Bundesrechnungshof empfiehlt Abschaffung des Dieselprivilegs

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Verschenkte Subventionen, lückenhafte Besteuerung, veraltete IT-Systeme, Schäden durch Steuerbetrug in zweistelliger Milliardenhöhe – der Bundesrechnungshof empfiehlt 22 Maßnahmen zur Stärkung der Einnahmenbasis für den deutschen Bundeshaushalt. „Strukturelle Defizite, Vollzugsmängel und ausbleibende Reformen verhindern eine grundlegende Stärkung der Einnahmenbasis des Staates. Angesichts des wachsenden Schuldenbergs sind Maßnahmen zur Konsolidierung des Bundeshaushalts aber dringlicher denn je“, sagt der Präsident des Bundesrechnungshofes Kay Scheller.

Die bestehenden Handlungsspielräume sollte die Bundesregierung endlich nutzen, so Scheller weiter: „Einen erheblichen Beitrag zu stabilen Staatsfinanzen könnte ein konsequentes Handeln bei steuerlichen Subventionen und Steuerbetrug leisten. Die Finanzverwaltung muss gestärkt werden, moderne IT-Systeme sind überfällig. Es geht schließlich um eine Billion Euro Steueraufkommen.“ Mit der Umsetzung der 22 Empfehlungen könnten „Einnahmen in Milliardenhöhe erzielt und künftige Haushalte entlastet werden.“

Die haushälterische Bedeutung der Maßnahmen sei enorm, so der Bundesrechungshof in seiner Mitteilung. Allein bei den Steuervergünstigungen bestehe ein Einsparpotenzial von jährlich 30 Milliarden Euro bei Bund und Ländern; das Dieselprivileg, wie die steuerliche Besserstellung des Treibstoffs genannt wird, kostet den Staat mehr als 7 Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommen Mehreinnahmen durch eine stärkere Bekämpfung des Steuerbetrugs und einen verbesserten Steuervollzug.

Das Dieselprivileg führt der Rechnungshof unter dem Punkt „Pläne zum Abbau umwelt- oder klimaschädlicher Vergünstigungen“ auf, welche „mit hohen Mindereinnahmen und substanziellen negativen Umwelt- oder Klimaeffekten“ einhergehen. Dieselkraftstoff wird seit dem Jahr 2003 deutlich niedriger besteuert als Benzin. Dadurch entgingen dem Bund allein in den letzten fünf Jahren Steuereinnahmen in deutlich zweistelliger Milliardenhöhe. Der Bundesrechnungshof sieht keine Rechtfertigung für eine unterschiedliche Besteuerung der Kraftstoffe und fordert schon seit Jahren, die steuerliche Begünstigung von Dieselkraftstoff kritisch zu überprüfen. Die Angleichung sei „überfällig“.

„Wir brauchen stabile und nachhaltige Staatsfinanzen – auch und gerade im Interesse der kommenden Generationen“

Scheller führt aus: „Für einen handlungsfähigen Staat brauchen wir stabile und nachhaltige Staatsfinanzen – auch und gerade im Interesse der kommenden Generationen. Die Zinsbelastungen sind hoch und werden durch neue Verschuldungsmöglichkeiten weiter signifikant steigen. Die Einnahmenbasis muss gestärkt werden. Dies gelingt nur mit einer wirksamen Finanzverwaltung.“

Die Empfehlungen in sechs Handlungsfeldern betreffen kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen, die für das Steueraufkommen bedeutsam sind. Der Bundesrechnungshof stellt sie nicht in eine Rangfolge. Dies sollte das Ergebnis einer politischen Diskussion sein.

