Bosch rechnet 2030 mit 70 Prozent E-Auto-Quote in Europa

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Die Bosch-Gruppe, unter anderem als Automobilzulieferer aktiv, hat ihren Umsatz und Ertrag 2023 gesteigert und setzt ihre Wachstumsstrategie auch in schwierigem Umfeld erfolgreich um: „Wir haben im Geschäftsjahr 2023 unsere wirtschaftlichen Ziele erreicht und in einer Reihe von Geschäftsfeldern unsere Marktposition gestärkt, sei es bei Halbleitern oder integrierten Gebäudesystemen“, sagte Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH, anlässlich der Bilanzvorlage des Unternehmens in der vergangenen Woche.

Mit Innovationen, Partnerschaften und Zukäufen wollen wir in der Transformation unserer Branchen trotz konjunkturellem Gegenwind wachsen.“ Langfristig will das Technologie- und Dienstleistungsunternehmen eine durchschnittliche jährliche Umsatzsteigerung von sechs bis acht Prozent bei einer Rendite von mindestens sieben Prozent erreichen. Zudem will es in allen Weltregionen zu den führenden drei Anbietern in wesentlichen Märkten gehören.

Gezielt baut Bosch daher auch Innovationsfelder mit Wachstumschancen aus und kündigte zum Beispiel in der Medizintechnik den Einstieg in eine neuartige BioMEMS-Technologie an, die Molekulardiagnostik mit der Mikrosystemtechnik verbindet. Diese ermögliche auf einem Chip gezielte Tests auf bis zu 250 genetische Merkmale wie etwa Erreger oder genetische Mutationen – und das direkt am Point-of-Care, zum Beispiel in einer Arztpraxis. „BioMEMS verbindet die Molekulardiagnostik mit der Mikrosystemtechnik, wie Bosch sie in Smartphones ebenso wie im ESP-Schleuderschutz einsetzt“, sagte Hartung. Ein erster BioMEMS-Test soll auf verschiedene Erreger der Sepsis zielen, bekannt auch als Blutvergiftung.

Umsatz und Ergebnis 2023 verbessert – 2024 bleibt weiterhin angespannt

Im zurückliegenden Geschäftsjahr erwirtschaftete Bosch trotz ungünstiger Konjunktur- und Marktbedingungen einen Umsatz von 91,6 Milliarden Euro. Dies ist ein Anstieg von 3,8 Prozent, wechselkursbereinigt ein Plus von 8 Prozent. Das operative Ergebnis vor Finanzergebnis und Steuern (EBIT) betrug 4,8 Milliarden Euro (2022: 3,8 Milliarden Euro). Die operative EBIT-Rendite lag mit 5,3 Prozent einen Prozentpunkt über dem Vorjahr und damit über den Erwartungen, aber weiterhin unter der langfristig erforderlichen Zielrendite von mindestens sieben Prozent. Diese will Bosch 2026 erreichen.
„Eine hohe Ertrags- und Finanzkraft ist notwendig, um unsere Wachstumsziele möglichst selbst zu finanzieren“, erklärte Markus Forschner, Geschäftsführer und Finanzchef der Robert Bosch GmbH. „Ein erfolgreicher Endspurt hat dazu beigetragen, dass sich unsere Erwartungen für 2023 insgesamt erfüllt haben. Allerdings wird das Geschäftsjahr 2024 mindestens so herausfordernd wie 2023.“

Für das laufende Jahr sind insgesamt die Aussichten von Bosch auch vor dem aktuellen konjunkturellem Hintergrund weiter verhalten. „Für 2024 erwarten wir keinen konjunkturellen Rückenwind“, sagte Forschner. Demnach rechnet der Finanzchef für 2024 nur mit einem globalen Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent und geht von einer stagnierenden Fahrzeugproduktion und einem weiterhin schwachen Maschinenbaumarkt aus. Bei den Konsumgütermärkten könnte es hingegen nach zwei Jahren Zurückhaltung eine leichte Verbesserung geben. Für das eigene Geschäft erwartet Bosch eine Stabilisierung, zu der Innovationen und die verstärkte internationale Aufstellung beitragen sollen. Zum Beispiel entstehen eine Herdfabrik in Ägypten und ein Werk für Kühlgeräte in Mexiko.

