Ex-Audi-Sport-Chef: Chinas Tempo setzt Maßstäbe

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Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 3 min

Sebastian Grams, der von März 2021 bis September 2023 die Audi Sport GmbH leitete, gewährt in einem ausführlichen Interview Einblicke in die Herausforderungen der deutschen Automobilindustrie, die Gründe für seinen Rücktritt und seine Pläne für die Zukunft. Grams äußert sich besorgt über die aktuelle Lage der Branche und bezeichnet sie als „schwieriges Fahrwasser“. Er sieht insbesondere die wachsende Konkurrenz durch neue Marktteilnehmer aus China und den USA als problematisch.

„Die Konkurrenz wird größer, und die deutsche Automobilindustrie ist nicht gut aufgestellt“, warnt er. Besonders kritisch betrachtet Grams den alleinigen Fokus auf Elektromobilität und plädiert für eine breitere technologische Aufstellung. „Ich halte es für gefährlich, nur auf Elektromobilität zu setzen. Hersteller mit einer antriebsoffenen Strategie sind besser positioniert“, findet er. Ein zentraler Punkt seiner Kritik ist die Geschwindigkeit, mit der neue Player aus China und den USA agieren. „Ein chinesischer Hersteller benötigt heute für ein komplett neues Produkt von der Entwicklung bis zum Markteintritt nur 48 Monate. Mit dieser Geschwindigkeit können Sie in Europa nicht mithalten“, stellt er fest.

China profitierte von Subventionen, Rohstoffen und absolutem Fokus

Neben der Effizienz hebt Grams die strategischen Vorteile der chinesischen Hersteller hervor, die von staatlichen Subventionen und einer dominierenden Stellung im Bereich der Rohstoffe für Batterien profitieren. „Das ist kein Vergleich zu früheren Herausforderungen durch Japan oder Südkorea. Chinesische Hersteller werden durchfinanziert, selbst wenn am Ende nur zehn von fast 100 überleben. Diese zehn werden Europa gefährlich.“ Auf die Frage, ob die deutsche Automobilindustrie noch in einzelnen Bereichen führend ist, nennt Grams den Verbrennungsmotor, Chassis-Entwicklung und Sicherheitslösungen. Doch auch hier sieht er Herausforderungen: „Die Frage ist doch: Wie lange sind diese Disziplinen überhaupt noch relevant?“ Sogar beim Design hätten chinesische Marken durch die Verpflichtung europäischer Spitzen-Designer aufgeholt.

Grams‘ Entscheidung, Audi zu verlassen, war laut eigenen Aussagen nicht impulsiv, sondern ein über Jahre gereifter Prozess. „Es hat mir meine Entscheidung zumindest einfacher gemacht, dass ich den Eindruck hatte, dass die Branche in Deutschland wirklich ungemütlich wird.“ Grams betont, dass er sich auf Vorstandsebene weiterentwickeln und neue Erfahrungen sammeln wollte. Dabei reizte ihn die Möglichkeit, auch in einer anderen Branche zu arbeiten. „Stillstand war nie mein Ding“, erklärt er.

Schlanke Strukturen könnten zu Erfolg bei Audi führen

Trotz seiner Kritik erkennt Grams die Bemühungen der Audi-Führung unter Gernot Döllner an, die Organisation zu modernisieren. „Die Dieselkrise hat Audi durchgeschüttelt und zu einer Vielzahl an Kontrollinstanzen geführt, die die Organisation gelähmt haben. Der neue Kurs, diese Strukturen zu verschlanken, ist absolut richtig.“ Dennoch mahnt er, dass der Übergang zur Elektromobilität behutsam gestaltet werden müsse, um Kunden und Händler mitzunehmen: „Transformation funktioniert nicht im Schwarz-Weiß-Modus.“ 

Auch die strategische Abhängigkeit von Konzernentscheidungen innerhalb des Volkswagen-Konzerns bewertet Grams als zweischneidig. „Komponenten in großen Stückzahlen über mehrere Marken hinweg einzusetzen, senkt die Kosten drastisch. Aber in der Elektromobilität wird es immer schwerer, sich durch Plattformen zu differenzieren.“ Für Audi Sport sei es oft eine Herausforderung gewesen, Performance-Elemente in die vorgegebenen Plattformen zu integrieren.

Abschließend betont Grams seine emotionale Bindung an Audi: „Ich trage die vier Ringe weiterhin im Herzen und wünsche Audi und dem gesamten VW-Konzern nur das Beste.“ Den Übergang zu Elektromobilität sieht er als unumgänglich, appelliert jedoch daran, diesen Weg strategisch klug und nicht zu einseitig zu gestalten.

Quelle: Automobilwoche – Ex-Audi-Manager Grams: „Die deutsche Autoindustrie ist nicht gut aufgestellt“

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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Frommann Markus:

Die Fokussierung auf Batterien sei nicht die Lösung. Im restlichen Artikel geht es aber nur um den krassen Vorteil der Chinesischen und die bauen nun mal BEV. Kein Kostenverständnis, den Alternativen wie E-Fuels und Wasserstoff (beides grün basierend) ist nicht zu bezahlen und technisch/ökonomisch sowie ökologisch nicht sinnvoll.

Pedro G.:

WARUM wird der kommende 4Zyl-Motor von Mercedes in CHINA gefertigt ?
CLA PlugIn-Hybrid !

Sagitarius:

Der Opa soll mal mit seinem seit 25 Jahren ausgelutschten Opa Singleframe Design gleich mit in Rente.

Die chinesischen und amerikanischen Kunden haben ihm das altbackene Design schon ausgetrieben. Umsonst gegen die Verkaufszahlen in den USA und besonders China ins bodenlose. In China ist man schon soweit, dass man die 4 Ringe weglässt und das neue Design vom chinesischen Startup kommt.

Gastschreiber:

Eine Person, die mit seiner, abgelegten Tätigkeit versucht Aufmerksamkeit zu erhaschen. Erinnert mich etwas an diese „technologieoffenen“ Vertreter.
Ich bin sicher, er wird seine Plattformen finden, wo er mit diesen Thesen Wasser auf die Mühlen gießen wird.
Ansonsten viele Worte ohne roten Faden und ein bisschen Schrotflinte, in der Hoffnung, irgendetwas wird schon treffen.
Vielleicht sollte er sich, ich nehme seinen letzten Halbsatz, klug und nicht zu einseitig verhalten. Denn ein konkretes Ziel vor Augen zu haben ist nicht „einseitig“.

Sledge:

Der widerspricht sich doch selbst und merkt es nicht einmal. Auf der einen Seite die Forderung nach der unsäglichen deutschen Technologieoffenheit, und auf der anderen Seite möchte er den absoluten Focus. Technologieoffenheit ist doch nur der Euphemismus für Entscheidungsschwäche.

Wenn alle Topmanager der deutschen Automobilindustrie ein derartiges Mindset haben, wundert mich der schleichende Niedergang dieser Industrie nicht mehr.

Wolf Bauef:

Ziemlich dummes Gewäsch. Sich auf Vorstandsebene weiter entwickeln zu wollen, aber vor Problemen weg zu laufen, passt nicht. Dito die Warnung, nicht nur auf Elektromobilität zu setzen. Im nächsten Absatz wird die deutsche Führung im Verbrennerbereich betont und danach gefragt, wie lange der noch relevant ist. Sehr konfus. In Vorständen braucht es Macher, keine Schwätzer!

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