem in Deutschland und den USA weit verbreiteten Combined Charging Standard, CCS.
Und nicht zu vergessen natürlich ein sehr prominenter Fahrzeughersteller, ein junger neuer Fahrzeughersteller, hat sich genau genommen auch seinen eigenen Standard gemacht, weil der eben schnell zu Markte kommen wollte, nicht nur mit seinen Fahrzeugen, sondern auch mit der Ladeinfrastruktur, die er eben auch erfolgreich ausgerollt hat.
So, und das ergibt eben jetzt eine Gemengelage, die schon sehr anspruchsvoll ist, was das einfache Laden anbelangt, sowohl das AC-Laden, also mit Wechselstrom zu Hause, als auch das DC-Schnellladen im öffentlichen Bereich und in Schnellladestationen.
Und gerade das bidirektionale Laden setzt da allerdings noch einiges drauf, weil jetzt, ich sage mal, der Stromfluss in beiden Richtungen gehandhabt werden muss. Das heißt, fahrzeugseitig muss man entsprechende Instrumentarien entwickeln, um das Stand heute fehlerhafte Verhalten eben dann sozusagen zu legalisieren und so zu gestalten, dass das eben auch fehlerfrei und reibungslos wie gewünscht abgewickelt werden kann.
Das heißt, hier braucht es auch einen sehr engen Nachrichten- und Datenaustausch mit der Wallbox hier in diesem Falle. Das regelt heute – da bin ich sehr froh drum – inzwischen die veröffentlichte ISO 15118-20, den Begriff wird vielleicht auch der eine oder der andere Laie schon mal gehört haben.
Das regelt eben jetzt schon mal die Interaktion zwischen dem Fahrzeug und der Wallbox. Reicht beim Laden in der Regel aus, beim bidirektionalen Laden aber nicht, weil – großer Unterschied – das Fahrzeug weiß, wie zu laden ist und was zu laden ist.
Beim bidirektionalen Laden liegt aber die Information, ob jetzt Leistung ins Fahrzeug, also Überschussleistung hineingegeben werden kann oder Leistung entnommen werden soll, das kann das Fahrzeug intrinsisch nicht wissen, also diese Information muss von außen kommen.
Und auch die Wallbox alleine für sich wird es auch nicht leisten können, sondern da brauche ich zusätzliche Informationen, entweder eben aus dem Gebäudesystem oder eben dann später im Fall von Vehicle-to-Grid sogar noch von einer übergeordneten Instanz, von entsprechenden Backend-Systemen, ja, gleich mehrere.
Weil natürlich auch der Fahrzeughersteller eben auch wissen soll – und da gibt es gute Gründe dafür – was da im Einzelnen passiert. Der Fahrzeughersteller hat obendrein ohnehin in der Regel Infrastrukturen mit seinen Backend-Systemen, dass er eben hier auch sehr wertvolle Informationen und Funktionen ausüben kann.
Wenn man das alles individuell regelt, kann man sicher gerne tun, aber dann bekommen wir eine Vielzahl von proprietären Lösungen. Das heißt, nur eine bestimmte Wallbox kann mit einem bestimmten Fahrzeug sprechen oder ich bleibe vorsichtshalber im Konjunktiv, weil das kann kein Wunschszenario sein.
Also das heißt, die Standardisierung, die hier erforderlich ist, um mindestens eine gewisse Interoperabilität zwischen verschiedenen Fahrzeugen, Fahrzeugherstellern, Wallbox-Systemen und -herstellern zu gewährleisten, die ist hier schon essenziell, damit eben hier auch ein wettbewerbsattraktives Marktangebot überhaupt entstehen kann.
Und deswegen haben wir uns eben hier mit weiteren Standards zu beschäftigen. Das ist zum einen noch mal die Verbindung zwischen Wallboxen, oder im Plural Ladeinfrastruktur, und diesen verschiedenen steuernden Backend-Systemen. Da gibt es seit Jahren schon das sogenannte Open Charge Point Protocol, also auch eine Standardisierungsallianz, die sich genau dieser Schnittstelle gewidmet hat.
