Die E-Mobilität gewinnt zunehmend an Fahrt. Doch noch gibt es viele Skeptiker. Für Markus Hölzle allerdings scheint die Richtung klar. Der Professor für Elektrochemie in Ulm glaubt an den Siegeszug des Akku-Autos. Schon jetzt befänden sich die reinen Stromkosten auf dem Niveau eines vergleichbaren Dieselfahrzeugs. Die CO2-Emissionen im Fahrbetrieb lägen beim aktuellen Strommix sogar unter denen des Diesels, sagte Hölzle in einem Interview mit dem “Tagesspiegel”.
Er selbst sei überrascht von der Entwicklung im Bereich Batterien. Die Kilowattstunde koste aktuell noch 130 bis 180 Euro, Tesla habe jedoch bereits 50 US-Dollar für die nächste Generation angekündigt – und Volkswagen wolle mitziehen. Hölzle: “In wenigen Jahren sind die E-Autos in der Anschaffung also auch ohne Subventionierung wettbewerbsfähig gegenüber Diesel- oder Benzinantrieben.” Haupttreiber der Entwicklung seien die CO2-Grenzwerte von neu zugelassenen Fahrzeugen, die nur mit viel mehr E-Autos erreicht werden könnten. Mit knapp 400.000 Neuzulassungen 2020 sei Deutschland der zweitgrößte Markt gewesen – noch hinter China aber zum ersten Mal vor den USA.
Die von Kanzlerin Merkel angekündigten eine Million E-Autos bis 2020 würden nun eben ein Jahr später erreicht. Das ist nach Ansicht von Hölzle durchaus noch eine Punktlandung. Reihenweise kämen neue Modelle auf den Markt und die Politik unterstütze den Markthochlauf mit Kaufprämien von bis zu 9000 Euro. Dazu verbessere sich die Ladeinfrastruktur und die Kunden sähen zunehmend die Vorteile des E-Autos. “Kurzum: Der Bann ist gebrochen, die Industrie hat die Zeichen der Zeit erkannt.”
Dass Tesla vor den Toren Berlins die größte Batteriefabrik der Welt bauen will, hält Hölzle für eine echte Ansage. VW wolle sogar ein halbes Dutzend Akku-Werke bauen. “Wir holen uns eine Technologie nach Europa, weil die Autoindustrie die Lieferanten vor Ort haben möchte.” das sei ein gutes Signal. Den Trend zu immer neuen Zellenformaten sieht der Professor gelassen. Auch wenn Tesla bei Rundzellen unter der Bezeichnung 46 800 eine deutlich größere Zelle mit 46 Millimetern Durchmesser und 80 Millimetern Länge angekündigt habe, werde das gängige Format 21 700 noch lange gebraucht. Zellen dieses Typs kämen bei Handwerks- und Gartengeräten ebenso zum Einsatz wie im Automobilbereich. Hölzle: “Meiner Meinung nach wird es auch zukünftig verschiedene Formate parallel geben – dazu gehören Rundzellen, Pouchzellen und prismatische Formate.”
Ob eine Festkörperbatterie am Ende tatsächlich einen Quantensprung bedeute oder nur eine deutliche Verbesserung, könne man derzeit noch nicht beurteilen, so Hölzle. “Die gesamte Batterieentwicklung bewegt sich gefühlt mit Lichtgeschwindigkeit.” Früher habe es alle sieben Jahre ein neues Pkw-Modell gegeben – heute würden alle zwei Jahre elektronische Features upgegradet und meist der Akku gleich mit. Dann steige die Reichweite, ohne dass irgendjemand Hand angelegt hat – einfach über eine neue Software beim Batterie-Management. “So sieht die Zukunft aus.”
Wasserstoff beim Pkw hingegen hält Hölzle aktuell für keine Alternative. Für eine schnelle Senkung der CO2-Werte seien Batteriefahrzeuge unabdingbar. “Die Brennstoffzelle im Pkw-Bereich kommt einfach zu spät – obwohl sie ironischerweise bereits vor einigen Jahren gerade in Deutschland kurz vor der Markteinführung stand.” Zudem fehle die Versorgung mit Wasserstoff über ein flächendeckendes Netz von Tankstellen.
Grundsätzlich seien erneuerbarer Strom und grüner Wasserstoff die beiden einzigen Hebel zum Erreichen der Klimaneutralität. Die Batterie passe zum Pkw, im Lkw-Bereich hätten dagegen Brennstoffzellen Vorteile. Aufgrund der Dringlichkeit und des hohen Bedarfs sollte in einer Ãœbergangszeit auch Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen zugelassen werden. Hölzle hält dies für eine Parallele zur heutigen Stromversorgung von Batterien. “Hier wartet auch niemand auf den Tag, an dem der deutsche Strom zu 100 Prozent grüner Strom sein wird. Und das ist auch gut so.”
Quelle: Tagesspiegel – Die Industrie hat die Zeichen der Zeit erkannt