Gläserne Autofahrer: Ereignisdatenspeicher im Pkw wird Pflicht

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Wolfgang Gomoll
Wolfgang Gomoll
  —  Lesedauer 4 min

Ab diesem Juli wird der lange diskutierte Datenspeicher bei neu zugelassenen Fahrzeugen Pflicht. Was Transparenz bei Unfällen bringen soll, birgt jedoch auch Gefahren. Neben dem Risiko des Datendiebstahls könnten auch Informationen erfasst werden, die auf falschen Fakten beruhen.

Anfang Juli ändert sich erneut einiges für die Autofahrer in Europa. Dann treten mehrere neue Verordnungen der EU in Kraft. Darunter Systeme wie der Event Data Recorder (EDR), der im Falle eines Unfalls in einer Spanne von fünf Sekunden vor bis 300 Millisekunden nach dem Unglück aktuelle Fahr- und Fahrzeugdaten aufzeichnet. Beim Erlass der Verordnung erklärte die Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager: „Die Technologie hilft uns, das Sicherheitsniveau unserer Autos zu erhöhen. Heute stellen wir sicher, dass unsere Vorschriften es uns ermöglichen, autonome und fahrerlose Fahrzeuge in der EU in einem Rahmen einzuführen, der die Sicherheit der Menschen in den Mittelpunkt stellt.“

Auf dem Weg zur autonomen Mobilität ergibt diese Blackbox durchaus Sinn. Bei einem Robo-Auto haftet nämlich der Hersteller im Falle eines Crashs, und da belegen die Daten das etwaige Fehlverhalten des Auto-Piloten. Allerdings birgt so ein Datenspeicher, der bei jedem Neustart des Wagens aktiv sein muss, auch einige Risiken. Schließlich sind moderne Fahrzeuge rollende Computer mit einer Vielzahl an Steuergeräten und anderer Elektronik. Als im Jahr 2021 die Pläne der EU, einen solchen Datenspeicher einzuführen, konkret wurden, stellte das Fachinformationsportal Datenschutz & Datensicherheit zusammenfassend fest: „Der rechtliche Rahmen scheint durchaus dafür auszureichen, einen Unfallhergang aufgrund der erfassten Daten eines Unfalldatenspeichers zu rekonstruieren, ohne gegen die Grundsätze der DSGVO zu verstoßen. Wie es sich mit den übrigen Daten verhält, die in aktuellen Fahrzeugen erfasst werden, bedarf weiterer Klärung.“

Das sieht der ADAC ähnlich: „Autofahrerinnen und Autofahrer wissen nicht, welche Fahrzeugdaten darüber hinaus gespeichert werden und haben auch keinen Zugriff darauf. Bislang kann der Autohersteller allein entscheiden, für wen die vom Auto generierten Daten zugänglich sind.“ Bei der Untersuchung von vier Automobilen verschiedener Hersteller stellten die Experten des Automobilclubs bereits 2016 fest, dass Daten gesammelt werden, die im „Sinne des Verbraucherschutzes aufgefallen sind“.

Interessant ist auch, dass sich die Sammelwut der Autobauer unterscheidet. Da aktuell nur der Hersteller Zugriff auf die Daten haben, ist die Konsequenz klar. „Eine gesetzliche Regelung muss sicherstellen, dass Fahrzeugbesitzer selbst über ihre Daten verfügen, die Freigabe an Dritte steuern und von der Vermarktung für datenbasierte Geschäftsmodelle profitieren„, fordert ADAC Technikpräsident Karsten Schulze. Dies soll der Data Act der EU-Kommission regeln, der vermutlich bis zum nächsten Jahr in Kraft tritt. In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel stellte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber 2019 fest, dass mit einem Datenspeicher ausgestattete Fahrzeuge in Zukunft ein großes Überwachungsrisiko bedeuten könnten. „Autos müssen neben dem Schutz der körperlichen auch den Schutz der digitalen Unversehrtheit gewährleisten“, so Kelber.

Der gläserne Autofahrer ist keine Utopie, sondern Realität

Der gläserne Autofahrer ist keine Utopie, sondern bereits Realität. In den USA und auch in Deutschland bieten Versicherungen günstigere Telematik-Tarife für Autofahrer an, die einer Blackbox zustimmen. Wer sich zum Beispiel immer an die Geschwindigkeitsvorschriften hält, zahlt weniger. Die Verbraucherzentrale hat bei einem großen Versicherer herausgefunden, dass für die Gewichtung des Versicherungsbeitrags folgende Daten gesammelt werden: Bremsverhalten, Beschleunigung, Kurvenverhalten, Geschwindigkeit, Tag, Zeit sowie Straßenart. Bei diesen Informationen gibt der Versicherungsnehmer schon einiges von sich preis.