Und auch hier gibt es mittlerweile eben auch einen veröffentlichten Standard, der das bidirektionale Laden mit berücksichtigt und in seinen Einzelheiten und notwendigen Funktionsabläufen eben hier bereits so weit implementiert hat, dass auch diese Wegstrecke beherrschbarer wird.
Als Drittes, man braucht ja dann auch noch eine gebäudeseitige Anbindung, galt es eben hier auch noch einen passenden Standard zu finden. Und das ist uns eben auch gelungen, zumindest für den deutschen und europäischen Raum in Form des sogenannten EEBus.
Das ist ein Kommunikationsprotokoll-Umfang, es besteht aus mehreren, die eben solche Energiefunktionalitäten in kleinen, aber auch in großen Haushaltssystemen eben sehr gut beherrschen kann. Und auch das ist mittlerweile so weit gediehen, dass eben hier darauf zurückgegriffen werden kann.
Wir haben jetzt in der Tat einen Zustand, dass wir damit Systemarchitekturen bauen und auch betreiben können, die alle diese Domänen, nenne ich es jetzt einmal, mit berücksichtigt und einbinden kann und auch all die dahinterstehenden Stakeholder.
Das heißt, in solchen Systemarchitekturen kann von jedem Ende aus zum anderen problemlos über diese drei Kommunikationskanäle oder -brücken eben dann auch kommuniziert und interagiert werden. Das ist gerade für die Möglichkeiten, die das bidirektionale Laden ja erbringen soll, eigentlich die Grundvoraussetzung.
Sebastian
Soweit ich das jetzt verstanden habe, dass wir quasi Standards, Normen schon alle vorgeprägt verabschiedet haben. Dem bidirektionalen Laden steht somit gefühlt nichts mehr im Weg. Aber irgendwie kommt es dann trotzdem nicht zum Tragen. Vielleicht kann da Sebastian ja auch noch mal einhaken, wie es denn dazu gekommen ist oder warum es denn nicht weitergeht im Moment vielleicht auch.
Sebastian Bothor
Ja, ich glaube, dass sich, wie vorhin beschrieben, die verschiedenen Industriebranchen da gerade noch finden, dass die letzten Endes die Geschäftsmodelle letzten Endes auch noch mal ausformuliert werden, beziehungsweise Chancen und Risiken genauer beschrieben und vielleicht insbesondere die Risiken auch noch mal mitigiert werden, dass vielleicht auch noch mal geschaut wird, wie die Rollenabgrenzung, wie es Xaver gerade schon sagte, auf der gesamten Datenkette und auf der gesamten Wirkkette, wie die Rollenaufteilung tatsächlich geschieht.
Und Xaver, da habt ihr ja im Forschungsprojekt, Verbundförderprojekt „Bidirektionales Lademanagement“ in der Tat explizit gezeigt, dass es funktioniert. Und du hattest ja gerade EEBus schon genannt. Du hattest die Ladeinfrastruktur genannt, die Fahrzeuge.
Wenn wir das mal weiterspinnen und in Deutschland noch das Thema Smart-Meter-Gateway-Rollout einbeziehen, die, ich sage mal, damit verbundenen nicht nur Standards und Normen, also im Sinne von Daten, Protokolle oder vielleicht auch Verschlüsselungsvorgaben,
Sondern auch die Verknüpfung mit den energiewirtschaftlichen Prozessen, mit der Marktkommunikation in der Energiewirtschaft einbeziehen, dann merken wir, dass hier zwei durchaus in sich komplexe Systeme, naturgemäß komplex, dass die zusammenwachsen müssen. Und das ist eben kein von heute auf morgen, sondern Xaver weiß es, wie viel Arbeit da drinsteckt.
Xaver Pfab
Völlig richtig. Und das können wir auch ruhig, glaube ich, hier noch mal vertiefen, weil das ist nicht nur eine technische Aufgabenstellung und eine technische Herausforderung, sondern das ist auch eine … Hat eine starke mentale Komponente dahin gehend.
Stellen wir uns mal vor, wir müssten jetzt von heute auf morgen mit einem uns bisher nicht bekannten Menschen eben hier sehr eng interagieren oder zwei Unternehmen eben hier entsprechend zusammenarbeiten, die bisher keinerlei Notwendigkeit hatten, miteinander sehr eng zusammenzuarbeiten.
