E-Mobilität bestimmt die IAA Transportation 2022 in Hannover

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MAN

Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 5 min

An sich ist es mit der Stimmung in der Autoindustrie nicht zum Besten bestellt. Bei den Nutzfahrzeugen sieht das jedoch aktuell anders aus. Nirgends wird das deutlicher als auf der Nutzfahrzeug IAA in Hannover. Auf der IAA 2022 wird E-Mobilität in unterschiedlichsten Facetten in den Fokus gerückt. Auch die Zuliefererindustrie setzt entsprechende Zeichen.

Auf der IAA 2021 im vergangenen Herbst gab es zwei höchst unterschiedliche Gesichter. Auf dem Messegelände im Münchner Osten selbst war die einst wichtigste Automesse der Welt kaum mehr als ein müder Rohrkrepierer. Doch in der Münchner Innenstadt sah es völlig anders aus. Hier wurde die Internationale Automobilausstellung, von Frankfurt in die Millionenmetropole an der Isar gewandert, bis in den Abend hinein zu einem wahren Publikumsspektakel für jedermann.

Die Nutzfahrzeug-IAA 2022, erstmals unter der offiziellen Bezeichnung „IAA Transportation“ künstlich internationalisiert, ist auf dem Messegelände in Hannover eine Automesse wie aus einer vergangenen Zeit. Hunderte von Ausstellern aus aller Welt zeigen auf der Leistungsschau ohne nennenswerten Aufwand ihre großen und kleinen Neuheiten. Die Stimmung selbst ist trotz der angespannten Wirtschaftslage dabei alles andere als schlecht. Viele Firmen freuen sich über volle Auftragsbücher und vertretbare Wartezeiten. Keine Frage, es sieht besser aus als vielen Pkw-Herstellern.

Dabei sind die Herausforderungen von Pkw-, Van- und Lkw-Bereich in der heutigen Zeit nahezu identisch. Zwar hat sich die Branche noch nicht vollends entschieden, ob man komplett in die batteriebetriebene Elektromobilität wechseln will oder die Brennstoffzelle gerade bei großen Langstreckenlastwagen eine reale Chance wäre, Kosten und Nutzen bestens unter einen Hut zu bringen. „Im Zeichen des Klimaschutzes wird sich der Güterverkehr vielfältiger bewegen als bisher. Durch alternative Antriebe erwarten wir im Laufe der Dekade einen Wachstumsschub für unser Geschäft“, so Bosch-Geschäftsführer Dr. Markus Heyn. Doch auch wenn viele Marken nach wie vor Dieselaggregate der neuesten Generation vorstellen, die die immer strenger werdenden Grenzwerte einhalten können, scheinen auch hier die Würfel für einen Technologiewechsel endgültig gefallen: Der Stecker macht zukünftig die Musik.

Das gilt nicht nur bei Volkswagen, die sich darüber freuen, dass die Jahresproduktion von 15.000 VW ID Buzz trotz stattlicher Preise bereits nahezu ausverkauft ist, sondern auch Marken wie Volvo, Daimler Trucks oder Ford, die auf der Hannoveraner Messe mit Ranger und dem neuen Transit gleich zwei große Hoffnungsträger vorstellen, blicken selbstbewusst in die nahe Zukunft.

Der Ford Transit ist neu entwickelt und in verschiedenen Diesel- und Plug-in-Varianten zu bekommen; die größten Hoffnungen setzten die Kölner in ihren Lastesel aus der Türkei jedoch mit einem Elektroantrieb. Marktstart: Mitte 2023. Derweil sollen die beiden Zwillings-Pick-Ups Ford Ranger von VW Amarok für nennenswerte Stückzahlen und dank enger Kooperation für neue Kostenstrukturen sorgen.

