Der Automobilindustrie droht ein dramatischer Stellenabbau

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 3 min

Der Abwärtstrend der deutschen Automobilbranche geht weiter: Zunehmender Produktionsrückgang, geopolitische Herausforderungen wie Strafzölle und wachsende Konkurrenz aus China – nur ein Teil der Faktoren, die die ohnehin schon schlechte Lage der deutschen Automobilbranche verschärfen. „Jede sechste Großinsolvenz in diesem Jahr ist ein Automobilzulieferer“, sagt Dietmar Gerke, Head of SRM Deutschland beim internationalen Kreditversicherer Atradius. Die Folge: Die Automobilindustrie führt die Liste der insolvenzgefährdeten Branchen an.

In den vergangenen 25 Jahren ist die Automobilproduktion in Deutschland um 25 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig blieb die Zahl der Beschäftigten seit 2005 auf einem konstanten Wert von etwa 800.000 Arbeitnehmern. „Rein rechnerisch gibt es in Deutschland in Relation zur Produktion 200.000 Arbeitsplätze zu viel“, erläutert Gerke. Viele Produktionsschritte könnten auch durch Innovationen wie Robotertechniken geleistet werden.

Gleichzeitig ist die Automobilproduktion in China seit 2000 um etwa 1400 Prozent gestiegen. „Früher wurde in Deutschland entwickelt und Teile aus China zugekauft. Heute hat China die eigene Expertise und produziert günstiger als Deutschland“, so Gerke. Die Folge: China kann günstige Autos nach Deutschland und Europa exportieren und gleichzeitig den Verkauf der eigenen Hersteller im Land stärken.

Die Zahl der Insolvenzen bei Automobilzulieferern ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum im ersten Halbjahr 2024 um 66 Prozent gestiegen. Dabei entfällt jede sechste Großinsolvenz auf die Automobilindustrie. Damit führt sie noch vor der Metall- oder Textilbranche die Liste der größten Insolvenzbranchen an. Mit einer Entspannung ist in Zukunft nicht zu rechnen. „Die letzten Jahre sind die Insolvenzzahlen der Automobilbranche auf einem konstant hohen Niveau gewesen. Wir rechnen damit, dass sie auch im nächsten Jahr weiter im niedrigen bis mittleren zweistelligen Bereich wachsen“, so Gerke. Die Branche müsse sich transformieren, um sich dem Markt anzupassen – häufig führe dieser Wandel auch zu Insolvenzen. Besonders betroffen seien kleinere Zulieferer, die den Wechsel zur E-Mobilität nicht schaffen oder schlicht verschlafen haben.

Aktuell werden viele Unternehmen trotz Insolvenz weitergeführt. Der Grund: Automobilhersteller unterstützen selektiert ihre Zulieferer, die für die Produktion unbedingt gebraucht werden. „Die Zukunftsaussichten sind jedoch eher schlecht. Es fehlt an Liquidität in der Wirtschaft, um solche Übernahmen finanzieren zu können“, erklärt Gerke. Investitionen in die Restrukturierung von insolventen Automobilzulieferern seien in der aktuellen Situation unattraktiv.

Deutschland verpasst den Anschluss

Bis 2040 bestimmen vier Trends die Entwicklung des Automobilmarktes: Kontinentalisierung statt Globalisierung, Automatisierung, Software-definierte Fahrzeuge oder auch Konnektivität und die E-Mobilität. Alle Trends lassen schon jetzt erste Anzeichen sehen. „Am stärksten sieht man aktuell den Trend zur Kontinentalisierung“, so Gerke. „Europa erlässt Zölle, die USA spricht von Abwehrzöllen gegen China, China subventioniert stark im eigenen Land. Alles Anzeichen dafür, dass die Globalisierung auf dem Automobilmarkt zurückgeht.“ Dabei ist Deutschland auf die Exporte nach China und die USA angewiesen, die 20 Prozent der gesamten Exporte ausmachen. Diese bestehen, im Gegensatz zu den Exporten in Europa (60 Prozent), zu 96 Prozent aus hochpreisigen Premiumfahrzeugen.

Und auch bei den anderen Trends liegt Deutschland in der Entwicklung weit abgeschlagen hinter Ländern wie China. Grund dafür ist auch die fehlende Förderung durch die Regierung. „Es ist allerdings fraglich, ob weitere Subventionen die deutschen Automobilhersteller retten würden, wenn diese ihre eigenen Kosten, zum Beispiel Personalkosten, nicht stabilisieren können“, sagt Gerke. Vielmehr bedarf es rechtlicher Regelungen in Bezug auf Datenschutz, der für die Konnektivität der Elektrifizierung von Fahrzeugen nötig ist.

