Markus Schäfer, Mitglied des Daimler-Vorstands, verantwortlich für Konzernforschung und Mercedes-Benz Cars Entwicklung, Einkauf und Lieferantenqualität, sprach in einem Interview mit Top Company Guide ausführlich über die Umbruchphase in der Autoindustrie, was der Antrieb der Zukunft wird und warum das Batterie-Elektroauto dem Wasserstoffauto momentan überlegen ist.
Für Schäfer ist „der Wandel Herausforderung und Chance zugleich“. Das Marktumfeld verändere sich momentan „komplett, sei es durch gesetzliche Regularien, heterogene Märkte und politische Rahmenbedingungen.“ Hinzu kämen „die digitale Disruption mit einem enormen Anstieg an Computerleistung sowie neue Wettbewerber, die mit einer Vielzahl an Innovationen auf den Markt drängen“. Und auch die Klimadebatte gehöre zu dem „völlig neuen Umfeld, in dem wir uns neu ausrichten und beweisen müssen.“ Daimler wolle die neuen Entwicklungen „nachhaltig und digital umsetzen und in gleichem Schritt die Elektrifizierung ausbauen“, so der Manager. Ihm sei es auch wichtig, „den Kunden und seine individuellen Bedürfnisse bei alledem nicht aus den Augen zu verlieren.“
Den einen Antrieb der Zukunft gebe es „zumindest mittelfristig nicht“, sagt Schäfer, sondern verschiedene. Daimler wolle den Weg zum Antrieb der Zukunft „offen mit nachhaltigen Technologien“ beschreiten und so „flexibel auf die individuelle Nachfrage der Kunden und die Entwicklung der Märkte reagieren“ können. Die Strategie aber sei „klar: Electric first!“ Bei der Entwicklung einer neuen Fahrzeug-Architektur will Daimler „das Auto zuerst als rein elektrisches Fahrzeug“ konstruieren. Erst danach werde über andere Antriebe nachgedacht, wie etwa einen Plug-in-Hybrid.
Um die Möglichkeiten der Digitalisierung optimal nutzen zu können, will Daimler künftig das Auto „von innen nach außen“ denken: „mit einem Software-orientierten Ansatz und Cloud-basierten Lösungen“. Schäfer will „den Aufenthalt und die Interaktion mit unseren Autos für unsere Kunden noch angenehmer, komfortabler und sicherer machen werden“ und nennt als Beispiele neue Services in MBUX, „zum Beispiel Amazon Music, aber auch Car-2X-Kommunikation, Over the Air-Updates, Gaming-Features und automatisierte Fahrfunktionen. Unsere Kunden werden es lieben.“
Das Ziel „ist und bleibt die emissionsfreie Mobilität“
Eine der wichtigsten Aufgaben für Daimler sei die CO2-Reduktion. Das Ziel „ist und bleibt die emissionsfreie Mobilität“. Der Hersteller will bis 2039 eine komplett CO2 neutrale Pkw Neuwagenflotte anbieten. Das soll vorrangig mit rein elektrischen Autos möglich werden. Auch mit Hilfe einer „durchgängigen Elektrifizierung der Verbrennungsmotoren beginnend mit der 48-Volt-Technologie“ in Kombination mit „synthetischen Kraftstoffen, den e-fuels“, sollen Verbrennungsmotoren zukünftig ebenfalls „quasi CO2-neutral betrieben werden“, so der Daimler-Manager. Auch „hocheffiziente Hybridfahrzeuge“ seien ein wichtiger Bestandteil der Elektrifizierungsstrategie von Daimler. Mit Plug-in-Hybriden etwa können „beinahe sämtliche tägliche Fahrten rein elektrisch zurückgelegt werden, wenn der Kunde die Batterie dann auch zu Hause oder am Arbeitsplatz laden kann“.
Die Brennstoffzelle sei trotz der Einstellung des GLC F-CELL weiterhin wichtig, allein schon wegen dem „großen Potenzial dieser Technologie, deren Vorteile klar auf der Hand liegen: null Emissionen, hohe Reichweiten und kurze Betankungszeiten sowie ein breites Einsatzspektrum vom Pkw bis zu Bussen, anderen großen Nutzfahrzeugen oder auch für stationäre Anwendungen.“ Allerdings sei momentan „die Batterie der Brennstoffzelle überlegen – nicht zuletzt aufgrund der Kostensituation der Herstellung und auch des Aufbaus einer Tankstellen-Infrastruktur.“ Die Brennstoffzelle soll bei Daimler aber „die batterie-elektrischen Antriebe als ein integraler Bestandteil der Antriebsstrategie ergänzen: 2022 bringen wir die Brennstoffzelle zur Verlängerung der Reichweite im Stadtbus in Serie, bei unseren Lkw perspektivisch bis Ende der 2020er-Jahre.“
Von einem „Verbrenner-Aus“ möchte Schäfer nicht sprechen: Daimler erwartet, dass bis 2030 die Hälfte der Pkw-Verkäufe mindestens auf Plug-in-Hybride und rein elektrische Fahrzeuge entfallen: „Also läuft dann immer noch deutlich mehr als die Hälfte der produzierten Autos mit Verbrennungsmotor vom Band“.
Quelle: Top Company Guide — Im Dialog mit Markus Schäfer