Mercedes-Benz richtet bereits seit geraumer Zeit sein Produktportfolio auf Elektroautos im Luxussegment aus. Die künftigen Modelle sollen sich in drei Produktkategorien aufteilen: Top End Luxury, Core Luxury und Entry Luxury. Im Gespräch mit der FAZ spricht Mercedes-CEO Ola Källenius über die komplette Elektrifizierung bis zum Ende des Jahrzehnts und die Strategie, trotz E-Fuels nicht länger am Verbrennungsmotor festhalten zu wollen.
Die Mercedes-Benz Werke Sindelfingen, Bremen, Rastatt und Kecskemét werden ab Mitte der Dekade mit der Produktion der neuen Modelle im Top End Luxury, Core Luxury und Entry Luxury Segment beginnen. Das Werk Sindelfingen werde das Leadwerk im Top End Luxury Segment und produziere ab 2025 Modelle der elektrischen AMG.EA-Plattform. Die Mercedes-Benz Werke Bremen und Kecskemét sollen künftig Modelle der elektrischen MB.EA-Plattform in Europa fertigen. Die Werke Rastatt und Kecskemét werden ab 2024 mit den neu positionierten Modellen der MMA-Plattform vertraut. Im Rahmen der Umsetzung des “Mercedes-Benz Business Plans 2022 – 2026” investiere das Unternehmen mehr als zwei Milliarden Euro in seine europäischen Produktionsstandorte.
Die Batterien für die Mercedes-EQ Elektroautos liefere ein globaler Batterie-Produktionsverbund mit Fabriken auf drei Kontinenten. “Die lokale Batteriefertigung ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die Elektro-Offensive von Mercedes-Benz”, erklärt das Unternehmen. Der Autobauer produziere nach eigenen Angabe zudem seit 2022 in allen eigenen Werken weltweit CO2-neutral und beziehe in Deutschland seit diesem Jahr Strom, der ausschließlich aus regenerativen Quellen stammt.
Nachhaltigkeit ist also auch hier zum Wachstumsgeschäft geworden – und da passen Verbrenner nicht so richtig rein. Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) macht Mercedes-Vorstandsvorsitzender Ola Källenius klar, dass Mercedes-Benz trotz der neuen E-Fuels-Regelung ab 2035 nicht länger am Verbrennungsmotor festhalten möchte. Sowieso sei der Elektroantrieb technisch überlegen, ist er der Meinung. Dies gelte auch bei Luxusautos, auf die die Unternehmensstrategie abzielt. “Moderner Luxus muss nachhaltig sein. Beides passt gut zusammen. Das Langlebige, das qualitativ Hochwertige, das technisch Innovative ist zukunftsfähig. Was wir für unsere Oberklassemodelle an Technik für ökologische Nachhaltigkeit neu entwickeln, wird irgendwann später auch bei anderen Autos zum Einsatz kommen. Und vergessen Sie nicht: Unsere Autos halten länger. Das ist auch ein Beitrag zur Nachhaltigkeit“, argumentiert Källenius.
Wie Mercedes die CO2-Emissionen verringern will
Mercedes-Benz verfolgt das Ziel, im Vergleich zu 2020, die CO2-Emissionen pro Pkw über den gesamten Lebenszyklus hinweg bis zum Ende dieses Jahrzehnts zu halbieren. Die wichtigsten Hebel hierfür seien die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte, das Laden mit Grünstrom, die Verbesserung der Batterietechnologie sowie ein umfassender Einsatz von Recyclingmaterialien inklusive Batterien und erneuerbaren Energien in der Produktion. Ein Grünstromliefervertrag sichere den Strombezug aus erneuerbaren Energien zu jeder Zeit. Bis Ende nächsten Jahres sollen Solaranlagen mit einer Leistung von mehr als 11 MWp (Megawatt Peak) in Betrieb gehen und bis 2025 will Mercedes-Benz einen dreistelligen Millionenbetrag in die Installation von Photovoltaikanlagen investieren. Darüber hinaus seien Investitionen in Windanlagen im Wert von einer Milliarde Euro geplant.
Bis 2030 sei vorgesehen, mehr als 70 Prozent des Energiebedarfs in der Produktion durch erneuerbare Energien zu decken. 15 Prozent sollen durch regenerative Energien an den eigenen Standorten erzeugt werden. Dies soll durch den Ausbau von Solar- und Windenergie und durch den Abschluss weiterer entsprechender Stromabnahmeverträge erreicht werden. Mercedes-Benz verfolge zudem das Ziel, auch den Verbrauch von Wasser um 35 Prozent bis 2030 zu senken. Im nächsten Schritt möchte der Konzern auch die Logistik CO2-neutral darstellen. Der Schienentransport von Fahrzeugen und auch Komponenten wie etwa Batterien spielt dabei eine wichtige Rolle.
