Nachdem ein mutmaßlicher Brandanschlag auf Energie-Infrastruktur den Süden Berlins von der Stromversorgung gekappt hat, geht der ebenfalls betroffene Autohersteller Tesla davon aus, dass sein Werk Grünheide den Betrieb frühestens Anfang kommender Woche wieder aufnehmen kann.
Der Ausfall werde so lange andauern, bis der Stromversorger die Versorgung wiederhergestellt hat, sagte Werksleiter Andre Thierig Medienberichten zufolge am Dienstag. „Wir erwarten nicht, dass wir diese Woche die Produktion wieder aufnehmen können“, sagte er. „Wir hoffen, herauszufinden, ob wir Anfang nächster Woche neu starten können“. Der Schaden für Tesla soll vor allem aufgrund der Produktionsausfälle „im hohen neunstelligen“, also im Bereich von mehreren Hundert Millionen Euro liegen, so Thierig.
Tesla-CEO Elon Musk äußerte sich auf X zu dem Vorfall, bezeichnete die dafür Verantwortlichen als „entweder dümmste Öko-Terroristen der Welt“ oder „Marionetten derer, die keine guten Umweltziele haben“. Die Produktion von E-Autos anstelle von Fahrzeugen mit fossilen Brennstoffen zu stoppen, sei „extrem dumm“, wobei der Tesla-Chef für den letzten Teil des Zitats anstelle des ansonsten im Englisch gehaltenen Statement das Deutsche nutzte: “These are either the dumbest eco-terrorists on Earth or they’re puppets of those who don’t have good environmental goals. Stopping production of electric vehicles, rather than fossil fuel vehicles, ist extrem dumm“, so Musk auf X.
Klar ist nun, dass ein 110-kV-Hochspannungsmast in der Nähe des Standorts in Brand geriet, was zu Stromausfällen in der gesamten Umgebung führte, von denen zehntausende Bewohner:innen und Dutzende Unternehmen betroffen waren. Zunächst hatten Medien von einer brennenden Trafostation berichtet.
Werksleiter Thierig zeigte sich „schockiert“ über das, was passiert ist. „Es ist der zweite direkte Angriff auf die Stromversorgung der Fabrik und es gab einen dritten Angriff auf die Eisenbahn in der Nähe. Wir sind sehr besorgt“, sagte er. Einen ersten Brandanschlag hatte es bereits im Mai 2021 gegeben. Er erklärte, dass es immerhin geschafft wurde, eine sichere Notabschaltung durchzuführen, bei der unter anderem flüssiges Aluminium aus ihren Schmelzen abgelassen werden musste, bevor es sich verfestigte.
Zehntausende von Menschen ohne Strom
Die Versorgung der umliegenden Gemeinden sei nach Angaben des Stromversorgers Edis am späten Dienstagvormittag wieder hergestellt worden, so der Spiegel. Teslas Werk sowie ein Logistikzentrum von Edeka seien aber weiterhin ohne Strom, vor Ort werde aktuell die Reparatur des beschädigten Hochspannungsmasts vorbereitet. Die Reparatur könne aber erst nach Freigabe durch die Ermittlungsbehörden beginnen. Die Supermarktkette Edeka machte keine Angaben zur Schadenshöhe. Von Freienbrink aus werden rund 500 Märkte in Berlin und Brandenburg mit Obst und Gemüse sowie kühlpflichtigen Lebensmitteln versorgt.
Joerg Steinbach (SPD), der Wirtschaftsminister von Brandenburg, verurteilte den mutmaßlichen Brandanschlag als „terroristische“ Tat und Angriff auf Zehntausende von Menschen: „Dazu gehören Krankenhäuser, Seniorenheime, in denen die Menschen auch von der Sauerstoffversorgung oder ähnlichem abhängig sein können, die auf Strom basiert“, sagte er gegenüber Journalisten vor der Tesla-Fabrik in Grünheide. Beim mutmaßlichen Anschlag sei durch die Täter „billigend in Kauf genommen worden, dass Menschen dadurch verletzt werden“.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte den mutmaßlichen Brandanschlag. „Ein solcher Anschlag auf unsere Strominfrastruktur ist eine schwere Straftat, die durch nichts zu rechtfertigen ist“, erklärte sie. Wirtschaftsminister Robert Habeck forderte rasche Aufklärung und Ahndung: „Gewalt und Sabotage dürfen kein Mittel der Auseinandersetzung sein“, so der Grünen-Politiker.
