Bidirektionales Laden: Chance für günstigere E-Autos

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Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

Während andere Länder bei der technologischen Transformation voranschreiten, steckt Deutschland in einer Phase des Stillstands. Dies betrifft nicht nur die Innovationskraft, sondern gefährdet auch Arbeitsplätze, Steueraufkommen und die Entwicklung neuer Technologien. Dessen ist sich Marcus Fendt, Geschäftsführer und Chief Sales Officer bei The Mobility House, sicher und vertritt seine Meinung recht deutlich in einem Standpunkt-Artikel bei Tagesspiegel Background.

Bidirektionales Laden als Schlüsseltechnologie

Laut Fendt ist ein konkretes Beispiel hierfür das bidirektionale Laden von Elektroautos, das enormes Potenzial birgt, bisher aber kaum ausgeschöpft wird. Viele Elektroautofahrer:innen könnten ab 2025 kostenlos fahren – vorausgesetzt, die Politik handelt entschlossen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bleibt jedoch zögerlich. Der CSO von The Mobility House verweist in seinem Artikel auf Japan. Dort sei es heute schon möglich, durch bidirektionales Laden bei Katastrophen Notstrom zu gewährleisten.

Etwas, was auch hier Realität werden könnte. Denn in Europa verfügen bereits Modelle von Renault, Volkswagen und Hyundai über die Möglichkeit, Strom nicht nur zu speichern, sondern auch ins Netz zurückzuführen. Ab 2027 soll diese Technologie zum Standard werden. Obwohl der Schritt hin zum bidirektionalen Laden bereits im deutschen Koalitionsvertrag von 2021 verankert wurde, fehlen bisher konkrete Maßnahmen. Der jüngste Gipfel im BMWK brachte ebenfalls keine greifbaren Ergebnisse. Verschenktes Potenzial.

Insbesondere, wenn man bedenkt, dass fast 60 Prozent des deutschen Stroms überwiegend aus erneuerbaren Energien stammt. Diese Form der Energie ist umweltfreundlich und relativ kostengünstig, unterliegt jedoch wetterbedingten Schwankungen. Hier könnten Elektroautos als mobile Batteriespeicher eine Lösung bieten: Im Durchschnitt stehen sie 23 Stunden am Tag, also 96 Prozent der Zeit, ungenutzt auf einem Parkplatz und könnten flexibel überschüssige Energie aufnehmen oder abgeben, wie Fendt ausführt. Die aktuell 2,5 Millionen Elektroautos in Deutschland haben demnach eine Speicherkapazität von rund 100 Gigawattstunden (GWh) – mehr als das Doppelte der Kapazität der 30 existierenden Pumpspeicherkraftwerke.

Finanzielle Vorteile für E-Autofahrer:innen

Für Besitzer:innen bidirektionaler Elektroautos bedeute dies eine Chance: Durch tägliches Laden und Entladen könnten jährlich zwischen 1200 und 1500 Euro erwirtschaftet werden. Selbst nach Abzug der Kosten bleibe ein nennenswerter Gewinn. Auch für das Stromnetz könnte dies erhebliche Vorteile bringen, da kostspielige Redispatch-Maßnahmen, die 2023 mit 600 Millionen Euro zu Buche schlugen, durch eine intelligente Nutzung der Autospeicher verringert werden könnten. Sprich, E-Autofahrer:innen können Gutes tun und gleichzeitig daran verdienen, wie es Fendt aufzeigt.

Seit 2024 bietet das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) Anreize für schaltbare Verbraucher wie Ladestationen. Wer in Spitzenzeiten abschaltbar ist, erhält jährlich etwa 160 Euro. In Kombination mit weiteren Einsparungen durch bidirektionales Laden summieren sich die Vorteile für Elektroautofahrer auf bis zu 800 Euro pro Jahr – vergleichbar mit den Stromkosten eines E-Autos mit 15.000 Kilometern Fahrleistung. Andere Länder wie Frankreich zeigen bereits, wie es gehen kann. Dort profitieren Renault-5-Fahrer von dieser Technologie, die das Münchner Unternehmen The Mobility House in Kooperation mit der Renault Group umsetzt. In Deutschland scheint das Ganze nicht so einfach.

