Betrachtung: Subventionsbetrug beim Umweltbonus?

Cover Image for Betrachtung: Subventionsbetrug beim Umweltbonus?
Copyright ©

Sid0601 / Shutterstock.com

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

Unter dem Titel „Umweltbonus: Ein „Subventionsbetrug“, der keiner ist“ hat unser Autor Michael Neißendorfer bereits eine kritische Betrachtung des angeblichen Subventionsbetrugs beim Umweltbonus vorgenommen. Anlass hierfür war die Tatsache, dass E-Auto-Halter:innen ihr E-Auto nach der Mindesthaltedauer – um für Umweltbonus qualifiziert zu sein – ins Ausland verkauft haben. Ein Vorgang, der auf dem Papier rechtens ist. Aber dennoch ein wenig aufstößt.

Wo sind die deutschen E-Autos? Ein Blick auf die Zahlen

Nach Angaben von KBA und Schmidt Automotive Research wurden 481.623 neue E-Autos zwischen dem 01. April 2022 und dem 31. März 2023 auf deutschen Straßen zugelassen. Im gleichen Zeitraum hat die Anzahl der E-Autos in der deutschen Flotte (Parc) nur um 390.816 Einheiten zugenommen, was einen Fehlbetrag von 90.807 Einheiten offenbart. Wo sind diese vorzufinden, wenn nicht auf deutschen Straßen?

Schmidt geht davon aus, dass ein kleiner Prozentsatz davon auf Testfahrzeuge entfällt, die nach Ablauf des Testzyklus ausgemustert wurden und eine Handvoll älterer E-Autos, die verschrottet wurden. Dennoch ist es eben so, dass fast jedes fünfte neue E-Auto die deutsche Pkw-Flotte recht schnell wieder verlässt. Was laut Schmidt darauf zurückzuführen ist, dass diese E-Autos ihren Weg in andere europäische Märkte finden. Denn nach Abzug der deutschen Kaufsubventionen bieten wir auf dem deutschen Markt die teils günstigsten Preise für E-Autos an.

Wie in dem eingangs aufgeführten Artikel unseres Autors Michael unterstreicht auch Schmidt die Beobachtung, dass diese Fahrzeuge nach „Überstehen“ der Haltedauer ins Ausland verkauft werden. Meist mit Gewinn, da aufgrund von Lieferzeiten, Engpässen bei Halbleiter und generell niedrigen Lagerbeständen die Nachfrage meist höher als das Angebot ist, was sich positiv auf den Verkaufspreis auswirkt.

Wir erinnern uns: Die maximale staatliche Förderung lag bei 6000 Euro, plus 3000 Euro Hersteller-Beitrag bis Ende 2022. Ab Januar 2023 wurde dieser Beitrag des Bundes auf einen maximalen Wert von 4500 Euro (für neue E-Auto-Modelle bis zu einem Preis vor Steuern von 40.000 Euro) gekürzt. Während der staatlich geförderte Aufschwung in Deutschland dazu gefördert hat, dass in elf Jahren rund 1,29 Millionen E-Autos zugelassen wurden, finden sich derzeit zum 01. April 2023 „nur“ 1,08 Millionen E-Autos vor.

Blickt man beispielsweise nach Dänemark, zeigt sich ein ebenso ungleiches Bild, welches auf einen Import deutscher E-Autos schließen lässt. Nach den neuesten Regierungsangaben Dänemarks waren dort bis Ende April dieses Jahres 131.867 E-Autos in Betrieb. Und das, obwohl die Gesamtzahl der jemals dort neu zugelassenen E-Autos die Anzahl von 101.717 Einheiten nicht überstiegen hat. Was zu einer Differenz von gut 30.000 E-Fahrzeugen wohl hauptsächlich aus dem Gebrauchtmarkt führt. E-Fahrzeuge, die unter anderem von Deutschland aus in den dortigen Markt eingeführt wurden.

