Der Batterieforscher Maximilian Fichtner sprach in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung über die Standortentscheidung für die Batterieforschungsfabrik gegen sein Ulmer Institut und pro Münster, die Zukunft der Elektromobilität und nachhaltige Batterien sowie die Brennstoffzelle als Alternative zu großen Autoakkus.
Fichtner zeigte sich in dem Interview sehr enttäuscht darüber, dass Münster und nicht Ulm den Zuschlag für die deutsche Batterieforschungsfabrik erhalten hat: Die Entscheidung von Forschungsministerin Anja Karliczek sei für ihn „nach wie vor schwer verständlich“ und es gebe „keine ausreichende Transparenz darüber, warum Münster den Zuschlag bekommen hat“, findet der Forscher.
Seine Sorge sei nun, dass Deutschland trotz der eigentlich positiven Bemühungen gegenüber der Konkurrenz aus Asien weiter zurückfällt, da in Münster im Gegensatz zu Ulm zusätzliche Investitionen notwendig seien: „In Münster müssen erst noch die notwendigen Gebäude errichtet werden, die wir in Ulm sofort hätten bereitstellen können“, sagt Fichtner. Auch bei der Fertigungstechnik sieht der Forscher Ulm im Vorteil, da der Standort bereits „über die größte Pilot-Fertigungsanlage für industrieformatige Batteriezellen in Europa“ verfüge, es gebe in Ulm „eine international wegweisende Fertigungsentwicklung im Verbund mit dem Karlsruher Institut für Technologie.“
„Mit der Entscheidung von Frau Karliczek stärken wir also nicht unsere Stärken, sondern betreiben eher Strukturförderung – im globalen Wettbewerb ist das keine gute Idee“, so der Wissenschaftler.
„Ich wundere mich über diese Debatte“
Dass der Antrieb der Zukunft batterieelektrisch ist, zweifelt Fichtner nicht an. „Die Option des klassischen Verbrenners gibt es in wenigen Jahren gar nicht mehr – weil die konventionellen Ölvorräte zur Neige gehen“, so der Wissenschaftler, trotz Fracking und Tiefseebohrungen mit ihren irreparablen Umweltschäden. Deshalb wundere er sich über die Debatte, welcher Antrieb der nachhaltigste sei. Wer meint, auch im Jahr 2050 noch Diesel fahren zu können, müsse auch die Frage beantworten, womit er eigentlich fahren wolle. Außerdem habe „ein Elektroauto einen Energieverbrauch, der etwa einem Liter Diesel pro 100 Kilometern entspricht. Das ist fünf bis sieben Mal weniger als bei den derzeitigen Dieselautos“, rechnet Fichtner mit Blick auf die Gesamtenergiebilanz vor.
Allerdings gibt der Forscher zu bedenken, dass auch Elektroautos nicht unproblematisch sind: „Lithium-Ionen-Batterien, mit denen Elektroautos derzeit bestückt sind, enthalten Lithium und Kobalt. Der Lithiumabbau in Südamerika hat etwa vielerorts den Grundwasserpegel stark sinken lassen. Kobalt wird im Kongo in einigen Regionen unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut.“ Genau deshalb werde „weltweit intensiv daran geforscht, wie beide Mineralien in Batterien überflüssig gemacht werden können – auch bei uns in Ulm.“
Zum Beispiel versuchen die Forscher, Lithium und Kobalt durch Natrium, Magnesium, Calcium oder Aluminium zu ersetzen. „Am weitesten sind wir mit der Natrium-Ionen-Batterie – sie steht kurz vor der kommerziellen Nutzung“, so Fichtner. Sie sei zwar „größer und schwerer als die Lithium-Variante, aber trotzdem wichtig für den stationären Bereich, weil Salz billig zu gewinnen und in großen Mengen vorhanden ist“, so der Forscher im Interview. Magnesium und Calcium gebe es auch „auf der Schwäbischen Alb in rauen Mengen – gelänge uns da der Durchbruch, wäre unsere Autoindustrie viel weniger auf Rohstoffimporte angewiesen.“
„Keine Technologie erlaubt eine Milliarde Fahrzeuge ohne massiven Ressourcenverbrauch“
„Generell“ gelte aber, dass es keine Technologie gibt, „die es uns erlauben wird, eine Milliarde Fahrzeuge auf der Erde ohne massiven Ressourcenverbrauch herzustellen und zu betreiben.“ Die Herstellung eines Elektroautos verursache hohe CO2-Emissionen. „Aber schon nach den ersten paar tausend Kilometern schneidet der Verbrenner insgesamt schlechter ab, da er ständig CO2 produziert, während das mit Strom aus Erneuerbaren Energien fahrende Elektroauto kein weiteres Kohlendioxid ausstößt. Am Ende seines Lebens hat der Verbrenner ein Vielfaches an CO2 erzeugt.“
Mit Blick auf Brennstoffzellenfahrzeuge sagte Fichtner der Stuttgarter Zeitung, dass auch diese gebraucht werden, „da Elektrobatterien für große Lastzüge, Schiffe oder Flugzeuge auch in Zukunft zu groß sein werden“. Allerdings sei Wasserstoff „kein Allheilmittel: Erstens benötigt der Katalysator der Brennstoffzellen Platin, das unter ähnlich fragwürdigen Bedingungen wie Kobalt abgebaut wird. Und für den Wasserstoffbetrieb eines Fahrzeugs ist bis zu zehn Mal mehr Energie nötig als bei der elektrischen Lösung“.
Quelle: Stuttgarter Zeitung – Ulmer Forscher Maximilian Fichtner im Interview: „Wir haben die Batterierohstoffe auf der Alb“