Trotz der erkannten Vorteile zögert das BMWK, die regulatorischen Hürden vollständig abzubauen. Besonders problematisch sind doppelte Netzentgelte für systemdienlich genutzten Strom, von denen Großbatterien zwar befreit sind, nicht jedoch mobile Speicher wie Elektroautos. Hinzu kommt der schleppende Rollout von Smart Metern. Obwohl die Hardware existiert, fehlen vielerorts die nötigen Abrechnungsmechanismen und klare Pläne.

Die Anpassung des Energiewirtschaftsgesetzes 2023 verschärft das Problem, indem sie Netzbetreibern die Möglichkeit gibt, den Einbau von Smart Metern bei Interessierten abzulehnen, wenn ihre Rollout-Quote gefährdet ist. Dies könnte zu weiteren Verzögerungen führen und den Einsatz von Smart Metern bis 2032 verzögern.

Der Handlungsbedarf ist akut

Gegen Ende fasst Fendt zusammen: Es sei jetzt an der Zeit für Deutschland, entschlossen zu handeln. Bidirektionales Laden biete nicht nur Potenzial für eine kostengünstigere und umweltfreundlichere Mobilität, sondern auch für die Stabilisierung des Stromnetzes. Es brauch eine konsequente Umsetzung – sei es durch die Abschaffung doppelter Netzentgelte oder die verpflichtende Einführung von Smart Metern für alle, die an der Energiewende aktiv mitwirken wollen. Nur durch entschlossenes Handeln könne Deutschland seine Position als führendes Land im Bereich Elektromobilität und Energie sichern.

Quelle: Tagesspiegel Background – Wie die Bundesregierung das 25.000-Euro-Elektroauto verhindert

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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Andreas:

Grundsätzlich sehe ich die vergangenen 3 Jahre, daß es in Richtung Energiewende mehr vorangegangenen ist als die 15 Jahre vorher. Da wurde das Thema einfach nur ausgesessen. Z. B. war Deutschland Weltmarktführer in Sachen PV. Die verantwortliche Politik hat alles nach China verscherbelt. Es sieht aus, dass diese Politik Richtung wieder kommt. Jeder sollte die Programme der einzelnen Parteien mal vollständig durchlesen. Dann ist leicht zu erkennen, warum es kein Tempolimit gibt und warum die Netzbetreiber Smartmeter nicht liefern. Man kann sich auch einfach nur erinnern. 2015, 2018, 2020, kannten das Wort Bidirektionales Laden nur insider. Obwohl in Asien es sch genutzt.wurde. Also einfach mal ein Namen einer Person in den Raum schmeißen, der einiges in die richtige Richtung bewegt hat, das ist es wohl nicht.

pani:

Wow. Die Meinung des Herrn Fendt trifft ja wohl mit jedem Wort ins Schwarze. Ich wäre aber gerne mal Mäuschen und wüsste gerne, ob und wie oft er diese Meinung Herrn Habeck vorgetragen hat. Dieser und alle anderen Entscheider aus Politik und Wirtschaft sind in meinen Augen total verlogen. Meinten sie es ernst mit ihrem Gerede von Klimaschutz, würden sie sehr schnell im Sinne von Herrn Fendt umschwenken, sie würden das Lade- und Bezahlchaos an öffentlichen Ladesäulen sofort beenden und sie würden auf der Stelle Tempo 130 auf unseren Autobahnen einführen. Die E-Mobilität wäre automatisch ein Selbstläufer.
Warum sich mein Netzbetreiber seit zwei Jahren penetrant weigert, mir ein Smartmeter zur intelligenten Ladung unserer E-Autos einzubauen, ist mir durch den Artikel jetzt klar geworden.

Marcus Fendt:

Handeln von Flexibilität an Strombörsen hat nichts mit der normalen Strombelieferung zu tun, wie wir es als Endverbraucher kennen. Schau dir mal das Factsheet zu unserem Audi Batteriespeicher am EUREF Campus in Berlin an. Da erklären wir die Werte detailliert. Warum werden gerade 160 GW stationäre Großspeicher bei den Netzbetreibern angemeldet? Genau weil die Werte so attraktiv sind

E.Wolf:

Und immer diese Nebelkerzen !

Anstatt die TECHNIK BiDi (sei es AC oder DC) endlich zu implementieren, wird von Anwendungen fabuliert.