Auswirkungen der Umweltbonus-Regelungen auf Hersteller-Ebene

Auf Hersteller-Ebene zeigen sich ebenfalls Verschiebungen. Die Gesamtanzahl von Tesla-Modellen, die in Deutschland seit 2012 in Deutschland zugelassen wurden, betrug 167.475 Einheiten, während 134.899 bis zum 1. April 2023 auf der Straße vorzufinden waren. Das ergibt eine Differenz von 32.576 Einheiten. In Bezug auf das Volumen der letzten 12 Monate verzeichnete Tesla den größten „Schwund“ seiner deutschen Flotte. Obwohl 76.207 neue Tesla-Modelle zwischen dem 1. April 2022 und dem 31. März 2023 auf die deutschen Straßen kamen, stieg der deutsche Tesla-Anteil auf der Straße nur um 57.943 Einheiten. Also 18.264 Einheiten weniger, die nach Beobachtung von Schmidt entweder exportiert oder verschrottet wurden.

Nach Tesla weist Mercedes den größten Verlust an E-Autos in der deutschen Flotte auf. Hier ergibt sich eine Lücke von über 10.000 Fahrzeugen zwischen tatsächlichem E-Auto Bestand auf deutschen Straßen und Neuzulassungen. Gefolgt von VW mit 9779 Einheiten. Laut Schmidt sei die geringere Anzahl, im Vergleich zu Tesla, auf eine höhere Anzahl an verschrotteter Testwagen sowie dem höheren Marktinteresse an Tesla-Fahrzeugen geschuldet.

Seit Anfang des Jahres wurde mit der Neugestaltung des Umweltbonus die Mindesthaltedauer angepasst und verdoppelt, auf ein Jahr. Außerdem werde durch die künftig weiter sinkenden Fördersätze „der Anreiz, Fahrzeuge gewinnbringend weiterzuverkaufen […] zusätzlich reduziert“, so eine Bafa-Sprecherin. Das Interesse an der Veräußerung ins Ausland dürfte sinken. Wobei rein faktengestützt bereits heute kein Subventionsbetrug vorliegt, wenn sich E-Auto-Käufer:innen an entsprechende Vorgaben der Bafa gehalten haben.

Quelle: Matthias Schmidt – European Electric Car Monthly Market Intelligence 04/2023

worthy pixel img
Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


petera:

Da konnte sich anscheinend niemand vorstellen das es Leute gibt die nach einem halben Jahr ihr Auto verkaufen und dann ein Neues unter Mitnahme der Förderung zum 2. und 3. zu kaufen.

Name ist Egal:

Warum? Sie meinen also die Elektromobilität wurde dadurch mehr Akzeptanz erhalten? Das Gegenteil ist der Fall solange die Hersteller die Preise für E-Autos nicht senken wird sich hat nichts auf dem Markt tun. Durch Subventionen erreicht man nur, das der Hersteller keine Preise senken muss.

Daniel W.:

Man kann es auch den Herstellern oder Händlern, die in Zeiten des Klimawandels noch Verbrenner verkaufen wollen, als Umweltsteuer aufs Auge drücken – am Ende zählt nur, dass die E-Autos gleich teuer oder günstiger sind als die Verbrenner.

brainDotExe:

Genau, damit sich niemand mehr Neuwagen leisten kann.
Stell dir mal vor, es gibt Leute die können oder wollen keinen ÖPNV nutzen.

Das wird dann eher auf mehr Gebrauchtwagen und eine Schwächung der Kernindustrie rauslaufen -> Verlagerung ins Ausland -> wirtschaftlicher/politischer Selbstmord.

Das würde auf enormen Widerstand in der Bevölkerung stoßen, mit der Verbotskeule hat man noch nie für Akzeptanz gesorgt. Wie das ausgeht sieht man an den Protesten in Frankreich.
Eine Regierung die das beschließt wird nicht wiedergewählt werden.

brainDotExe:

Um Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen bringt die Verbotskeule nichts.
Man muss die alternative Lösung attraktiver gestalten. Siehe neben E-Autos auch zum Beispiel Wärmepumpen.

Die Förderung ist da schon richtig, nur die Rahmenbedingungen müssten angepasst werden. Mindesthaltedauer auf 5 Jahre oder so.

Daniel W.:

Es wäre Zeit für einen Verbrenner-Umweltmalus von 25%, also eine Verbrennersteuer und stattdessen den Umweltbonus ganz zu streichen, das würde Geld in die Staatskassen bringen für einen ÖPNV mit dauerhaft günstigem 49-Euro-Ticket EU-weit.