Und bidirektionales Laden ist für mich immer so eigentlich ein Musterbeispiel für das, was Sektorkopplung eigentlich bedeutet. Sektorkopplung ist ein Wort, das jeder sehr gerne in den Mund nimmt. Aber was es dann operativ und auch im strategischen Denken bedeutet, ist den meisten noch gar nicht klar, was da eben auch, ich sage mal, auf der zwischenmenschlichen Seite eben hier dann entsprechend auch zu bewältigen ist.
Einen Punkt möchte ich auch noch bei den Standards anbringen. Und zwar, wenn wir vorher sehr ausführlich auf die Kommunikationsstandards eingegangen sind, dann muss auch erwähnt werden:
Das ist noch nicht die ganze Miete, die hier zu berücksichtigen ist, sondern es gibt ja letztlich Architekturen, also letztlich Gesamtsysteme, innerhalb deren Systemgrenzen eben hier eine Kommunikation und Interaktion stattfinden soll. Und hier muss man sich auch überlegen, wie wollen wir das grundsätzlich haben?
Ich picke ein Beispiel heraus. Will man etwa dieses Rückspeisen aus dem Fahrzeug heraus über den Wechselstrom-Pfad machen oder soll man es über einen Gleichstrom-Pfad machen? Das schaut im Detail zunächst einmal relativ unbedeutend aus, ist aber eigentlich eine sehr fundamentale und grundlegende Fragestellung.
Denn diese beiden Lösungswege sind sicherlich nicht miteinander kombinierbar, sondern da muss man sich entscheiden, macht man es auf dem Wechselstrom-Pfad oder auf dem Gleichstrom-Pfad und richtet danach eben dann auch die ganzen zukünftigen Produkte dementsprechend auch aus.
Und das Dritte, es ist die Frage: Wie gestaltet man dann gemeinsam Funktionen? Das sind alles miteinander sehr stark vernetzte Funktionen. Auch hier, so meinen Erfahrungen zufolge, empfiehlt es sich noch stärker als bisher bereits getan, darüber nachzudenken: Wären nicht auch funktionale Standards, also wie löse ich bestimmte Funktionen auf, eben hier noch stärker eigentlich in den Fokus zu nehmen?
Sebastian
Vielen Dank auch noch mal da für die Ausführung jetzt und dass wir da auch einen besseren Überblick bekommen haben, warum es eben nicht nur ausreicht, gewisse Standards und Normen zu verabschieden, sondern dass daraus dann natürlich auch Taten, Umsetzungen folgen müssen, auch Geschäftsmodelle geschaffen werden, damit da überhaupt was geschieht, so wie du das jetzt gesagt hattest, Sebastian.
Vielleicht zum Abschluss, weil wir doch schon weiter vorangeschritten sind und wahrscheinlich noch stundenlang darüber sprechen können über das Thema in unterschiedlichsten Ausprägungen:
Kannst du uns noch ein Stück weit einen Ausblick darauf geben, wie sich der Markt entwickelt? Und vielleicht gibt es auch so eine zeitliche Einschätzung, wo ihr sagt, okay, dieses Vehicle-to-Home ist in den nächsten drei Jahren, fünf Jahren oder 50 Jahren dann erst ein Thema für uns, dass wir da …
Aber ich glaube, so lange dauert es hoffentlich nicht, aber dass wir das auch unseren Zuhörer*innen mit auf den Weg geben und sagen können: Die Hoffnung besteht, das wird schon zeitnah erfolgen, ihr bekommt das alle noch mit.
Sebastian Bothor
Also ich fange mal mit einem Postulat an. Vehicle-to-Home kommt in den nächsten drei Jahren massenmarktfähig verfügbar, wenn sich da nicht noch irgendjemand, was in dem Sinne eine Hürde überlegt, was ich überhaupt nicht glaube. Und ich glaube auch, dass das nicht nur in Deutschland so sein wird, sondern durchaus in einigen Ländern auf der Welt.
Insofern würde ich sagen, es geht gar nicht anders als bidirektionales Laden unter anderem auch für die Integration von deutlich mehr Photovoltaikanlagen und der darin erzeugten elektrischen Energie zu nutzen.
