Deutschlands Autobranche hat „die Talsohle noch nicht erreicht“

Cover Image for Deutschlands Autobranche hat „die Talsohle noch nicht erreicht“
Copyright ©

Shutterstock / 1618156753

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Zu hohe Kapazitäten, zu niedrige Nachfrage, das Damoklesschwert US-Zölle: Deutschlands Automobilindustrie ist auf einer Marterstrecke unterwegs. Stellenstreichungen, Werksschließungen, Produktionsverlagerungen und sinkende Gewinne der Hersteller und Zulieferer sind die Folge. Und das dürfte noch eine Weile so weitergehen: „Deutschlands Vorzeigebranche hat die Talsohle noch nicht erreicht“, sagt Jens Stobbe, Manager Risk Services beim internationalen Kreditversicherer Atradius.

Nachdem die Automobilproduktion in Deutschland 2023 durch Nachholeffekte in Folge der Corona-Pandemie um 13,1 Prozent stieg, befindet sie sich seither im Abwärtstrend. 2024 ging die Produktion um 5,7 Prozent zurück. Für 2025 erwartet Atradius ein weiteres Minus von 5 Prozent und für 2026 von weiteren 2,6 Prozent. „Noch können sich die Hersteller diese Schwächephase durch das in der Vergangenheit aufgebaute finanziellen Polster leisten, doch die Luft wird dünner“, sagt Stobbe. Vier-Tage-Wochen und Gehaltsverzicht seien vor diesem Hintergrund lediglich Überbrückungshilfen.

Tatsächlich müsste sich die deutsche Automobilindustrie aber neu erfinden oder zumindest einer Schlankheitskur unterziehen. „In vielen Werken laufen deutlich weniger als die mögliche Produktionsmenge vom Band – eigentlich besteht die Notwendigkeit zu drastischen Einschnitten wie Werksschließungen, um profitabel zu sein.“ Doch dies sei politisch schwer umzusetzen. Dennoch dürfte auch in diesem Jahr die Zahl der Stellenstreichungen in der deutschen Automobilindustrie das Niveau von 2024 erreichen, glaubt Stobbe. Im Jahr 2024 wurden in Deutschland 19.000 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie abgebaut.

Auch mit Blick auf die EU sieht es nicht besser aus. Nach einem Rückgang um 5,1 Prozent im vergangenen Jahr erwartet Atradius für die Automobilproduktion in der EU einen erneuten Rückgang um 3,7 Prozent. Die Wirtschaftsleistung in Europa bleibe gedämpft, zudem dürften die Neuwagenkäufe in den kommenden Monaten weiterhin schwach bleiben, da die Verbraucher in der aktuellen konjunkturellen Lage große Anschaffungen aufschieben. Für 2026 wird nur eine leichte Erholung von 0,4 Prozent prognostiziert.

Absatzschwäche der Hersteller trifft Zulieferer hart

Hart trifft es vor diesem Hintergrund aber nicht nur die Hersteller, sondern insbesondere auch die Zulieferer. Sie sind von den Absatzplänen der Automobilhersteller abhängig. Und die Autobauer werden angesichts der eigenen angespannten Lage voraussichtlich nicht mehr so großzügig bei der Zahlung von Schadens- oder Ausgleichszahlungen sein, um schwächelnde Zulieferer zu stützen. Die Folge: Deren Aussichten haben sich deutlich eingetrübt. Nach den Beobachtungen von Atradius sind derzeit sinkende Margen und zunehmende Zahlungsverzögerungen sowie Insolvenzen in wichtigen Märkten wie Deutschland, Italien und Großbritannien zu beobachten.

Weitere Probleme entstehen der Branche durch die Transformation des Marktes von Verbrennungsmotoren zum Elektroantrieb. Viele Tier-2- und Tier-3-Zulieferer würden Atradius zufolge nicht über die technologischen oder finanziellen Mittel oder beides verfügen, um sich in der Wertschöpfungskette zu verändern. „Sie könnten dadurch in den kommenden Jahren gezwungen sein, den Markt zu verlassen“, fürchtet Stobbe. Weitere Risiken stellen auch die US-Importzölle sowie die schärfer werdende Wettbewerbssituation durch chinesische E-Autohersteller dar.

US-Zölle sind ein großes Risiko für die Branche

Im Jahr 2023 stammten 20 Prozent des Wertes der EU-Automobilausfuhren aus Verkäufen in die USA. Die deutsche und italienische Automobilindustrie sowie die Lieferketten in mittel- und osteuropäischen Ländern wie der Tschechischen Republik und der Slowakei sind durch restriktivere Zölle am stärksten gefährdet. „Wir schätzen, dass die deutschen und italienischen Automobilausfuhren infolge der US-Zölle im Jahr 2025 um mehr als fünf Prozent sinken könnten“, so Jens Stobbe weiter.