Darüber hinaus müsse die gesamte Infrastruktur für E-Mobilität gestärkt, Kosten reduziert und Innovationen mehr gefördert werden. Gleichzeitig liegt die Verantwortung nicht nur bei der Regierung, sondern auch in der Strategieentwicklung der Automobilhersteller. „Wenn in Deutschland jetzt nicht gehandelt und angefangen wird, mittel- bis langfristig zu denken, werden die Folgen und Nachteile für die gesamte Branche noch deutlich größer ausfallen, als es aktuell zu erkennen ist“, mahnt Gerke abschließend.

Quelle: Atradius – Pressemitteilung vom 05.12.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Rudi:

Wenn man schon von Personalöabbau spricht – dann zuerst all jene in diesen Unternehmen, die aktiv die Transfomation behindert haben!
Dann wird schon mal viel Geld gespart – das sind vermutlich alles Top-Verdiener!
Dann wird es auch schnell vorangehen.
Kenn das aus früheren Mac-Kinsey-Zeiten!
Dann läuft es, wenn die reaktionären Kräfte ausgeschaltet werden.

Hiker:

Mir macht diese Entwicklung grosse Sorgen. Umso mehr, weil in Europa nach wie vor gegen die Elektromobilität gearbeitet wird. Es laufen regelrechte Kampagnen um den Wandel möglichichst lange zu verhindern.

Die Menschen lassen sich durch diese andauernden negativen Berichte verunsichern und kaufen lieber weiter ihre Verbrenner. Und die Politik hilft kräftig mit. Diesel wird immer noch mit Millionen subventioniert.

Die Ladeanbieter können ungehindert die Autofahrer abkassieren. Der Förderbonus wurde von jetzt auf gleich abgeschafft. Chinesische Produkte werden mit hohen Zöllen belegt. Damit wird lediglich erreicht, dass Deutsche Hersteller den wichtigsten Chinesischen Markt verlieren. Warum sieht das hier keiner?

Apfel:

Ich erinnere mich noch an ein Gespräch das ich vor knapp 10 Jahren mit einem KFZ Freund geführt habe.
Da war er der festen Überzeugung, dass sobald E-Autos oder Wasserstoffautos kommen, die ganzen großen Hersteller vorne mit dabei wären, weil die alle schon fertige Konzepte für diese Fahrzeuge haben.
Und das hat man öfter gehört, als gerade Tesla immer weiter am wachsen war.
Heute sieht man, dass die Hersteller den Trend aber verschlafen haben und aktuell Probleme haben den Wandel sinnvoll durchzuziehen.

Ich kann mir auch vorstellen, dass einige Hersteller nicht an den Erfolg der E-Autos geglaubt haben. Vielleicht haben die das auch deswegen immer wieder schlecht geredet.

Man stelle sich mal vor, VW als gesamt Konzern hätte vor 10 Jahren angefangen in die Ladeinfrastruktur zu investieren, die könnten heute mit Abstand der größte Anbieter sein und zehntausende Ladestationen in Europa haben.

Allein in Deutschland sind die Fahrer stark zurückhaltend was E-Autos angeht, aber selbst das wird in ein paar Jahren Geschichte sein.

Robert:

„Deutschland verpasst den Anschluss“ was soll man dazu sagen schon seit gut 10 Jahren wurde die Deutsche Automobilindustrie gewarnt nicht die Zukunft zu verschlafen, aber die deutsche Arroganz der Hersteller z.B. hat sich ein Herr Müller 2017 noch über Tesla lustig gemacht und vom Geldverbrennen geschwafelt und wollte nicht erkennen das Tesla gewinnbringende Zukunfsinvestitionen tätig mit seinem Supercharger-Netz
und nein ich glaube das nur noch ein wunder die Deutsche Autoindustrie retten kann, oder joint ventures mit den Chineschischen Herstellern könnten unsere Hersteller noch retten, aber das wird schwierieg solange Euopa weiterhin einen politischen China feindlichen Kurs verfolgt

Manfred:

Wie im Artikel bereits erwähnt gehört dies zu jedem Transformationsprozess dazu. Weder durch die Politik noch durch die Unternehmensleitungen lässt sich der Stellenabbau und das verschwinden von Betrieben gänzlich verhindern. Es kommt nun darauf an den Wandel intelligent zu gestalten.

