Beobachtung: Automobilhersteller verabschieden sich aus Deutschland

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Wolfgang Gomoll
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  —  Lesedauer 4 min

Deutschland droht ein Exodus einer seiner Kernindustrien. Während die Automobilhersteller hierzulande mit höheren Kosten und einem Wust an Regularien zu kämpfen haben, empfangen die USA sie mit offenen Armen. Die Konsequenzen für die Volkswirtschaft wären verheerend, wie eine Analyse der Unternehmensberatung Berylls zeigt.

Für Volkswagen hatte der weltberühmte Slogan „Made in Germany“ stets eine besondere Bedeutung. Mit soliden und dennoch erschwinglichen Autos wie dem VW Golf entwickelte sich der niedersächsische Autobauer zu einem Weltkonzern. Die fast schon sprichwörtliche Qualitätsbesessenheit des ehemaligen Führungsduos Martin Winterkorn und dem Patriarchen Ferdinand „Fugen-Ferdi“ Piëch verstärkte den Mythos des teutonischen Autobaus nur noch. Von der Arbeit der Menschen in Wolfsburg, Stuttgart und München profitierte das ganze Land. Doch diese Symbiose könnte sich schon bald dem Ende zuneigen. Statt Made in Germany heißt es dann Made in USA, Made in Mexiko oder Made in China. BMW investiert ebenfalls in seine Werke in Mexiko und Ungarn und folgt damit dem VW-Beispiel. Auch in München können sie rechnen. Wenn die Lohn- und Energiekosten die Gewinnmarge auffressen, wird es düster in der markanten Vierzylinder-Konzernzentrale am Olympiapark.

Berylls

„Wir werden keine neuen Elektrofabriken in Europa bauen, sondern die bestehenden transformieren“, sickerte eine Aussage von VW-Finanzvorstand Arno Antlitz aus dem firmeneigenen Intranet, bei der es um das Prestigeprojekt „Trinity“ ging. Gebaut wird woanders. Nämlich im Süden der USA. Denn da will der niedersächsische Autobauer eine Fabrik für die wiederbelebte Automarke Scout aus dem Boden stampfen. Geködert mit Subventionen der US-Regierung in Milliardenhöhe. Eine Gigafabrik soll folgen. Diese strategische Entscheidung hat ganz simple Konsequenzen. Jeder Job, der im Ausland geschaffen wird, fehlt in Deutschland. Wenn ein Unternehmen wie Volkswagen, bei dem das Land Niedersachsen und die Arbeitnehmerschaft eine wichtige Rolle spielen, solche wichtigen Investitionen außerhalb des Heimatmarktes plant, hat das eine verheerende Signalwirkung.

Der Hintergrund ist schnell erklärt: Während die USA mit dem „Inflation Reduction Act“ unternehmensfreundliche Bedingungen bis hin zu Subventionen schafft und VW & Co mit offenen Armen empfängt, regiert in Deutschland und Europa der Dogmatismus, bei dem die Unternehmen mit Auflagen und Regularien überhäuft werden. Die hohen Energiekosten, die ein wesentlicher Grund für die Abwanderung der Firmen sind, werden schulterzuckend als unvermeidbare Folge der Energiewende hingenommen. Damit sägen die Politiker in Brüssel und Berlin an einem wichtigen Ast, auf dem der Wohlstand der Deutschen begründet ist. Erlahmt die Produktion der Automobilindustrie, bekommt ein zentraler Jobmotor einen Kolbenfresser, die Steuereinnahmen sinken und das soziale Netz wird immer weiter geknüpft. Und das sind nur ein paar der drohenden Konsequenzen.

Berylls

Eine Analyse der Unternehmensberatung Berylls bestätigt die verheerenden Konsequenzen der deutsch-europäischen Politik. „Die Multikrise sorgt für einen Blick in die Zukunft, der deutlich pessimistischer ausfällt als noch im Jahr 2021, denn die Autoindustrie verlagert ihre Produktion weg aus Europa“, stellt Berylls-Experte Dr. Alexander Timmer fest. Demnach werden bis zum Jahr 2029 in Deutschland rund 4,1 Millionen weniger Autos gebaut, von China ganz zu schweigen. Die Konsequenzen für die Volkswirtschaft sind einschneidend: Bis 2029 brechen rund 100.000 Arbeitsplätze weg und das Bruttoinlandsprodukt sinkt um 0,6 Prozent. Schlimm genug.

Doch das ist erst der Anfang. Denn jetzt werden die Weichen für die Mobilität der Zukunft gestellt und wenn eine Fabrik erst einmal in den USA oder sonst wo errichtet ist, wird die nicht abgerissen, nur weil man sich in Deutschland eines Besseren besinnt. Dabei geht es nicht nur um die großen Fische der Automobilindustrie, sondern in deren Fahrwasser auch um die Zulieferer. Der Trend bestätigt den Exodus aus Deutschland. Laut einem geheimen Dossier der EU-Kommission plant jedes vierte deutsche Mittelstands-Unternehmen Produktion oder Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern.

Berylls

Die Präsidentin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA) Hildegard Müller schlägt einmal mehr Alarm und nimmt die Politik in die Pflicht. „Berlin und Brüssel müssen jetzt schnellstmöglich die Wettbewerbsfähigkeit Europas sicherstellen“, sagt Hildegard Müller und legt im selben Atemzug nach: „Die Auffassung, Zukunft vorausschauen zu können und ihr nicht offen, sondern festgelegt – in einem engen Korsett aus Regeln und Verordnungen – zu begegnen, ist falsch, innovationshemmend und somit für unseren Wohlstand gefährlich.“ Allerdings ist die Frage, ob die Mahnung nicht zu spät kommt und die Abwanderung aus Deutschland nicht mehr umzukehren ist.