  • Reformwillen bei steuerlichen Subventionen beweisen – Finanzmittel wirksam einsetzen: Steuervergünstigungen gehören regelmäßig auf den Prüfstand, findet der Bundesrechnungshof. Erreicht eine Vergünstigung nicht die angestrebte Wirkung, müsse sie angepasst oder beendet werden. Beispiele für erhebliches Einsparpotenzial seien die Steuervergünstigung für Handwerkerleistungen (2,1 Milliarden Euro), die steuerliche Begünstigung von Dieselkraftstoff (7 Milliarden Euro) oder der ermäßigte Umsatzsteuersatz (mehrere Milliarden Euro).
  • Förderungen nicht mehrfach gewähren und auf staatliche Kernbereiche beschränken: Richtig steuerlich fördern heiße zu prüfen, ob die Unterstützung mit Steuergeld tatsächlich erforderlich und gerechtfertigt ist. Mehrfachförderungen seien auszuschließen. Geltende Gesetze müssen konsequent durchgesetzt, und Mitnahmeeffekten – wie beispielsweise beim Familienleistungsausgleich – müsse entgegengewirkt werden.
  • Steuerhinterziehung entschlossen bekämpfen – Schlagkraft des Fiskus erhöhen: Die Betrugsbekämpfung komme nicht voran. Dies belaste die Haushalte von Bund und Ländern – und benachteilige steuerehrliche Unternehmen. Zur Sicherung des Steueraufkommens empfiehlt der Bundesrechnungshof bessere IT-Systeme und eine stärkere Geldwäschebekämpfung.
  • Digitalisierung der Finanzverwaltung zügig voranbringen: Sie habe eine überragende Bedeutung für die Sicherung des Steueraufkommens. Aber Deutschland bleibe hinter seinen eigenen Ansprüchen zurück. Das Megaprojekt Konsens für eine bundesweit einheitliche Software in der Steuerverwaltung startete vor 16 Jahren und verzögert sich immer weiter. Komponenten drohen schon vor der Einführung zu veralten. Konsens müsse endlich auf die Zielgerade kommen.
  • Probleme beim Steuervollzug lösen – Zukunftsfelder erschließen: Vollzugsmängel vermindern das Steueraufkommen erheblich. Es fehle an Personal und nötiger technischer Unterstützung. Außerdem entstehen Besteuerungslücken dort, wo der Steuervollzug nicht Schritt hält mit Fortschritt und Wandel, beispielsweise im Bereich der Plattformökonomie und beim Handel mit Kryptowerten.
  • Zusammenarbeit zentraler Stellen wirksam optimieren – Meldesysteme priorisieren: Im digitalen Zeitalter sollte die Finanzverwaltung in Bund und Ländern mit anderen relevanten Stellen vernetzt sein, um vorhandene Daten austauschen und Kräfte bündeln zu können. Meldesysteme für die Verwaltungszusammenarbeit sind dafür notwendig. Vorliegendes Datenmaterial sollte umfassend ausgewertet werden.

Fazit

Die Bundesregierung müsse die Einnahmenbasis grundlegend stärken mit durchgreifenden Maßnahmen, so der Bundesrechnungshof in seinem Fazit. Auf den Prüfstand gehören steuerliche Subventionen ohne ausreichende Wirkung oder mit nachteiligen Effekten. Besteuerungslücken seien zu schließen. Die Verwaltung von jährlich einer Billion Euro Steuereinnahmen brauche eine moderne, leistungsfähige Steuer-IT. Steuerbetrug müsse der Fiskus konsequenter als bisher bekämpfen.

Scheller abschließend: „Die Umsetzung jeder einzelnen empfohlenen Maßnahme stärkt die Einnahmenbasis des Staates oder trägt zu mehr Steuergerechtigkeit bei. Für die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen können damit der Verzicht auf gewohnte Vorteile oder zusätzliche Belastungen verbunden sein. Davon Betroffene sollten die Möglichkeit haben, sich rechtzeitig auf Veränderungen einzustellen. Transparenz ist deshalb wichtig – ebenso ein nachhaltiges Vorgehen. Ohne solide Finanzen fehlt Handlungsspielraum, oder er geht verloren. Der Bundeshaushalt braucht Stabilität.“

Quelle: Bundesrechnungshof – Pressemitteilung vom 15.04.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Wolfbrecht Gösebert:

„… [dafür] bezahlen doch Dieselfahrer ein viel höhere KFZ-STEUER. Das gleicht sich doch am Ende aus.“

Das gleicht sich – ggü. dem Benziner – eben halt NICHT aus! Merke: Sonst würde der Bundesrechnungshof ja auch nicht auf 7 MILLIARDEN € verschenkte Steuereinnahmen kommen, gell?!

Wolfbrecht Gösebert:

„Schafft einfach alle Autosubventionen ab!“

Gern, wir belegen dann ab sofort nur noch den CO₂-Austoß mit den REALEN Kosten der Umwelt-/Klimazerstörung!

Heiko:

Was heißt denn Diesel Privileg, da für bezahlen doch Dieselfahrer ein viel höhere KFZ-STEUER. Das gleicht sich doch am Ende aus.

Marcel:

Wenn schon Subventionen eingestampft werden, dann aber auch alle, auch die für E-Autos.
E-Autos werden genauso hoch subventioniert, mit Kaufförderung oder Kfz-Steuer-Befreiung.
Schafft einfach alle Autosubventionen ab und lässt die Autofahrer selbst entscheiden, welcher Antrieb für jeden einzelnen der richtige und praktisch Ist. Staatlicher Zwang und Planwirtschaft funktioniert nicht auf Dauer. Siehe DDR !!!!!