„Die Elektromobilität kommt – die Frage ist nur, wie schnell“

In seinem Kerngeschäft Mobility treibt Bosch laut seiner Mitteilung strategische Entscheidungen für kommendes Wachstum zielstrebig voran: Allein in diesem Jahr laufen rund 30 Serienprojekte für Elektrofahrzeuge an. „Die Elektromobilität kommt – die Frage ist nur, wie schnell in den verschiedenen Regionen der Welt“, sagte Hartung. „In Europa werden 2030 nach unserer Einschätzung voraussichtlich 70 Prozent aller Neuwagen reine Elektroautos sein, in China und Nordamerika 40 bis 50 Prozent.“ Wo große Distanzen mit schweren Fahrzeugen zu überwinden seien, blieben laut dem Bosch-Chef Lösungen wie Plug-in-Hybrid und Range-Extender noch einige Zeit gefragt.

Weiteren Schub erwartet Bosch Mobility aus der Fahrdynamik-Technologie: Mit neuen und redundanten Bremssystemen, zugeschnitten besonders auf das elektrifizierte und automatisierte Fahren, wachse Bosch jährlich um zehn Prozent – deutlich stärker als der Markt. Mit dem Vehicle Motion Management (VMM) setzt Bosch auf eine neuartige Systemlösung, die künftig alle Fahrzeugbewegungen koordiniert, indem es Bremse, Lenkung, Antrieb und Dämpfung ansteuert. Allein für zurückliegende Wintererprobungen habe Bosch mehr als 20 Testfahrzeuge großer Marken mit Varianten des VMM ausgestattet. „Wir sind früh unterwegs und werden in diesem Jahr bereits mit einem ersten Auftrag in Serie gehen“, erklärte Hartung. Insgesamt will das Unternehmen damit im Jahr 2030 bereits einen Umsatz in dreistelliger Millionenhöhe erzielen.

Bosch will Wachstumsfeld Wasserstoff „aktiv mitgestalten“

Im Wachstumsfeld Wasserstoff bekräftigt Bosch seine geschäftliche Erwartung: 2030 soll der Umsatz mit Wasserstoff-Technik voraussichtlich fünf Milliarden Euro erreichen. „2023 ist unsere Produktion von Brennstoffzellen-Systemen in Stuttgart und im chinesischen Chongqing angelaufen“, sagte Hartung. Leitmarkt werde voraussichtlich zunächst China sein, in Europa und Nordamerika erwartet Bosch erst in der nächsten Dekade größere Zuwächse. Aus technischer Sicht sei der schnellste Weg zum klimaneutralen Nutzfahrzeug-Verkehr mit dem H2-Verbrennungsmotor möglich, der statt Diesel mit Wasserstoff befeuert wird. Für die entsprechende Technik, die der Lkw-Hersteller MAN bereits in eine Pilotflotte von 200 Fahrzeugen bringt, sieht Bosch 2030 ein Marktvolumen von nahezu einer Milliarde Euro.