Das Angebot im Einstiegssegment werde zwar kleiner, dennoch möchte man weiterhin Autos in diesem Bereich anbieten, verspricht der CEO – am besten ohne Einbußen beim Absatz. Dass sich Marken wie Mercedes auf hochpreisige Segmente stürzen, hat einen einfachen Grund: Die Rentabilität ist höher als etwa bei Kleinwagen. “Das gibt uns die notwendige Finanzkraft, um technische Innovationen auf die Straße zu bringen. Und die brauchen wir für den Klimaschutz im Verkehr”, sagt der 53-Jährige. Mercedes verfolgt eine Strategie, die klar auf den Elektroantrieb setzt – und “diese werden wir wegen der Beschlüsse zu den E-Fuels nicht grundsätzlich ändern”. Diese Worte hört man übrigens immer öfter von Autoherstellern – wie jüngst etwa von Lamborghini-CEO Stephan Winkelmann. Das Ziel, wenn es nach Källenius geht, sei, bis 2039 über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg bilanziell CO2-neutral zu werden. Und da passen E-Fuels nicht so wirklich ins Konzept, meint der Manager. Für Bestandsfahrzeuge würden E-Fuels sicherlich eine Rolle spielen, längerfristig sehe er im Pkw-Segment aber keine Zukunft bei synthetischen Kraftstoffen.
Mercedes möchte bis Anfang nächsten Jahrzehnts noch auf beide Antriebsformen setzen: den klassischen Verbrenner und den Elektroantrieb – danach konzentriere man sich auf letzteres. Ob man für die kommende “E-Fuels-only”-Fahrzeugkategorie ab 2035 dennoch ein Angebot haben werde, dazu äußerte sich Källenius bisher nicht. Zu gut sei der Wirkungsgrad von Elektromotoren. “Von dem Strom, den Sie zum Beispiel mit einem Windrad erzeugen, kommen beim Elektroauto rund 70 Prozent der Energie als Antriebskraft auf der Straße an, beim Verbrennungsmotor ist es bedeutend weniger. Außerdem stoßen E-Autos keine Emissionen aus, während das für Autos, die mit E-Fuels betrieben werden, nicht gilt”, sagt Källenius. Dies sei relevant bezüglich eventueller Fahrverbote in Städten. Zwar müsse man den Verbrenner noch für die neue Abgasnorm Euro 7 fit machen, doch dann werden die Investitionen von Mercedes in klassische Motoren bis 2026 um etwa 80 Prozent gesenkt werden. Mit Großaktionär Geely arbeite man in China dennoch weiter an neuen Verbrennungsmotoren, gibt der CEO zu. Diese wäre aber die letzte Generation und ausschließlich für Hybride vorgesehen.
Weiter wirbt Källenius für den Elektroantrieb, weil noch viel Potenzial in ihm stecke. Er meint: “Der Elektroantrieb wird den Verbrennungsmotor in puncto Leistungsfähigkeit noch in diesem Jahrzehnt überholen.” Vor allem im Luxus-Segment würde der Wechsel zum Elektroantrieb schneller gehen als auf dem Gesamtmarkt. Dass die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz hinsichtlich E-Fuels entschärft hat, findet Källenius gut. “Sie schaffen mehr Flexibilität, das Kapital für den Klimaschutz dort einzusetzen, wo es am schnellsten und effizientesten für weniger CO2-Emissionen sorgt. Es kann gut sein, dass wir in Deutschland mit mehr Flexibilität die Emissionen schneller senken”, sagt er. Mercedes würde sowieso weiterhin die ambitionierten Klimaschutzziele verfolgen.
“Lithium ist das neue Erdöl”
So oder so geht der Wechsel zum Elektroauto schneller als viele erwarten dürften – natürlich in Abhängigkeit von Ladeinfrastruktur und Grünstrom, meint er. Mercedes will jedenfalls nach eigenen Angaben ab 2030 in allen Märkten, in denen das möglich ist, nur noch E-Autos verkaufen. Ob dies allerdings in ganz Europa der Fall sein wird, dazu kann der Mercedes-Chef noch nichts sagen. Selbst für das E-Mobilitäts-Vorreiterland Deutschland zeigt sich Källenius im Gespräch mit der FAZ “verhalten optimistisch“. Doch “die Dynamik hat gewaltig zugenommen”, fügt er hinzu.
Damit das Elektroauto erfolgreich werde, müsse die Ladeinfrastruktur unbedingt ausgebaut werden und man müsse “alles daran setzen“, die Erzeugung von Grünstrom voranzutreiben. Zudem brauche es eine europäische, aber auch eine deutsche Rohstoffstrategie. “Lithium, das wir in gewaltigen Mengen für Batterien benötigen, ist das neue Erdöl. Der Aufbau der Kapazitäten im Lithium-Bergbau und in der Verarbeitung ist ein gigantisches industrielles Vorhaben. Diese Rohstoffe werden nicht alle in Europa gefördert werden. Dafür brauchen wir Handelsabkommen mit Kanada, Südamerika und Australien”, sagt Källenius. Da bräuchte es staatliche Unterstützung. Nicht nur die Politik müsse sich beweisen, sondern auch die Autobauer selbst.
Vor allem, weil der Kapitalmarkt sich die Frage stellt, ob Mercedes die Transformation zur Elektromobilität schafft, ohne dass die Profitabilität und die Finanzkraft darunter leiden. Källenius sagt: “Wir brauchen (…) einen langen Atem und müssen unsere Strategie Schritt für Schritt umsetzen. Wir sind im Jahrzehnt der Transformation.” Mercedes wäre es immer dann gut gegangen, wenn gute Autos gebaut worden sind. Der Stuttgarter Autobauer müsse mit seinen Produkten vor allem dort sein, wo man ihn im Markt erwartet: “am oberen Ende der relevanten Segmente”.
Quellen: FAZ – „Der Wechsel zum Elektroauto kommt schneller als erwartet“ / Mercedes-Benz – Pressemitteilung vom 29.06.2022