Leider hapert es hier gewaltig. Auch hier haben wir viele Chancen nicht nutzen wollen oder Dank der Saboteure von der FDP nicht nutzen können. Mit der neuen Regierung, die vermutlich kommen wird, wird aber alles noch Rückständiger. Es sind die ewigen Mantras konservativer Finanz- und Wirtschaftspolitik, die uns dann so richtig in den Abgrund ziehen.

Schuldenbremse, aus für Verbrenner Verbot, Kernkraft Revival, aus für Wärmepumpenförderung, Einstellen der Forschungsförderung für Batterien usw. Die Liste ließe sich noch fortsetzen.

Wir könnten Marktführer in der Solartechnik sein. Das war nicht gewollt und wurde systematisch unterbunden. Wir könnten noch Marktführer in der Windenergie sein. Auch das wurde von Union und FDP genauso wie die Photovoltaik marginalisiert. Mit vielen anderen innovativen Bereichen sieht es ähnlich aus. Statt dessen werden dutzende Milliarden Euro in die Nutzung von fossiler Energie gesteckt.

Keine Kerosinsteuer, Keine Dieselsteuer für Landwirte, Dienstwagenprivileg etc. Es gibt eine Liste beim Umweltbundesamt.

Rolando:

Selbst wenn die deutschen Hersteller rechtzeitig in die neue Mobilität investiert hätten wäre es zu einem Stellenabbau gekommen, weil die BEV‘s weniger komplex sind und viel weniger Wartung benötigen. Mit dem Verzögern, das weiterhin läuft, wird es noch viel schlimmer.

Smartino:

„Hersteller wurden dadurch gezwungen auf eine Antriebstechnologie zu setzen, die für mich noch nicht zu Ende gedacht ist ….“

Welche Antriebstechnologie ist schon zu Ende gedacht?
1886 hat Karl Benz seinen Motorwagen zum Patent angemeldet, obwohl der Motor noch nicht zu Ende gedacht war.
Das ist er heute noch nicht, nach über 130 Jahren, denn es wird immer noch an Verbesserungen gearbeitet.

Zum Glück wurden die Hersteller gezwungen, auf neue Antriebstechnologien zu setzen, denn sonst würden sie wohl heute noch im alten Trott verharren. Womöglich bis einst endgültig der letzte Tropfen Erdöl gefördert und verbannt ist und das Klima Mensch und Natur zerstört.

Manchmal kann ein kräftiger Tritt in den A… nötig und heilsam sein.

Powerli:

… reaktionionär und rassistisch … schreibt man klein. Einfach seine Gosch halten …

Sledge hat dagegen einen tollen und richtigen Beitrag geschrieben und es treffend auf den Punkt gebracht.

Christian:

Konservative und die Mitte waren schon immer Reaktionär und Rassistisch.

Pheaton:

Wenn jetzt in diesen schwierigen Zeiten, Parteien an die Macht kommen, die das Mantra der Technologieoffenheit vor sich her tragen, und das „Verbrennerverbot“ im Jahr 2035 kippen wollen, dann war es das mit der Automobilindustrie in Deutschland. Dann wird diese Branche verschwinden, wie so viele Branchen vor ihr.

Woran liegt das, wer ist Verantwortlich? Jeder kann sich hoffentlich selbst ein Bild davon machen. Mir Verantwortlich sind die Vorgaben und Gesetzte der Europäischen Union im Bezug Emissionen. Getrieben und ausgelöst von dem Diesel Skandal musste man irgendetwas auf den Weg bringen. Man hat Grenzwerte und Fristen festgelegt die nicht moderat und auf Sicht ausgelegt waren. Hersteller wurden dadurch gezwungen auf eine Antriebstechnologie zu setzen, die für mich noch nicht zu Ende gedacht ist und auch nicht für jedermann kompatibel ist. Man war schlecht beraten diese Dinge so anzugehen, zu einem wird die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit beschnitten und der Endverbraucher möchte gerne selbst seine Art der Mobilität bestimmen.
Auch das Thema, ob die E-Mobilität wirklich im Bezug der Umweltfreundlichkeit wirklich so viel besser ist (oder überhaupt), da gehen ja auch die Meinungen weit auseinander (immer auf die jetzige Situation gesehen).
Und was ist mit dem Altbestand, der ist Morgen nicht auf einmal weg oder ausgetauscht. Und da fragt man sich schon als Steuerzahler, was hätte man alles mit dem Geld sinnvolles machen können (Europaweite Subventionen).

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