Die Kombination aus sinkender Exportnachfrage und sinkenden Gewinnmargen könnte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen sowie mittel- und osteuropäischen Automobilindustrie, die bereits unter Druck steht, erheblich beeinträchtigen. Eine Umleitung der Exporte auf andere Märkte sei nach Angaben von Atradius bestenfalls eine Teillösung. Die Umsatzverluste in den USA können für die europäischen Unternehmen kaum durch die Verlagerung des Exports in andere Märkte kompensiert werden – zu groß sind die Unterschiede in der Marktnachfrage, bei den Verbraucherwünschen, den logistischen Hindernissen, den unterschiedlichen regulatorischen Vorgaben oder dem starken Wettbewerb etwa durch China oder Südkorea.

Vorteil chinesischer E-Autohersteller gegenüber Europas Wettbewerbern

Der aktuelle Vorteil chinesischer E-Autohersteller gegenüber ihren europäischen Konkurrenten besteht Atradius zufolge darin, dass sie günstigere Modelle anbieten und in der Regel schneller Fehler beheben und sich zügiger an Marktbedingungen anpassen können. Um dem entgegenzuwirken, müssten deutsche und europäische Hersteller in naher Zukunft mehr Elektroautos im unteren und mittleren Preissegment anbieten.

Um die europäische Automobilindustrie zu schützen, hat die EU im vergangenen Jahr Strafzölle auf chinesische E-Auto-Importe verhängt. Diese EU-Zölle könnten die Dynamik der chinesischen Importe verlangsamen und den europäischen Herstellern ein Zeitfenster für die Einführung einer neuen Generation wettbewerbsfähigerer Elektroautos verschaffen. Allerdings, so Jens Stobbe, könnten chinesische Autobauer auch ihre Pläne zur Lokalisierung der Produktion in Europa beschleunigen.

Quelle: Atradius – Pressemitteilung vom 10.06.2025

worthy pixel img
Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


M3:

Selten so einen Schrott gelesen…heul doch leise. Kauf Dir nen Trecker und wechsle am Besten das Forum. Man kann m. E. nicht oft genug über den Dieselskandal reden! Fokussier Dich lieber auf die wesentlichen Länder die ohne Betrug arbeiten….
Wie man in den Wald hineinruft so schallt es heraus, gell?

Jens:

Cool, ich bezahle in DE runde 29 ct, und das ganz ohne Atomstrom, dafür mit unseren horrenden Abgaben, Entgelten, Aufschlägen und Steuern.

M3:

Zölle und andere Winkelzüge helfen nicht!
Der Kernsatz im Artikel lautet:
Der aktuelle Vorteil chinesischer E-Autohersteller gegenüber ihren europäischen Konkurrenten besteht Atradius zufolge darin,
dass sie günstigere Modelle anbieten und in der Regel schneller Fehler beheben und sich zügiger an Marktbedingungen anpassen können.
Übersetzt heisst das für mich:
Die Blechbieger im Autoland D haben es versammelt und werden „abgewickelt“!
China bremst derzeit schon die Produktion der Selten-Erden-Produkte und führt die Welt vor.

Matthias Geiger:

Schon als Student habe ich während den Semesterferien am Motorenband bei Daimler gearbeitet. Das waren schon damals (1983) im 3 Schichtbetrieb Löhne jenseits von Gut und Böse ! Jetzt liegen wir ca.30 bis 50% inkl. der Bonuszahlungen auch für den Arbeiter zu hoch. War klar dass das nicht so weitergehen kann.

Martin:

Wenn man über die Krise der deutschen Autoindustrie spricht, muss man selbstverständlich den Dieselskandal mitbetrachten. Der hat das Vertrauen erschüttert und viele Käufer haben sich abgewendet.

Bogdanovic:

Selten so einen Schrott gelesen…heul doch leise. Kauf dir nen E-Bike und wechsel am besten das Forum. Wie kann man ewig uber den Dieselskandal reden? Fokusier dich lieber auf die wesentlichen Lander die fur die Verschmutzung verantwortlich sind….

Daniel W.:

– – – – –
Ab 2026 verkauft Électricité de France (EDF) seinen gesamten Atomstrom für rund 70 Euro die Megawattstunde. Darauf haben EDF und die französische Regierung sich geeinigt. … Für Privatpersonen könnten die Stromrechnungen insgesamt aber um etwa 10 Prozent teurer werden, …
(Quelle: zdfheute.de – 28.01.2024)
– – – – –

Wenn man die 70 Euro/MWh ab 2026 umrechnet, dann sind es (70 Euro = 7000 Cent / 1000) 7 Cent/kWh.