Voltaire:

Mario Barth? Muss man den kennen?

Marxel:

Wo im Text wird denn erwähnt, geschweige denn gefördert, dass Sie ihren Diesel verkaufen und ein Auto mit anderer Antriebsart kaufen sollen?
In dem Text geht es um Subventionen, welche den Staat viel Geld kosten und keinen signifikanten Nutzen für die Gesellschaft haben. Darunter fällt -dem Bundesrechnungshof nach- auch das s.g. Dieselprivileg, was den Staat rund 7 Milliarden Euro jährlich an Steuereinnahmen kostet.

Ich empfehle den Text erst einmal zu lesen, bevor man solche zusammenhangslose Kommentare formuliert und verzerrender Narrative bedient.

John Blazkowicz:

Fahre trotzdem meinen gebrauchten Diesel die nächsten 20 Jahre weiter. Das Auto ist Top und verbraucht wenig, wieso soll ich mir ein neueres Fahrzeug holen, wenn mein älteres Fahrzeug nichts hat? Des Weiteren kann ich nicht mehr als 10k für ein Auto ausgeben, da das meiste für meine Mietwohnung, Lebensmittel meist Bio und Rechnungen drauf geht, bleibt am Ende des Monats zwischen 100€-150€ zum sparen…

Wolfbrecht Gösebert:

„Steuergelder werden an anderen Stellen rausgeschmissen …“

Von welchen 7-Milliarden-Beträgen redest du da?

„…, einfach mal Mario Barth anschauen.“

Du möchtest bitte belastbare Quellen dafür nennen. »Unterschichtfernsehen« zählt jedenfalls nicht dazu!

Wolfbrecht Gösebert:

„Mein Golf Variant Diesel hatte gestern 3,3 Liter auf 100[ ]km, so sauber und umweltfreundlich fährt kein Benziner oder Stromer!“

Falsch. Informiere dich besser: Jeder, JEDER strombetriebene Pkw fährt sauberer.

„Jeder Cent[,] der auf dem Diesel[-]Preis [draufkommt], verteuert Lebensmittel[,] Gebrauchsgüter und alles weitere.“

Nur solange, wie die Lieferflotten nicht schon elektrifiziert sind. Pro *Kilometer* sind die schon jetzt deutlich billiger.

„Bevor es keine effiziente Lösung für Antriebe gibt …“

Den Elektromotor gibt es doch schon SEHR lange –> effizienter geht nicht! Akku-Wirkungsgrade sind bei 95% und REKUPERATION (Energierückgewinnung beim Bremsen und bergab) geht NUR mit Akku!

„… sollten alle [dafür] plädieren[, dass] der Diesel günstiger besteuert wird.“

Im Gegenteil: Dieselprivileg weg, CO₂-Preis weiter rauf –> desto schneller geht die Umstellung auf E-Effizienz!

VinElektro:

Das ist leider blödsinn, was Sie da von sich geben:

„Nach den Angaben des BMU erzeugt ein Auto durchschnittlich: Pro Liter Benzin 2,32 kg CO2; pro Liter Diesel 2,63 kg CO2; pro kg Erdgas 2,23 kg CO2.“
https://www.naturefund.de/wissen/co2_rechner/daten

„Pro Kilowattstunde des in Deutschland verbrauchten Stroms wurden im Jahr 2024 bei der Erzeugung durchschnittlich 363 Gramm CO2 ausgestoßen.“
https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/energieversorgung/strom-waermeversorgung-in-zahlen#Strommix

CO2-Bilanz Diesel:
2,63 kg CO2/l_Diesel * 3,3 l_Diesel/100km = 8,7 kg CO2/100km

CO2-Bilanz Stromer:
(bei einem angenommenen Verbrauch von 20 kWh/100 km)
0,363 kg CO2/kWh * 20 kWh/100km = 7,26 kg CO2/100km

–> Stromer verursacht 17% weniger CO2 als Diesel

Und das bei einem von Ihnen sehr gering angenommenen Verbrauch von 3,3l. Das schaffen 95% der Diesel nicht. Und Das sie haben das jetzt mal auf 100 km Landstraße/Autobahn hinbekommen, aber niemals im Mittel mit entsprechenden Stadtanteil.

Wenn sie dagegen jetzt sehr effiziente Stromer wie den Hyundai Ionique nehmen mit einem Verbrauch von 13-14 kWh/100km liegt die CO2-Ersparnis schon bei über 40%.

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