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Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll beschäftigt sich mit dem Thema Elektromobilität und Elektroautos und verfasst für press:inform spannende Einblicke aus der E-Szene. Auf Elektroauto-News.net teilt er diese mit uns. Teils exklusiv!

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Chris:

Selber Falsch, X1 und X2 werden in Regensburg gebaut.
In Leipzig gab es Mal eine X1 Produktion

Gerhard Kirchheim:

Es ist richtig das der Fiesta vor rund 45 Jahren in Spanien gebaut wurde. Mein Fiesta Bj 2010 wurde jedoch in Köln gebaut und die Sozialbeiträge der Ford-Mitarbeiter (z. B. Rentenbeiträge oder Steuern usw.) blieben in Deutschland und gingen nicht irgendwohin in die 3.Welt. Wenn es erst mal keine Automobilindustrie mehr in Deutschland gibt kommt dann das böse Erwachen.

Peter:

Der Artikel ignoriert völlig die Folgen der De-Globalisierung, die nicht nur (aber eben auch) Trump auf’s globale Tableau gehoben hat und weitere relevante Aspekte, nur um sich der einseitigen Argumentation einer klimaignorierenden Ecke anzuschließen. Inseofern ist der Artikel aus meiner Sicht irreführend, weil er unverantwortlich einseitig argumentiert und diese mit unzutreffenden Behauptungen anreichert.

Der Autor bleibt damit der seit langem sichtbaren Linie von Wirtschaftswoche und Focus online treu.

Barbara Sophie Walter:

Wie oft wurde uns schon ein Aus vorausgesagt und was passierte -?- Das genaue Gegenteil. Reisende muss man gehen lassen.

Johannes:

So ein Käse.
Deutschland hat 360.000 km² und es werden 35.000 Windräder benötigt. Das wäre ein Windrad pro 10 km². Da die dann doch eher in Windparks organisiert sind, bleibt 98% der Fläche windradfrei.
Wenige Kilometer Autobahn versiegeln soviel Fläche wie alle Windräder zusammengenommen, die für die EW nötig sind. Aber da spielt das Thema „Zerstörung an Landfläche und Tierwelt“ scheinbar keine so große Rolle.

Silverbeard:

So ein Quatsch. Die Grünen können überhaupt nichts für die Deutsche Abhängigkeit von zu billigem russischem Gas. Wir haben sehr gut davon gelebt, aber müssen nun wieder mit den Marktpreisen auf eigenen Füßen stehen.

Die Streiks hätten wir schon vor 5-10 Jahren gebraucht. Arbeiter wurden langsam bis an die Grenze ausgequetscht (durch Lohnerhöhungen ständig an oder unter der Geldentwertung, aber weit jenseits der Produktivitätssteigerung) und merken jetzt bei einem kleinen Preissprung der Energie, dass sie nicht mehr die geringste Reserve haben.

Silverbeard:

Schwarze Null, Hände in den Schoß und Infrastruktur abnutzen ist bestimmt die bessere Strategie gewesen…

Silverbeard:

Ein sehr großer Posten für teuren Strom in Deutschland sind die Netzgebühren. Zwar sieht es auf den ersten Blick mit 4 Anbietern wie ein Markt aus, aber in Wirklichkeit ist Deutschland in vier Monopole geteilt.
Hier (wie auch in vielen anderen Bereichen) sollte man ernsthaft fragen, ob Privatisierung von lebensnotwendiger Infrastruktur wirklich sinnvoll oder dogmatische Ideologie ist.

Die Netzgebühren sind für Privathaushalte etwa 3-4x so hoch wie die Stromkosten. So billig kann Strom gar nicht werden, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern niedrige Stromkosten bekommt. Ein staatliches Netz ohne Profitstreben und Gewinnausschüttung hätte den Gesamtpreis des Stroms bereits ordenlich gesenkt.

Silverbeard:

Grundsätzlich sehe ich keine Probleme damit, wenn es in Deutschland weniger Automobilbau gibt. Die deutsche Bevölkerung wird im Durchschnitt immer älter, D.h. es werden sowieso im Verhältnis immer weniger Deutsche aus körperlichen Gründen selbst autofahren können in Zukunft.

Dazu kommen die viel zu geringen Lohnerhöhungen (ausser bei festangestellten OEM Mitarbeitern) im Vergleich zu den viel zu großen Erhöhungen bei neuen Mietverträgen (Thema der Arbeit hinterherziehen…). Es können sich auch immer weniger Menschen im fahrfähigen Alter Autos leisten. Der Anteil an Firmenwagen bei den Erstzulassungen wird steigen, während die gesamten Neuzulassungen in Deutschland weiter sinken.

Andererseits ergeben sich durch die Energiewende neue Möglichkeiten. Heizungs- und PV Installation, sowie EE Ausbau werden in den nächsten Jahren explodieren. Einziger Haken der Lohnunterschied zwischen Handwerk und Fliessbandmontage beim OEM. Da werden einige bittere Pillen zu schlucken sein.

Silverbeard:

Nicht die kWh muß als Backup bereitgestellt werden, sondern die kW!
Und dabei helfen sich die EU Staaten gegenseitig. Wir z.B Frankreich bei den Atomkraftwerken ohne Kühlwasser…

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