Neben den bekannten Risiken eines Zugriffs durch Hacker, die das Auto wie jeden anderen Computer manipulieren könnten, eröffnen sich für den Autofahrer weitere problematische Konsequenzen. Wie schaut es mit der Verkehrszeichenerkennung aus? Im Falle eines juristischen Streitfalls ist es sicher relevant zu wissen, ob der Fahrer eines Automobils eine Geschwindigkeitsbegrenzung missachtet hat oder nicht. Allerdings ist dieser elektronische Helfer alles andere als zuverlässig.

Das Fachmagazin KFZ-Betrieb hat bei BMW und Mercedes nachgehakt, ob die Blackbox solche Daten sammelt. Offenbar zeichnet der Münchner Hersteller die „letzte Tempolimit-Warnung vor einem Unfall“ auf. Verfügt nun ein Richter, dass der Speicher ausgelesen wird, bekommt diese Meldung eine juristische Relevanz, die eventuell nur mit großem Aufwand widerlegt werden kann. Zumal die Anzeigen der vorgeschriebenen Geschwindigkeit nicht nur auf die Angaben der Kamera basieren, sondern auch auf dem vorhandenen Kartenmaterial. Und das ist nicht zwangsläufig aktuell.

Doch ein Experte für Verkehrsrecht gibt gegenüber KFZ-Betrieb Entwarnung. „Eine Verwendung der Daten würde dem Unmittelbarkeitsgrundsatz widersprechen. Was die Beschilderung betrifft, wären Beweismittel wie zum Beispiel Beschilderungspläne oder Zeugenaussagen heranzuziehen“, erklärt Dr. Wolf-Henning Hammer von der Kanzlei Voigt.

Neben den datenschutzrechtlichen Risiken gehen mit der automobilen Blackbox noch ganz handfeste Folgen einher. Jede Technik ist fehleranfällig und muss regelmäßig gewartet werden. Das Ganze kann für die Autofahrer zu einer kostspieligen Angelegenheit werden, die sich nicht jeder leisten kann. Dazu kommt, dass die Technologie einer gewissen Expertise bedarf. Zu was das führen kann, erfahren Besitzer von Pkw, die Anfang der 2000er-Jahre zugelassen wurden, häufig am eigenen Leib, da sie händeringend nach funktionierenden Steuergeräten und einem Fachmann suchen, der sich damit auskennt.

Eine Leserin von KFZ-Betrieb sieht die Sache mit den Datenspeichern dagegen ganz pragmatisch: „Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Stilllegungskits auf Ebay und Co auftauchen. Wie bei der Start/Stop-Funktion.“

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Wolfgang Gomoll

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Wolfgang Gomoll beschäftigt sich mit dem Thema Elektromobilität und Elektroautos und verfasst für press:inform spannende Einblicke aus der E-Szene. Auf Elektroauto-News.net teilt er diese mit uns. Teils exklusiv!

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ID.alist:

Liegt an den (Un-)Fähigkeiten der GPS Antenne im Handy. Äußerst ungenau und in Alleen oder Städte mit hohen Häuser noch ungenauer.

ID.alist:

Kann sein, dass Du damit klar kommst, und Du bereit bist dich an diese willkürlichen Vorgaben zu halten um Geld bei der Versicherung zu sparen, aber Richtgeschwindigkeit ist nur eine Empfehlung und oft kann man viel schneller fahren ohne dass es irgendwie gefährlicher ist. Gemäßigter Beschleunigung ist OK bei einem kleinen Auto, aber auf der Landstraße nutze ich die volle Beschleunigung meines Autos um die Überholvorgänge möglichst kurz zu halten (ist sicherer).
Und dann fangen wir bei dem glauben alle Sensoren sind genauso gut, soll ich jetzt schon lachen? GPS vom Handy, je nach Handy ist es mehr oder weniger genau und je nach Situation auch, aber egal die Zahl steht schwarz auf weiß und man glaubt dran.
So wie Phillip sagt, die Aussagen sind nicht besonders klar und es hilft nur der Versicherungsgesellschaft willkürlich Punkte zu verteilen.

thomas:

leider lassen sich Verkehrsschilder schnell ab- und aufbauen.
Bsp.?
ich bin geblitzt worden, sage und schreibe 56kmh, innerorts.
Die Angelegenheit zog sich, da ich in Widerspruch ging und die Korrektheit der Radar-Aufstellung anzweifelte.
Irgendwann kam es zu einem Vorort-Termin, da stand aber mittlerweile ein 30kmh-Schild, das gab es vorher nicht.
Nun ja, der Richter war der Meinung, daß ich ein notorischer Raser sei, der an so einem gefährlichen Punkt (Ausfahrt einer Dorf-Feuerwache) derartig schnell fahren würde. Der Hinweis, daß die 30kmh neu seien, interessierte ab dem Augenblick nicht mehr….

Ich bin grundlegend gegen diese Überwachung. Das ist anfällig in jede Richtung. Big Brother… und den geht es absolut NICHTS an, wo ich wie fahre. Verkehrsverstöße zu ahnden ist Sache der Behörden, nicht der Versicherungen oder der Hersteller!
Und nochmal: wen geht es etwas, wo ich unterwegs bin? Mit wieviel Leuten im Auto? Wie lange ich wo anhalte?
NIEMAND!