Die 7 Cent/kWh sind der Verkaufspreis der EDF, nicht der Kundenpreis, da dürften noch Kosten, Gewinne und Steuern dazukommen.

Bei einem Plus von 10 % wären es für die Kunden wohl 31 Cent/kWh – allerdings wird aus den Zahlen nicht deutlich wieviel der Staat subventioniert.

Peter:

In Frankreich kostet die kWh 0,60-0,68€
Um den Schein des günstigen Atomstrom zu waren wird dieser vom Staat subventioniert.
Kann man übrigens gut sehen wenn wir von Frankreich Strom kaufen 60€/MWh

Daniel W.:

– – – – –
Atomstrom 2023 – Anteil an der Bruttostromerzeugung

Frankreich 64,5 %
Ungarn 44,8 %

Strompreise in Privathaushalten 1. Halbjahr 2024

Frankreich . . . . 28 Cent / kWh
Ungarn . . . 11 Cent / kWh
(Quelle: destatis.de)
– – – – –

Wer finanziert den Atomstrom in Ungarn, wenn Frankreich trotz höherem Anteil an Atomstrom und staatlichen Zuschüssen höhere Strompreise verlangen muss?

In Deutschland sind ca. 50 % des Stroms aus erneuerbaren Energien, in Ungarn nur rund 25 % – die erneuerbaren Energien müssten kräftig ausgebaut werden.

Die Atomkraft und deren Müll gefährten tausende zukünftige Generationen – erneuerbaren Energien produzieren keinen Atommüll und sind real viel günstiger.

Daniel W.:

Nachtrag:

– – – – –
Dieselskandal: Tödliche Folgen

Zehn Jahre ist es her, dass die Manipulation von Dieselmotoren bei Volkswagen aufgeflogen ist. Seitdem stehen auch andere Hersteller im Verdacht, die Emissionen ihrer Autos geschönt zu haben. Und ihre Profitgier verfolgt Europa bis heute. Eine neue Studie schätzt, dass noch immer 40 Millionen dieser manipulierten Fahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs sind. Die zusätzliche Luftverschmutzung hat laut dem Center for Research on Energy and Clean Air schwerwiegende Folgen für unsere Gesundheit und kostet den Staat Milliarden. Wurde das Dieselgate ausreichend aufgearbeitet?

>> https://www.youtube.com/watch?v=tGmI2Zx7AOA (13:00 Minuten)
– – – – –

Ähnliche Artikel

Cover Image for Renaults Klassiker R4, R5 und Twingo im E-Zeitalter

Renaults Klassiker R4, R5 und Twingo im E-Zeitalter

Sebastian Henßler  —  

Renault belebt mit R5, R4 und bald dem Twingo Ikonen neu und verbindet Retro-Design, moderne Technik sowie europäische Fertigung zu einer klaren E-Strategie.

Cover Image for Elektrische Ikone: Wie viel G steckt im Mercedes G 580 wirklich?

Elektrische Ikone: Wie viel G steckt im Mercedes G 580 wirklich?

Sebastian Henßler  —  

Vier Motoren, 587 PS, 3,1 Tonnen: Der G 580 mit EQ-Technologie beeindruckt und irritiert zugleich – Mythos trifft hier auf Moderne. Wir sind ihn gefahren.

Cover Image for Diese 7 E-Autos mit mehr als fünf Plätzen sind gut für Reisen

Diese 7 E-Autos mit mehr als fünf Plätzen sind gut für Reisen

Daniel Krenzer  —  

Mit Kind und Kegel in den Urlaub, auch das ist mit Elektroautos inzwischen entspannt möglich. Wir haben ermittelt, welche Modelle sich besonders gut eignen.

Cover Image for Exklusiv: Opel kippt strikte Elektroauto-Vorgabe für 2028

Exklusiv: Opel kippt strikte Elektroauto-Vorgabe für 2028

Henning Krogh  —  

Exklusive Bestätigung: Opel prüft seine E-Mobilitätspläne. Statt reinem E-Portfolio ab 2028 bleibt Raum für Verbrenner und Hybride bis ins nächste Jahrzehnt.

Cover Image for USA-Autozölle: Einigung ja, Entlastung noch nicht

USA-Autozölle: Einigung ja, Entlastung noch nicht

Sebastian Henßler  —  

USA und EU einigen sich im Zollstreit, doch für Europas Autoindustrie bleibt vorerst alles beim Alten – 27,5 Prozent Abgaben gelten weiterhin unverändert.

Cover Image for ADAC: Mehrheit überzeugt vom Fahren mit Elektroautos

ADAC: Mehrheit überzeugt vom Fahren mit Elektroautos

Sebastian Henßler  —  

Größere Modellauswahl und bessere Akkus gelten laut ADAC-Umfrage als wichtigste Gründe für das wachsende Interesse an Elektroautos in Deutschland.