Wenn Apple so bei der Einführung des Smartphones agiert hätte, wäre der Boom der Apps nicht gekommen und damit nicht die Verkaufszahlen der Smartphones.

BiDi ist eine Technik, eine Infrastruktur, bei der bei
-DC: nur etwas Software im eAuto aktiviert werden muß, keine Hardware – 0,0.
-AC: deutlich mehr gemacht werden muß, u.a. muß der On-Board Charger die GridCodes erfüllen und die Signale vom Energiezähler müssen auch ins eAuto gelangen. Und nicht zuvergessen, in DE die Zertifizierung nach VDE-AR-4105 !

Wie Kunden und Hersteller dann auf die Technik mit Anwendungen (sei es V2H oder V2G oder V2x) reagieren, kommt von ganz alleine.

Erst einmal muß die Technik her, da gehört der Druck auf die eAuto-Hersteller, die „Jungs“ ducken sich einfach weg. Hauptsache nicht auffallen, wir könnten ja gefragt sein !!

brmoke:

Der fehlende rechtliche Rahmen für bidirektionales Laden ist der einzige Grund, der mich bisher vom Kauf eines Elektroautos abgehalten hat. Ich finde es erbärmlich, dass bei uns anscheinend keine Visionen für ein Gesamtkonzept für eine umfassende Energiewende bestehen, wozu insbesondere die Nutzung aller dezentralen Speichermöglichkeiten gehört. Bis es zusätzlich dann auch noch die Stromtrassen vom Norden in den Süden gibt werden noch Jahre vergehen, ein gesetzlicher Rahmen für bidirektionales Laden kann verhältnismäßig kurzfristig umgesetzt werden.

Wolfbrecht Gösebert:

„… Laden für 0,27 [Euro], dann Strom abgeben für 0,08 [Euro] …“
Quelle – oder genauer: Von welchem Bidi-Anbieter stammen denn SOLCHE Zahlen?!

Wolfbrecht Gösebert:

„ja, sie stehen 23 Stunden am Tag rum. Aber sie hängen nicht am Netz, denn wenn sie am Netz hängen würden, wären wir wohl schon bei einer optimalen Ladeinfrastruktur.“

Wie meist wird bei solchen Betrachtungen die Vielzahl der schon jetzt! privat verfügbaren Ladeanschlüsse auf privaten Grundstücken und auch die zunehmende Zahl der Wallboxen in Tiefgaragen vergessen oder auch die steigende Zahl der Ladeanschlüsse bei Arbeitgebern, die alle über preiswerte Bidi-AC-Wallboxen durch Ladung/Entladung netzdienlich und geldsparend angeschlossen sein *könnten*!

Wolfbrecht Gösebert:

„Nissan kann das auch! Wird sogar damit beworben, nur nicht [mal] der Händler wusste von der Option …“

Jaja, … das kann Nissan vielleicht in der THEORIE … *praktisch* kann man hier – wenn überhaupt erhältlich – (zu irgendwie bezahlbaren Preisen) KEINE passende Bidi-DC-Wallbox dafür kaufen! Wer was anderes glaubt, möge eine Bezugsquelle nennen!

Martin Eggenstein:

Klar, ich beziehe Strom für 40€/kWh und bekomme 8 fürs Einspeisen. Wenn ich dann zur Arbeit fahren will ist meine Batterie leer wegen Dunkelflaute.
Genau mein Humor

Lutz Stöhr:

Ja da sind wir im Kopf weiter als viele andere, denn E-Mobilität verlangt vom anwender mitdenken, schon bei der Planung wo ich Morgen hin möchte, nur kurze oder längere Strecken, habe ich genug in Akku drin, sollte ich nochmals nachladen, oder ist dort öfter Stau, wie kalt wird es usw, Ja stimmt wie jedes andere Auto, meiner zwar nur 22h am Tag, aber wenn ich es könnte, fehlten in Berlin die Möglichen Ladepunkte bzw. Bidirektionalen Möglichkeiten, und nach 4h oder 4,5 h zahle ich eine Blockierungsgebühr, Auto nicht geladen, bzw. Schon wieder leer, weil Strom gebraucht wurde. Es ist mühselig über diese schöne Idee nachzudenken, wenn keiner es zu Ende denkt!

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