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Bosch

Der Bosch-Chef erklärte: „Schon in diesem Jahr kommt in Indien ein Wasserstoffmotor mit unserer Einblastechnik auf die Straße, und wir arbeiten bereits an fünf Serienaufträgen namhafter Lkw-Hersteller aus allen Teilen der Triade.“ Auch an der kräftig zunehmenden Wasserstoff-Erzeugung will Bosch teilhaben: Weltweit soll bis 2030 die Kapazität für die Wasserstoff-Elektrolyse gut 170 Gigawatt installierter Leistung erreichen – rund 25-mal so viel wie heute. „Mit unserem Elektrolyse-Stack sind wir auf Kurs zum Markteintritt im nächsten Jahr“, erläuterte Hartung. „Bosch soll künftig nicht nur als Name für Wasserstoff-Antriebe, sondern auch für die Wasserstoff-Produktion stehen. Wir werden als Zulieferer den Zukunftsmarkt aktiv mitgestalten.“

Bosch steigert Wärmepumpen-Geschäft um 50 Prozent

Wachstumschancen nutzt Bosch konsequent auch im Bereich Heizungstechnik. Obwohl der europaweite Wärmepumpen-Markt 2023 stagnierte, konnte Bosch sein Geschäft um nahezu 50 Prozent steigern. In den kommenden Jahren will Bosch in dem Segment deutlich stärker als der Markt wachsen. „Wir haben nicht nur in unsere Produktion investiert, sondern auch unser Produktportfolio ausgebaut – von kostengünstigen bis hin zu leisen und effizienten Wärmepumpen“, sagte Hartung. Von Hybridheizungen, der Kombination aus Wärmepumpe für den Grundbetrieb und einer Gastherme für die Spitzenlast, verspricht sich der Bosch-Chef weiteres Absatzpotenzial. Diese ermöglichen demnach die effiziente Dekarbonisierung für Millionen von Bestandsgebäuden. Eine entsprechende Lösung habe Bosch erstmals für Mehrfamilienhäuser mit bis zu 100 Wohneinheiten umgesetzt.

Zugleich erinnerte Hartung an die kontroverse Debatte zum Heizungsgesetz in Deutschland, die langfristige Kaufentscheidungen behinderte und damit einen starken Einbruch im Heizungsmarkt zur Folge hatte. „Wo Klima- und Energiepolitik widersprüchlich ist, werden Investoren nicht investieren, sondern warten“, verdeutlichte Hartung. „Wachstum setzt eine klare und berechenbare Förderpolitik voraus.

CO2-neutrale Zukunft erfordert anhaltende Investitionen

Insgesamt spiele der Klimaschutz für Bosch weiterhin eine zentrale Rolle. Er bietet aus Sicht von Stefan Hartung große Wachstumschancen, auch wenn sich Märkte wie die Elektromobilität verzögert entwickeln würden. „Allerdings sehen wir, dass der Klimaschutz nicht mehr allein an der Spitze der politischen Agenda steht – unter dem Eindruck komplexer Geopolitik und zunehmender sozialer Spannungen in unserer Gesellschaft“, erklärte Hartung.

Bosch halte jedoch an den hohen Vorleistungen für Technologien einer CO2-neutralen Zukunft fest, um seinen Beitrag zu leisten und die Transformation an der Spitze mitzugestalten. Hartung appellierte: „Die Förderung CO2-effizienter Technologien steht zwar unter Spardruck. Klimaschutz erfordert jedoch anhaltende Investitionen – vom Staat, von Unternehmen und von jedem Einzelnen.“

Geschäftsjahr 2023: Entwicklung nach Unternehmensbereichen

Der Unternehmenssektor Mobility erzielte ein Umsatzwachstum von 6,9 Prozent auf 56,2 Milliarden Euro. Wechselkursbereinigt beträgt das Plus 10,9 Prozent. Die operative EBIT-Rendite betrug 4,4 Prozent (2022: 3,4 Prozent).

Im Unternehmensbereich Industrial Technology stiegen die Erlöse auf 7,4 Milliarden Euro. Der Anstieg um 6,8 Prozent und wechselkursbereinigt um 10,2 Prozent resultiert aus der erstmaligen Konsolidierung der Zukäufe HydraForce und Elmo Motion Control. Die EBIT-Rendite blieb stabil mit 9,1 Prozent (2022: 9,8 Prozent).