Bei 2 Millionen Verbrennern pro Jahr in Deutschland mit je 30.000 Euro im Durchschnitt (Umweltmalus 7.500 Euro) wären es insgesamt 15 Milliarden Euro im Jahr für die Staatskasse.

Die Verbrenner würden schneller von den Straßen verschwinden und die Autohersteller müssten auch günstige E-Autos anbieten oder asiatische Hersteller übernehmen das Kleinwagen-Segment.

stueberw:

Absolut richtig, auch meine Meinung.

Spock:

Es war und ist Gesetzeskonform also hat es nichts mit Betrug zu tun. Dann an die Moral abzuspielen ist vollkommener Quatsch. Die Förderung an sich war und ist eine Förderung für die Hersteller. Dann doch da Mal die „moralische“ Anklage erheben. Da war von Anfang an die Förderung mit eingepreist. Aber das stört scheinbar nur die wenigsten.

Broesel:

… Verbrenner maximal unattraktiv machen. (CO2- Wahrheit […])

+1
= deutlich steigender CO2-Preis!

Marc:

Betrug in diesem Zusammenhang überhaupt zu nennen, ist Unsinn. Betrug setzt einen rechtswidrigen Vermögensvorteil voraus und das Ausnutzen der minimalen Haltefristen ist nicht rechtswidrig. Wenn man -wie hier- völlig haltlos das Wort Subventionsbetrug in diesen Zusammenhang setzt, ist das unseriös.

Die richtigen Fragen wären, warum der Staat gegen besseren Rat, diese kurzen Haltefristen beschlossen hatte und, bezogen auf die Käufer, ob es es moralisch vertretbar ist, sich entsprechende Subventionen zu verschaffen. Bezogen auf Tesla könnte man erweitern und fragen, ob man mit dem Kauf eines solchen Autos ein Geschäftsmodell und eine Art des Kundenservice und Mitarbeiterführung unterstützen möchte, die grenzwertig erscheint. Es sind also moralische Fragen.

Ähnliche Artikel

Cover Image for Wie BMW in Debrecen den neuen iX3 baut

Wie BMW in Debrecen den neuen iX3 baut

Michael Neißendorfer  —  

Im Oktober startet die Serienproduktion des Elektro-SUV iX3 in Ungarn. Schon jetzt gewährt BMW Einblicke in das von Grund auf neu gebaute Werk.

Cover Image for Wie Elli Mobility mit E-Autos Kosten in Flotten senkt

Wie Elli Mobility mit E-Autos Kosten in Flotten senkt

Sebastian Henßler  —  

Elli Mobility im Podcast: CEO Joschi Jennermann über B2B-Fokus, Tank- und Ladekarte, Homecharging, Großspeicher und den Weg von Misch- zu E-Flotten.

Cover Image for Ferrari belebt den Testarossa als Plug-in-Hybrid mit 1050 PS neu

Ferrari belebt den Testarossa als Plug-in-Hybrid mit 1050 PS neu

Michael Neißendorfer  —  

Mit gleich drei Elektromotoren und einem V8-Biturbo leistet der 849 Testarossa beeindruckende 1050 PS – ein absoluter Rekord für ein Serienmodell von Ferrari.

Cover Image for Partner statt Paläste: So will Togg in Deutschland erfolgreich sein

Partner statt Paläste: So will Togg in Deutschland erfolgreich sein

Michael Neißendorfer  —  

Mit Verzögerung kommt der türkische Autobauer Togg nach Deutschland und bringt mit dem Elektro-SUV T10X sowie der E-Limousine T10F gleich zwei Fahrzeuge mit.

Cover Image for Porsche Cayman und Boxster ab 2027 nur noch als Stromer

Porsche Cayman und Boxster ab 2027 nur noch als Stromer

Laura Horst  —  

Porsche nimmt keine Aufträge mehr für den Boxster und den Cayman mit Verbrennungsmotor an. Beide Modelle kommen 2027 als Elektroautos zurück.

Cover Image for ChargingTime Update: Mehr Transparenz beim Strom laden

ChargingTime Update: Mehr Transparenz beim Strom laden

Sebastian Henßler  —  

Mit ChargingTimePay zahlen Nutzer per App oder Karte. Transparent ausgewiesene Gebühren und klare Preisvergleiche sollen böse Überraschungen vermeiden.