Die Kombination aus Transporter und Pick-Up bietet auch Maxus. Neben dem Doppelpack aus Van Mifa 9 und dem Pick-Up T90 EV zeigen die Chinesen erstmals in Europa auch die Europapremiere seines elektrischen Light-Trucks der 7,5-Tonnen-Klasse – 128 kW / 174 PS stark und mit einer Reichweite von 210 Kilometern. Renault enthüllt auf der IAA Transportion neben dem elektrischen Transporter Trafic E-Tech mit 90 kW / 122 PS und 240 km Reichweite auch einen Wasserstoffvan, während die Studie des Hippie Caviar Motels auf Kangoo-Basis für gute Laune bei Nachwuchscampern sorgen soll.

Neben dem großen Thema Elektromobilität geht es an vielen Messeständen um jene Kosten, die sich trotz maximaler Individualisierung im Rahmen halten sollen. Nutzfahrzeugkunden kann man neuester Technik oder großer Praktikabilität allein nicht packen, denn Raum für Emotionen hat die Branche noch nie besessen. Lieferdienste, Transportunternehmen, Baufirmen oder Kommunen – bei allen geht es um Sonderwünsche, die Preise und Unterhalt nicht aus dem Ruder laufen lassen dürfen.

Das macht es den großen Herstellern von Lastwagen aktuell noch schwer, komplett auf Elektroantriebe oder die Brennstoffzelle umzuschwenken. Nach wie vor hakt es an der Infrastruktur, denn lange Ladezeiten sind allenfalls für Citybusse oder Lieferdienste denkbar, die nachts ruhend im Depot erstarken können. Da haben es die Brennstoffzellenfahrzeuge von Herstellern wie Renault, Volvo, Hyundai oder Daimler einfacher, denn in wenigen Minuten ist der Lastesel wieder aufgetankt und kann seine Arbeit fortführen.

MAN enthüllt auf der IAA Transportation die seriennahe Studie eines Elektrotrucks, der 2024 mit einer Reichweite von 600 bis 800 Kilometern Kunden locken soll. Ganz ähnlich geht es bei Wettbewerber Daimler Trucks zu. Die Schwaben treiben die Transformation zum vollelektrischen Nutzfahrzeuganbieter bei allen Verbesserungen im Bereich der Dieselantriebe ebenfalls voran. Das Flaggschiff wird ab 2024 der eActros Long Haul mit mächtigen 600-Kilowattstundenakkus und einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern sein. Mit bis zu 666 PS ist der Volvo FMX Electric im Alltag unterwegs. Das Batteriepaket mit 540 kWh sorgt nicht nur für bis zu 300 Kilometern elektrischer Reichweite, sondern treibt auch den mächtigen Palfinger-Kran hinter dem Führerhaus an.

Nikola und Iveco setzen gemeinsam auf Elektroantrieb und Brennstoffzelle. Die Artic Version des Nikola Tre BEV ist ein emissionsfreier Schwerlast-Lkw mit einer Reichweite von 530 Kilometern, der mit seinem Leistungsspektrum viele Einsatzzwecke abdeckt. Der Nikola Tre FCEV gibt als seriennaher Prototyp einen Ausblick auf einen elektrisch angetriebenen Sattelschlepper für Langstreckentransporte, der in der zweiten Jahreshälfte 2023 in Nord Amerika und in der ersten Jahreshälfte 2024 in Europa kommen soll. „Die emissionsfreien Nikola Tre Lkw – sowohl die batterie-elektrische wie auch die brennstoffzellen-elektrischen Version – sind echte Game-Changer im gewerblichen Lkw-Transport“, sagt Nikola-Präsident Michael Lohscheller, „als elektrische Fahrzeuge konzipiert, sind sie in puncto Leistung und Fahrerlebnis selbst bei den härtesten und schwersten Einsätzen ihren Diesel-Konkurrenten ebenbürtig.“ Na dann kann es für die Branche ja weitergehen – ab ins alltägliche Elektrozeitalter. Die Pkw-Branche hat es vorgemacht.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.

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