Im Unternehmensbereich Consumer Goods lag der Umsatz 6,6 Prozent unter dem Vorjahr und erreichte 19,9 Milliarden Euro, wechselkursbereinigt ein leichtes Minus von 1,2 Prozent. Die operative EBIT-Rendite blieb unverändert bei 4,5 Prozent.

Im Unternehmensbereich Energy and Building Technology legte der Umsatz um 10,5 Prozent auf 7,7 Milliarden Euro zu, wechselkursbereinigt ein Wachstum von 13,2 Prozent. Die operative EBIT-Rendite erreichte neun Prozent (2022: sechs Prozent).

Weltweit beschäftigte das Unternehmen zum Jahresende 429.416 Menschen, das sind 8078 mehr als im Vorjahr. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Beschäftigten in allen Regionen gestiegen – auch in Deutschland. Der regional stärkste Zuwachs erfolgte in Amerika.

Quelle: Bosch – Pressemitteilung vom 18.04.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Smartino:

Dafür hast du alle Nachteile des Verbrenners: Schädliche Abgase, viele unnötige Teile und somit auch durch erhöhte Reparaturanfälligkeit und teure Wartungsarbeiten zusätzliche und unnötige Kosten.

Niko8888:

70% klingt gut
Als Radfahrer in Frankfurt am Main bin ich selbst über jeden Hybrid dankbar, weil die einfach viel weniger stinken.
Die Hölle sind Diesel Transporter und selbst wenige Jahre alte Diesel SUV sind unangenehm. Dabei sind die doch angeblich so sauber… aber wohl nicht im städtischen Stau bei kaltem Motor :-(

Peter:

Wenn dann natürlich PlugIn ansonsten ists witzlos und ohne tägliches laden säuft dich die Karre tot und auf Langstrecke gut „400%“ mehr Spritverbrauch(1,2l auf Papier/ 7,8l real) und on Top Zwangswartungen.
Also kurz die Nachteile beider Welten in einem Fahrzeug ABER els BEV Einstiegsdroge teotzdal nützlich.

Peter:

Und 80% ist also ein schlechter Wert ?
Zahlen sind immer abstrakt darum mal in Worten.

Fast jeder BEV Besitzer würde sich wieder ein BEV zulegen.

Spiritogre:

Um ehrlich zu sein, Hybride haben mich bisher nie interessiert. E-Autos sind mir momentan aber (in meiner Klasse und gebraucht) zu teuer und Reichweite und Ladetempo sind auch nicht prickelnd. Und dann bin ich gestern zufällig über ein PHEV gestolpert, das mir extrem gut gefallen hat, von Außen als auch Innen! Gerade der Innenraum bei E-Autos ist mir oft zu billig oder die Autos sind im Bereich BMW und ich kann sie mir nicht leisten und sind vergleichbar dann ab 20.000 Euro teurer. Das PHEV ist natürlich auch mindestens 10.000 Euro günstiger als ein vergleichbarer BEV, sogar die Beschleunigung ist mit Batterieunterstützung in ähnlichen Bereichen wie bessere Elektroautos.

Wenn also jetzt in zwei, drei Jahren vielleicht das nächste Auto dann doch ansteht, werde ich PHEV nicht ignorieren sondern genau abwägen. Damit könnte ich zumindest in Theorie dann zum Pendeln, Einkaufen etc. rein elektrisch fahren und habe auf der Autobahn dann nicht die Nachteile der Elektroautos.

Archie:

Laut aktueller Umfrage (siehe anderen Artikel hier) würden nur 79 % der BEV-Besitzer wieder einen BEV kaufen, alle anderen wollen zu Verbrenner bzw. PHEV zurückkehren.
Sollte sich die Akkutechnologie nicht drastisch weiterentwickeln und/oder drastische Verbote ausgesprochen werden, halte ich eine Quote von 70 % BEV bis 2030 in D für utopisch. Beim Durchschnitt aller europäischen Länder sowieso.

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