BMW-Chef Zipse bezeichnet das Verbrenner-Ende als „naiv“

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Michael Neißendorfer
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Oliver Zipse, CEO von BMW, nennt die Einführung des fossilen Verbrennerverbots in Europa ab 2035 in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) „naiv“, verweist auf die Dringlichkeit, auch die Verbrenner-Bestandsflotte klimafreundlicher zu machen und erklärt, welchen strategischen Fehler andere Hersteller gemacht haben sollen.

Mit „eindeutig nein“ beantwortet Zipse die eingangs gestellte Frage, ob die deutsche Autoindustrie in eine Krise fährt. Die Marktbedingungen lägen „in einer normalen Schwankungsbreite“, sagt der BMW-Chef. BMW selbst liege seit neun Quartalen, trotz Corona und Halbleiterkrise also, „exaktin seinem Zielkorridor von 8 bis 10 Prozent Ebit-Marge.In dieses allgemeine Klagelied stimmen wir also ausdrücklich nicht ein“, stellt Zipse klar. Er räumt zwar ein, dass das aktuelle Nullwachstum „unerfreulich sein mag – aber es ist noch lange keine Krise. Eine Krise ist, wenn Sie nicht mehr wissen, was Sie tun sollen“.

Den Beschluss zum Verbrenner-Aus in der EU ab 2035 nennt der BMW-Chef „naiv“, und er erklärt auch, warum: „In einer solchen Dimension Märkte regulieren zu wollen macht am Ende alles schlechter: die Wettbewerbsposition, die ökologische Wirkung und die Arbeitsplatzsicherheit“, findet Zipse. Die Folgen für die industrielle Basis in Europa, wenn das Regelwerk so bliebe, wären „eklatant“, warnt er: „Nach unserer Schätzung würde sich die Wertschöpfung der Automobilindustrie in etwa halbieren – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Beschäftigung“.

Eine Anpassung, wie sie innerhalb der EU für 2026 vorgesehen ist, hält Zipse für „unumgänglich“, da mit dem Aus fossiler Verbrenner im Jahr 2035 „eine gesamte Industrie erpressbar geworden“ sei. „Denn jeder internationale Wettbewerber, jeder Lieferant weiß: Die sind abhängig von einer einzigen Technologie. Damit hebeln Sie Marktmechanismen aus und machen zum Beispiel die dafür benötigten Rohstoffe deutlich teurer“, erklärt der BMW-Chef im FAZ-Interview.

In dem Zusammenhang verweist Zipse auch darauf, dass es nicht reiche, nur Neuwagen klimafreundlicher zu machen, etwa durch Elektroautos, da allein in Europa mehr als 250 Millionen Bestandsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor zugelassen seien. „Dieser riesige Bestand älterer Fahrzeuge ist der Hauptemittent, er ist aber von der Regulierung gar nicht betroffen“, kritisiert Zipse. Diese könnten fahrzeugseitig problemlos auf E-Fuels umgestellt werden, so der Manager – der in dem Gespräch allerdings leider nicht erklärt, wie die enorme dafür notwendige Menge an Treibstoff klimaneutral hergestellt werden soll.

Das abrupte Ende des Umweltbonus Ende des vergangenen Jahres findet Zipse unproblematisch: „In einem halben Jahr wird sich der Markt wieder normalisiert haben“, sagt er. „Starke Produkte werden sich durchsetzen und den Elek­tromarkt deutlich wachsen lassen“. Problematisch sei der Vorsprung der chinesischen Automobilindustrie, gerade was die Produktion der kostenintensiven Batterien betrifft: „Das wird sich selbst in zehn oder 15 Jahren nicht mehr signifikant verändern“, so der BMW-Chef.

Ihren technologischen Vorsprung nutzen nun immer mehr Autohersteller aus China dazu, günstige E-Autos nach Europa zu bringen. Diese nun mit hohen Zöllen zu belegen, sei „eine Absurdität“, wie Zipse es formuliert – zumal man von aktuell 0,8 Prozent Marktanteil „nicht ernsthaft von ‚überschwemmen‘ sprechen“ könne, wie es manch übertriebenes Szenario an die Wand malt. Mit Strafzöllen aber laufe Europa Gefahr, „dass der Handelspartner mit Gegenmaßnahmen antwortet. Vielleicht wird dann plötzlich die Verfügbarkeit essenzieller Rohstoffe für Elektrofahrzeuge schwieriger. Hier wird viel zu kurz gedacht“, warnt der Manager in dem Interview.

„BMW glaubt fest an die Zukunft der E-Mobilität. Aber eben nicht ausschließlich.“

Nicht verkneifen kann sich Zipse einen kleinen Seitenhieb auf Marktbegleiter, ohne aber Namen zu nennen: „Wenn jetzt europäische Hersteller nervös sind, hat das eher damit zu tun, dass strategische Fehler gemacht wurden: vor allem, alles auf eine Technologie zu setzen, auf das Elektroauto“, sagt der BMW, der das für eine „Fehleinschätzung“ hält.

BMW glaube zwar „fest an die Zukunft der E-Mobilität. Aber eben nicht ausschließlich“. Diese Zukunft manifestiert sich bei den Münchnern ab 2026 in der Neuen Klasse, der nächsten E-Auto-Plattform, auf der innerhalb von zwei Jahren sechs neue Modelle debütieren sollen.

Quelle: FAZ – „Unsere Industrie ist erpressbar geworden“

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Michael Neißendorfer

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Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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