Wir brauchen das. Das wird ganz hervorragend werden. Und ich glaube, das ist die richtige Basis, damit es dann weitergeht. Und damit es weitergeht, müssen wir die Herausforderungen in, ich würde es jetzt mal gerne in vier Dimensionen unterteilen, angehen.
Gemeinsam, im Sinne von branchenübergreifend, Xaver hat es gerade gesagt, sektorübergreifend im Sinne der Sektorkopplung, im Sinne des voneinander Lernens und miteinander Wachsens und miteinander besser Werdens.
Die Dimensionen sind aus meiner Sicht die Thema-Wirtschaftlichkeit. Wir tun in einem wettbewerblich organisierten Wirtschaftssystem etwas, wenn es einen monetären Erlös bringt.
Also sollte es sowohl für diejenigen, die diese Technologie anbieten, als auch für diejenigen, die diese Marktintegration und die Netzintegration anbieten, als auch für die Kunden, die letzten Endes die Technologie bezahlen und den Service in Anspruch nehmen, insgesamt ein positiver Business-Case sein. Und beziehungsweise: Was heißt jetzt positiver Business Case? Also es sollte unterm Strich eher zu einem Erlös anstatt zu einem zu gesteigerten Kosten führen.
Darüber hinaus, wir hatten es ganz am Anfang, die Politik zusammen mit der Gesetzgebung im Sinne der Gewaltenteilung. Ja, zwei Entitäten in Deutschland müssen sich darum kümmern, dass das tatsächlich möglich wird, dass Hürden abgebaut werden. Das betrifft dann eben nicht nur die, ich sage mal, große Gesetzgebung der Anpassung des Energiewirtschafts-Gesetzes, sondern da geht es auch um die Vorgaben bis hin zu Stromnetz-Entgeltverordnung et cetera. Regulatorisch muss es also passen.
Denn die Technik an sich, zusammen mit dem Thema Standardisierung und Normierung, wie es Xaver gerade schon sagte und im Detail erläutert hat, ist an vielen verschiedenen Stellen, an den ganzen mindestens 30 Schnittstellen, wenn wir mal die Datenkette von einem Netzbetreiber-Leitwarte bis tatsächlich den Batterie-Management-System in einem Fahrzeug betrachten. Die muss funktionieren, die muss hoffentlich interoperabel sein oder sollte es sein.
Da gibt es einige Themen, aber sie sind identifiziert. Wenn man etwa das „Wirkkette Laden“-Projekt des CharIN e.V. mal anschaut, wenn man das bidirektionale Laden anschaut, wenn man das Projekt „unIT-e² – verNETZtes Reallabor, Elektromobilität“ anschaut, all da werden diese Dinge nicht nur untersucht, sondern eben auch umgesetzt.
Und ganz entscheidend ist natürlich, dass die Technologie, die Regulatorik und die Geschäftsmodelle so gestaltet sind, dass es auch eine Abnahme gibt, dass also auch Kunden, die sich für Elektromobilität und erneuerbare Energienintegration interessieren und sich dafür motivieren können, dass die diese Produkte auch tatsächlich massenhaft abnehmen.
Insofern dürfen sie nicht extrem viel teurer sein als die alternativen Produkte, die nicht bidirektionales laden können. Sie dürfen aber auch durchaus trotzdem hübsch aussehen und schick sein. Und vor dieser Herausforderung stehen natürlich auch alle Unternehmen in diesem Kontext. Insofern, es gibt noch was zu tun, aber es ist alles gestaltbar.
Sebastian
Das sind doch schöne Worte zum Schluss. Vielen Dank für eure Zeit für die Einblicke und dafür, dass wir unsere Leser:innen und Zuhörer:innen da auf ein neues Level hoffentlich gehoben haben im Thema „Bidirektionales Laden“.
Und vielleicht hören wir uns bei einer kommenden Folge wieder, wenn wir das Thema dann in einem anderen Schwerpunkt beim bidirektionalen Laden noch mal ein Stück weit vertiefen. Vielen Dank für eure Zeit.
Xaver Pfab
Sehr gerne.
Sebastian Bothor
Sehr gerne. Danke, Sebastian.