Die Polizei geht von Brandstiftung aus – “Vulkangruppe” veröffentlicht Bekennerschreiben
Die Brandenburger Polizei setzte Hubschrauber, Drohnen und Diensthunde ein, um die näheren Hintergründe des Feuers zu untersuchen. „Nach dem, was derzeit bekannt ist, vermutet die Polizei Brandstiftung“, teilte die Polizei mit, habe allerdings noch keine Verdächtigen identifiziert.
Noch am Dienstag tauchte online ein Bekennerschreiben auf, in dem eine „Vulkangruppe“ genannte und ansonsten anonyme Vereinigung die Verantwortung für das Feuer übernommen hat: „Wir haben heute Tesla sabotiert“, teilte die Gruppe mit, die die „komplette Zerstörung“ der Fabrik zum Ziel habe, und bezeichnete den Angriff als Geschenk zum Internationalen Frauentag am 8. März und als “Leuchtfeuer gegen Kapital, Patriarchat, Kolonialismus und Tesla. […] Tesla frisst Erde, Ressourcen, Menschen, Arbeitskraft und spuckt dafür 6000 SUVs, Killerautos und Monstertrucks pro Woche aus“, heißt es in dem Schreiben, und weiter: “Tesla militarisiert die Straße. Seine fahrenden Panzer sind Kriegsgerät. Das Auto als Waffe. Die Straße das Schlachtfeld. Tesla hat statt 9mm jetzt 856 PS in die Welt gesetzt.”
„Wir haben uns mit unserer Sabotage den größtmöglichen Blackout der Gigafactory zum Ziel gesetzt“, heißt es weiter in dem Schreiben, das auch eine detaillierte Beschreibung der Brandlegung enthält, die an einer Stelle erfolgte, an der von der Hochspannungsleitung aus eine Verbindung zu Erdkabeln hergestellt wird, weshalb genau dort das Feuer gelegt worden sei: „Schäden an Kabelmuffen sind oft in der Behebung des Schadens langwierig und teuer“. Außerdem sollte das Feuer am Strommast möglichst groß und hoch sein, „um die Stahlkonstruktion zu schwächen und eine Instabilität des Masts herbeizuführen.“ Das Ziel ist dem Schreiben nach gewesen, den Hochspannungsmasten zum Einsturz zu bringen: “Das war unsere Absicht“, schreibt die Gruppe.
Die Vulkangruppe soll sich 2011 gegründet haben und wird vom Berliner Verfassungsschutz dem anarchistischen Spektrum zugeordnet. Sie wird für eine ganze Reihe von Brandanschlägen in Berlin und Brandenburg verantwortlich gemacht.
Tesla steht noch viel Arbeit bevor
Selbst wenn die Stromversorgung wieder hergestellt ist, stehe Tesla vor „riesigen Problemen“ beim Hochfahren der Produktion, sagt Peter Mertens, ehemaliger Entwicklungschef von Audi, dem Handelsblatt. Jeder Roboter müsse zunächst wieder in seine Nullposition gefahren werden, unfertige Karosserien müssen von den Linien, aus dem Korrosionsschutzbad sowie aus der Lackiererei entfernt und verschrottet werden.
Das Beratungsunternehmen Berylls geht davon aus, dass Tesla insgesamt bis zu 40 Fahrzeuge verschrotten und viel Arbeit in die so genannte „Erststückfreigabe“ stecken müsse, also das Wiederanfahren des Produktionsprozesses mit entsprechender Qualitätskontrolle. „Tesla braucht mindestens einen Tag für den kompletten Wiederanlauf“, zitiert das Handelsblatt Heiko Weber von Berylls.
Quelle: Automotive News Europe – Tesla’s Berlin factory to remain closed until next week after suspected arson nearby / Spiegel – Was über die Vulkangruppe bekannt ist / Spiegel – Linksextremistische Gruppe reklamiert Anschlag gegen Tesla für sich / RBB24 – Bekennerschreiben der Vulkangruppe laut Polizei echt / Handelsblatt – Fast eine Milliarde Schaden durch Brandanschlag / Vulkangruppe – Bekennerschreiben