Tsukuyomi:

Ich fahre auch viel längere Strecken quer durch Deutschland. Bis jetzt hatte ich da eigentlich nie Probleme. Meist werden die sogar richtig gut bewertet und bei langen Strecken gibt es meist extra positive Punkte, denn die Wertung hängt auch von der gefahrenen Distanz ab.

Marius:

Ja solche Fehler können auftauchen, ist natürlich ärgerlich. Dann kann man das System eben nicht sinnvoll nutzen, wenn man da täglich langfährt. Von einem Mal langfahren passiert da recht wenig, die Fahrwertberechnung ist dahingehend recht träge…

Marius:

Wenn man sehr oft unbekannte Strecken fährt, ist es auch teilweise schwierig, einen hohen Fahrwert zu erreichen. Pendelt man aber täglich die gleiche Strecke, wird das schon viel einfacher.
Bei mir steht auch das mit der Handynutzung, aber ich vermute, dass das vom Betriebssystem abhängt. iOS wird das „Auslesen“ der Daten wahrscheinlich im Gegensatz zu Android nicht zulassen, jedenfalls ist es bei mit egal, ob ich das Handy nutze oder nicht.

MMM:

Ich kenne da ein recht bewaldetes Teilstück einer Bundesstraße mit Limit 100, da springt jedes (jedes) bisher versuchte GPS-Gerät wild zw. 90 und 130 km/h hin und her. Nicht immer, aber schon oft. Bei gleichbleibender Geschwindigkeit natürlich.
Also, wenn du einmal diese Strecke fährst, ist dein Rabatt möglicherweise weg.
Vielleicht gibt es aber sogar mehrere ähnliche Strecken in Deutschland. Achte da mal drauf.

E. Wolf:

Mythos 1.: Ich habe nichts zu verbergen ! -> Merksatz: Das entscheiden nicht Sie, immer andere !!

Mythos 2.: Das Autofahren wird damit sicherer ! -> Merksatz: Nein, nur die Überwachung steigt bis in die letzte Ritze, und dann folgt die nächste Forderung !

Frage: Gibt es eigentlich bereits Möglichkeiten die (e)Sim Karte im Auto stillzulegen ? Der eCall war das zentrale Einfallstor für die permanente Überwachung im Auto -> Chinesische Auto’s lassen grüßen !

Tsukuyomi:

Ich habe auch seit Jahren so einen Tarif. Man kann kurz sagen, wenn man so fährt wie es in der Fahrschule vermittelt wird, erreicht man auch eine hohe Punkzahl. Inzwischen weiß ich auch wo es die meisten Minuspunkte gibt. Viele Strafpunkte gibt es für strarkes Bremsen und schneleres Abbiegen. Hingegen wird eine Geschwindigkeitüberschreitung, wenn diese im Rahmen bleibt, nicht zu hoch bewertet. Katastrophalen Punktabzug gibt es bei Handynutzung am Steuer, da dies über die App mit aufgezeichnet wird. Das musste ich mal bitter erfahren da meine Freundin mal keinen Akku mehr hatte und ich sie an mein Handy gelassen hatte bei einer Fahrt. Dagegen kann man auf der Autobahn auch mal über 130 km/h fahren, wenn es keine Beschränkung gibt. Das wird zumindest bei meinem Tarif nicht negativ angerechnet.
Leider sind negative Events doch recht hoch gewichtet und man braucht teils ewig um Punkte wieder gut zu machen. Ärgern tut dies mich beim Bremsen. Da kann man noch so Vorhersehend fahren, aber wenn die Ampel kurz vor einem auf Rot geht, muss man doch schonmal stärker Bremsen und das reicht schon für ein dickes Minus aus.
Da aber inzwischen jede Woche neu bepunktet und dann ein Monatsschnitt errechnet wird, der dann irgendwann den Jahresdurchschnitt ergibt, geht es mit der Nachvollziebarkeit. Selbst wenn man mal ne Woche wenig Punkte hat und die Woche drauf dann 100%, ergibt sich meist eine faire Berrechnung.

Gregor:

lahme Ente ist nur ein Narrativ aus der Kfz zentrierten Welt. Genauso wie „muss im Verkehr mitschwimmen, deswegen war ich zu schnell“

„Man muss ordentlich Leistung haben, um mal mit Beschleunigen eine Gefahr zu vermeiden“ Kompletter Bullsheit.

Haufenweise Ausreden, warum jemand die Regeln übertritt.
Die zukünftigen Systeme, bei denen es bling macht, wenn Tacho Geschwindigkeit erreicht ist finde ich super. Es werden ein großer Teil das System aktiv lassen und dann entsprechend „langsam“ fahren.
Das bringt mehr Ruhe in den Verkehr.

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